Tierecke wiegt ab:

Pro & Contra zum neuen Wiener Hundegesetz

Tierecke
23.11.2018 14:28

In Wien greift in Kürze ein neues Gesetz zur Hundehaltung. Sogenannte Listenhunde müssen permanent einen Maulkorb tragen, es sei denn sie befinden sich in einer Hundezone. Eine Befreiung ist nach drei Jahren und eingehender Prüfung möglich. Zusätzlich kommen Alkohollimit für die Besitzer und ein Sachkundenachweis für alle künftigen Hundehalter unabhängig von der Rasse. Die Gesetzesänderung schlägt hohe Wellen, sowohl unter Hundefreunden als auch -gegnern. Und selbst innerhalb der Redaktion der „Krone Tierecke“ ist man sich nicht ganz einig - ein Pro & Contra zum Thema.

Maggie Entenfellner, „Krone“-Tierexpertin und Halterin zweier geretteter Coton de Tuléar-Hündinnen sagt:

„Listenhunde-Schutz anstelle von Schutz vor Listenhunden!“

Um es salopp auszudrücken: Es zipft mich an, dass einige Hunderassen darunter zu leiden haben, weil sie von ihre Besitzern missbraucht werden. Missbraucht als Waffe, als Provokation, als Statussymbol oder um sich selbst einfach ein wenig größer und wichtiger darzustellen. Die Hunde leiden nicht nur unter ihrem Ruf (Gott sei Dank können Hunde noch nicht lesen) sondern oft auch körperlich. Und eines gleich vorweg: Ich weiß, dass ein Großteil jener Menschen, die einen Rottweiler, einen Staff oder Pitbull haben, ihre Hunde lieben und gut und artgerecht mit ihnen umgehen. Und selbstverständlich weiß ich auch, dass man die Gefährlichkeit oder die Aggression eines Hundes nicht an seiner Rasse festmachen kann. Aber es ist eben leider eine Tatsache, dass gewisse Hunde gewisse Menschen ansprechen. Und es ist auch eine Tatsache, dass die Zahl jener, die ihre Hunde missbrauchen, in Wien oder anderen großen Städten prozentuell öfters zu finden sind, als am Land.

„Rassen müssen schlechtes Image loswerden“
Ich könnte weinen, wenn ich so wie erst vor einigen Tagen, vor der Apotheke drei junge Staffwelpen angehängt sehe. Jeder einzelne Passant wurde von den drei entzückenden Tieren freundlich und schwanzwedelnd begrüßt. Meine sofort gehegten Befürchtungen bewahrheiteten sich leider: Der Halter der drei Hundebabies, besorgte sich gerade Methadon. Ein Ersatzdrogenmedikament. Höflich sprach ich ihn an und bat ihn mir doch die drei Hunde zu überlassen, damit er sich vorrangig um sich selbst kümmern könne. „Futter kannst mir geben, damit sie was zu fressen haben, aber die gib i nur für Geld her.“ so seine Antwort. Weiters ließ er mich wissen, dass er jedes Jahr mehrfach Würfe haben würde, um so an Geld zu kommen. Es sind leider oft solche Umstände, die aus entzückenden Welpen verhaltensauffällige Hunde machen. Mir ist es seit langem ein Anliegen, all diesen Rassen zu helfen, ihr schlechtes Image los zu werden. Wir berichten von Listenhunden, die im Dienste der Menschheit unglaubliches vollbringen. Vom Krebsspürhund bis hin zum Lawinensuchhund. Also Tiere, die dem Menschen absolut nicht gefährlich sind sondern ganz im Gegenteil: Listenhunde, die Menschenleben retten!

