Schauspielhaus Graz:

Revolution in Afrika

Steiermark
24.11.2018 14:45

Die Erfolgsproduktion „Der Auftrag: Dantons Tod“ dient Regisseur Jan-Christoph Gockel und seinem Team als Ausgangspunkt für „Die Revolution frisst ihre Kinder!“. Dafür begibt sich die Truppe nicht nur nach Afrika, sie fügt dem ohnehin prallen Fragen-Katalog der ersten Produktion noch unzählige weitere hinzu.

Seine Auseinandersetzung mit der französischen Revolution als Geburtsstunde der Bürger- und Menschenrechte führt Regisseur Gockel mit seinem Team diesmal ins Heute, wo er sie mit persönlichen Erlebnissen während der friedlichen Revolution in Burkina Faso im Jahr 2014 kombiniert. Dafür machte sich die Truppe auf in die Hauptstadt Ouagadougou, um das komplexe und vielschichtige Konzept mit Lokalkolorit zu versehen. Dabei ergab sich die Chance, die afrikanischen Perspektive miteinzubeziehen.

Fake-Doku über die Revolution
Immer begleitet von der Filmkamera (Eike Zuleeg) erleben dort die Theaterleute rund um „Regisseurin“ Julia Gräfner in einer hervorragend gemachten Fake-Doku die Revolution aus nächster Nähe. Auch die im eigenen Gefüge, wo die eitle Selbstreflexion der Künstler schnell auf den Boden der Realität knallt. Die hanebüchene Conclusio der „Regisseurin“: Sie vereinnahmt die Revolution als ihr Werk.

Die Schauspieler - Michael Pietsch, mit seinen Puppen kongenialer Partner von Gockel, Raphael Muff und Komi Mizrajim Togbonou, dessen Familie aus Togo stammt - sehen das auf höchst unterschiedliche Weise anders, und so bleibt die Eskalation nicht aus.

Vielschichtiges Gefüge
Die Erkenntnis, dass man mit (kultur-)kolonialen Methoden nicht weit kommt - die Danton-Puppe wird bald durch die des legendären Revolutionärs und Präsidenten von Burkina Faso, Thomas Sankara, ersetzt - dämmert schnell, doch die Frage, ob sich europäische Schauspieler anmaßen dürfen, afrikanische Geschichte in Afrika zu erzählen, bleibt virulent. Dass dem Ganzen das „alte“ Europa in Form des desillusionierten Danton (Florian Köhler, der als Darsteller lieber ein Revolutions-Solo erarbeitet als mitzureisen) zur Seite gestellt wird, setzt weitere Ebenen ins vielschichtige Gefüge ein.

Das Ensemble (ergänzt um „Intendantin“ Evamaria Salcher sowie Laurenz Leki als durchgeknallter Expat) und Regisseur Gockel spielen in diesem Theater-Filmdoku-Mix überaus gekonnt mit der Vermischung von Realität und Fiktion. Vom Publikum wird viel Aufmerksamkeit gefordert, um den subtil ausgelegten Fallstricken zu entgehen. Mitunter lässt sich dabei ein wenig Überforderung nicht ausschließen. Und etwas weniger Schauspieler- und Theater-Selbstreflexion hätte nicht geschadet. Dennoch ein großer, ein wichtiger Abend.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Steiermark



Kostenlose Spiele