Strom laden im Paket

Batterie wechseln statt laden: Ruck, zuck weiter

Motor
29.11.2018 06:50

Mit Akkuwechsel-Stationen für E-Autos wollte das Start-up Better Place die Welt Anfang des Jahrtausends zu einem besseren Ort machen. Und scheiterte. Doch nun kommt das Konzept der Austausch-Batterien zurück.

(Bild: kmm)

Der Neustart beginnt in China. E-Mobil-Hersteller Nio will bis 2020 rund 1100 Batteriewechsel-Stationen entlang der Transitroute von Nord- nach Südchina bauen, die ersten 18 Anlagen sind bereits in Betrieb und versorgen die Kunden der Marke vollautomatisch mit Langstreckentauglichkeit. Das Auto wird dazu in eine Art Garage gefahren und oberhalb einer Grube positioniert. In diese ist ein Roboter eingelassen, der die unter dem Fahrzeugboden verschraubte leere Batterieplatte löst, eine volle herbeibefördert, diese einpasst und festschraubt. Das Prozedere dauert keine zwei Minuten, während denen der Fahrer sitzen bleibt. Danach kann er sofort weiterfahren. Mittelfristig sollen reiselustige E-Mobilisten bis zu 2285 Kilometer quer durch das Land fahren können - das ist die Länge der Strecke des sogenannten G4 Expressway, an dem Nio künftig seine Wechselstationen platzieren will.

Zunächst soll also China elektrisch von Norden nach Süden elektromobil querbar gemacht werden. Danach könnten auch Europa und die USA ins Visier des Herstellers kommen. Den Markteintritt hat man bereits für 2020 angekündigt.

Der Charme des Akku-Tausches ist unmittelbar einsichtig: Der „Tankvorgang“ dauert nicht länger als an der klassischen Zapfsäule. Selbst die schnellste künftige Schnellladetechnik dürfte nicht annähernd so fix sein; aktuell ist ein voller Akku kaum unter einer halben Stunde zu haben. Sollte Nio die Pläne umgesetzt bekommen, wäre das Reichweiten-Problem des E-Autos Geschichte. Und auch die hohen Preise wären Vergangenheit. Statt große und teure Batterien könnte man kleine und günstige in künftige E-Autos bauen, statt ewig an der Steckdose zu hängen, müsste man nur kurz durch den Akku-Drive-in und sich einen frisch gefüllten Energiespeicher besorgen.

Warum der Vorreiter scheiterte
Kein Wunder, dass vor Nio bereits jemand anders auf die Idee mit den Austauch-Akkus gekommen ist: Das israelische Start-up Better Place hat ab 2007 ein nahezu identisches Projekt gestartet. Mit großen Ambitionen: Der schillernde Gründer Shai Agassi, ein ehemaliger SAP-Vorstand, hatte fast eine Milliarde Dollar bei Investoren gesammelt und in seinem Heimatland Israel ein erstes Pilotprojekt mit Wechselstationen gestartet, Ableger in Dänemark und Australien folgten. Später sollte das Konzept die ganze Welt verändern, erhoffte man sich bei dem jungen Unternehmen. Mit Renault konnte man sogar einen starken Industriepartner gewinnen, der die benötigten Autos konstruierte, baute und zur Verfügung stellte.

Doch bereits 2013 war Better Place pleite, Agassi und seine Manager mussten sich wegen Missmanagements vor Gericht verantworten. Heute gelten vor allem zwei Umstände als Gründe für das Scheitern der Firma. Zum einen konnte Better Place neben Renault keinen weiteren Autohersteller überzeugen, auf die Tauschakku-Technik zu setzen. Das Modellangebot war daher klein und wäre auch in absehbarer Zeit klein geblieben. Zum anderen waren die Kosten enorm: Allein die Ladestationen schlugen mit rund zwei Millionen Euro pro Stück ins Kontor. Dazu kamen kolportierte Batteriekosten von 10.000 Euro pro Einheit. Better Place kaufte daher nur gerade so viele Akkus wie nötig, fuhr diese auf Verschleiß und konnte so am Ende selbst die überschaubare Kundschaft nicht mit Qualität und Zuverlässigkeit überzeugen. Für die Batteriewechsel-Idee war das ein schwerer Schlag. Für das Auto wurde sie beerdigt, lediglich einige Elektroroller-Hersteller wie die taiwanesische Scooter-Marke Gogoro hielten und halten an ihr fest.

Bessere Voraussetzungen für ein Gelingen
Heute sieht die Situation für den chinesischen Autohersteller Nio möglicherweise besser aus. Weil das Unternehmen seine Autos gleich selbst baut und vertreibt, fallen viele Abstimmungsprozesse und Reibungsverluste mit einem Industriepartner schon einmal weg. Zudem sind die Preise für Akkus im vergangenen halben Jahrzehnt deutlich gesunken. Die Kosten für einen Grundstock an Tauschware wären im Vergleich mit der Better-Place-Ära wohl günstiger aufzubauen. Und nicht zuletzt befindet sich die E-Mobilität in China in einem Boom, den es auf Agassis Mini-Märkten beim besten Willen nicht gab.

Dass es mit dem Batterietausch klappt, ist aber längst nicht ausgemacht. Zum einen hat Nio zurzeit nur zwei Modelle im Angebot, von denen lediglich der siebensitzige Crossover ES8 (Reichweite pro Batterie: 355 Kilometer) überhaupt für den maschinellen Wechsel vorgerüstet ist. Und bislang halten sich die Verkaufszahlen in Grenzen: In den ersten drei Monaten seit dem Marktstart im Sommer 2018 wurden keine 2500 Autos gebaut, die Zahl der Auslieferungen betrug nur 1500 Fahrzeuge. Zum Vergleich: Nio-Vorbild Tesla importiert in einem Vierteljahr rund 10.000 Autos nach China. Und hat mit seinem Supercharger-Schnellladenetzwerk ebenfalls ein gutes Argument für Kunden, die mit ihrem E-Auto Langstrecken zurücklegen wollen. Das gilt im Übrigen auch für Europa und die USA, wo die westlichen Autohersteller ebenfalls an Schnellladenetzwerken bauen. Akkutausch-Systeme hätten also eine starke Konkurrenz.

Trotzdem zählt Nio zu den spannendsten Autobauern in China und weltweit. Dass die Chinesen mittlerweile in der Formel E vertreten sind, zeigt zumindest ihre finanziellen Möglichkeiten und Ambitionen, in der E-Mobilität vorne mitzufahren. Und auch beim selbstfahrenden Auto spielt das erst 2014 gegründete Unternehmen prominent mit. Dass man mit den chinesischen Autoherstellern JAC und Changan zwei etablierte Produktionspartner an der Seite hat, dürfte ebenfalls helfen.

(SPX)

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