„Es gibt keine Lösung, die alle glücklich macht“
Dass es ein Rottweiler war, der einem kleinen Jungen das Leben genommen hat, ließ die Diskussion rund um Listenhunde wieder massiv aufflammen. Da gibt es jene, die ganz massive Gesetze fordern bis hin zum Rasseverbot. Und es gibt jene, die sich für die Hunde aussprechen und sie in Schutz nehmen. Fakt ist jedoch: die Zahl jener die drastische Veränderungen bis hin zu Verboten fordern sind ungleich mehr, als jene, die als Fürsprecher der Hunde auftreten. Und ich kann das zum Teil nachvollziehen. Was wenn ich kaum Bezug zu Tieren habe? Wenn ich vielleicht sogar generellen Argwohn oder gar Angst vor Hunden habe? Wenn ich mich einfach davor fürchte, dass mein Kind gebissen wird? Ich in meinem Umfeld immer wieder mit Menschen konfrontiert bin, die ihre Hunde nicht im Griff haben oder sie sogar gerne als gefährlich einstufen lassen? Bücher könnte man füllen mit diesem Thema. Wie damit umgehen? Was wäre sinnvoll? Es gibt leider keine Lösung, die sofort greift und alle glücklich macht. Mein persönlicher Wunsch ist, dass wir es schaffen müssen, dass Menschen, die von Listenhunden begleitet werden, nicht schief angesehen werden, Passanten die Straßenseite wegen ihnen wechseln oder gar beschimpft werden. Aufklärung und Information haben bis dato leider wenig gefruchtet. Und ich befürchte es ist eben so wie in fast allen Angelegenheiten, die letztendlich durch den Gesetzgeber reguliert werden. Kaum jemand würde sich an Tempolimits halten, würden Vergehen nicht bestraft werden.

„Haltung bestimmer Rassen erschweren - ihretwillen“
Ähnlich verhält es sich bei der Hundehaltung. Ich denke es wäre sinnvoll, die Haltung mancher Rassen zu erschweren. Seit es durch erhöhte Steuer oder durch jährliche Überprüfungen durch Fachleute für deren Kosten ebenfalls der Halter aufkommen muss. Man muss die Haltung von manchen Hunderassen insofern erschweren, als dass nicht jeder, einfach aus Jux und Tollerei - sich einen solchen Hund anschaffen kann. Ich würde mir einen Sachkundenachweis oder ähnliches vor der Anschaffung eines Hundes wünschen – für jede Rasse! Dieser kommt jetzt glücklicherweise auch in Wien. Ebenso wie einen zumindest jährlichen, verpflichtenden Tierarztbesuch. Nur wenn wir es schaffen, dass all diese so gerne als „gefährlich“ bezeichneten Rassen nur noch von echten Kennern und Liebhabern gehalten werden, die wissen wie man mit ihnen umgeht, und die sie nicht missbrauchen. Wir alle sind es diesen Tieren schuldig, sie von ihrem schlechten Image zu befreien. Dass es in Wien ein Zuchtverbot gibt ist begrüßenswert. Auch, dass in einem Haushalt niemand ein Tier halten darf, sobald einer Person ein Tierhalteverbot erteilt wird. Die generelle Beißkorbpflicht für Listenhunde wäre sowieso irgendwann gekommen. Denn in kurzen, regelmäßigen Abständen kommt es zu Bissvorfällen. Und in vielen Fällen sind leider auch Listenhunde beteiligt.

„Mir geht es um den Schutz VON Listenhunden“
In meiner Familie leben seit Jahrzehnten Rottweiler. Und noch NIE gab es einen negativen Vorfall. Ganz im Gegenteil! Gerade die Rottweilerhündin ist ruhig, ausgeglichen und man kann sich auf sie verlassen. Logisch! Sie wird zwar als Listenhund bezeichnet – in Wahrheit ist sie einfach nur ein Hund, der dankbar und glücklich ist, wenn man ihn liebt. Um etwas zu verbessern braucht es Veränderungen. Und wir alle wissen, dass wir Veränderungen in den meisten Fällen gar nicht wollen. Aber Veränderungen können auch eine zweite Chance sein – und genau die haben sich Listenhunde verdient. Mit geht es nicht um Schutz vor Listenhunden sondern um den Schutz von Listenhunden!

Denise Zöhrer, Redakteurin der „Krone Tierecke“, ehemals Halterin eines Berner Sennenhundes, sagt:

„Rasselisten sind wissenschaftlich nicht haltbar!“

Ich bin ein rationaler Mensch und Anhängerin der Wissenschaft. Wenn man sich mit den verschiedenen Forschungsergebnissen auseinandersetzt, machen Rasselisten eigentlich keinen Sinn. Ein Zusammenhang zwischen Rassezugehörigkeit und aggressivem Verhalten wurde meines Wissens nach noch in keiner Studie festgestellt - bitte lassen Sie mir gegenteilige Ergebnisse gerne zukommen! Warum existieren diese Listen dann trotzdem in verschiedenen europäischen Ländern?

„Es gibt viele Hundegegner“
Sehr viele Menschen haben Angst vor Hunden. Der tragische Tod des kleinen Waris und verschiedene Vorfälle mit Vierbeinern in der Zeit danach haben diese Angst noch einmal geschürt, die Politik ist mit der Forderung konfrontiert, „etwas zu unternehmen“. Wir waren selbst überrascht davon, wie viele Hundegegner sich gemeldet haben - viele wünschen sich gar ein komplettes Verbot in der Stadt! Listenhunde geraten immer wieder in den öffentlichen Fokus - denn es ist leider eine Tatsache, dass sie von einigen Menschen als Statussymbol missbraucht werden in einer Welt, in der Aggression etwas positiv Besetztes ist.

„Schwarze Schafe halten sich ohnehin nicht ans Gesetz“
Schwarze Schafe gibt es immer, da sind Hundebesitzer keine Ausnahme. Nicht angemeldete oder gechippte Vierbeiner, nicht angeleinte, vernachlässigte, vermenschlichte, oder schlecht erzogene Tiere, schuld ist immer - und wirklich immer - der Mensch. Kontrollen sind schwierig, die Konsequenzen teils lasch. Hier muss man auf jeden Fall ansetzen. Aber alle über einen Kamm scheren, damit tue ich mir sehr schwer. Die Erfahrung zeigt, dass die schwarzen Schafe auf Gesetze und Regeln ohnehin wenig geben. Das ist beim Autofahren genauso zu beobachten wie bei der Tierhaltung.

„Schulung aller Hundehalter bundesweit!“
Ich hatte fast zwölf Jahre lang einen Berner Sennenhund. Er war gut an den Maulkorb gewöhnt, den er selbstverständlich bei jeder Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln getragen hat, konnte damit auch trinken und ich empfand ihn nicht als Tierquälerei. Dennoch war mein Hund glücklicher ohne diese Einschränkung und ich hätte es ehrlich gesagt als unfair empfunden, wenn er ihn hätte dauerhaft tragen müssen. Was ich mir wünsche, ist die Schulung aller Hundehalter, und zwar bevor sie einen Vierbeiner zu sich nehmen dürfen. Der Sachkundenachweis für alle wurde in Wien nun auch beschlossen. Wir brauchen allerdings einheitliche Gesetze bundesweit!

„Politik sollte sich an Fakten orientieren“
Und solange es keinen Beleg dafür gibt, dass sogenannte Listenhunderassen tatsächlich gefährlicher sind als andere, warum dann diese negative Sonderbehandlung? Die Tierheime gehen jetzt schon über und die Vermittlungschancen für Listenhunde sind ungleich geringer. Ich bezweifle, dass die Gesetzesänderungen Beißvorfälle verhindern werden, die meisten passieren ohnehin im privaten Umfeld. Der Druck auf die Politik ist groß, aber müsste man diesem angesichts der Forschungsergebnisse nicht eigentlich standhalten?

„Das Klima wird rauer - Leidtragende sind die Hunde“
Der Schutz von Listenhunden - aller Lebewesen - ist mir als langjährige Mitarbeiterin der „Krone Tierecke“ ein großes Anliegen. Mit dem Versuch, die Bevölkerung aber eben auch bestimmte Rassen durch härtere Auflagen zu schützen, kommen leider auch zahlreiche Hunde und deren Besitzer unter die Räder. Die neue Regelung besagt, dass man sich nach drei Jahren von der Maulkorbauflage befreien lassen kann - ich hätte mir gewünscht, das von Anfang an unter Monitoring von tierschutzqualifizierten Hundetrainern möglich zu machen. Das Klima wird rauer - und in der Stadt, auf engem Raum, kommt es naturgemäß zu mehr Konflikten der unterschiedlichen Gruppen. Wir werden sehen, wohin uns die neuen Regelungen in Wien führen. Fest steht, Hunde sind uns ausgeliefert. Dieser großen Verantwortung müssen wir auf allen Ebenen gerecht werden.

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