Urlaub trotz Beben

Haiti: Kreuzfahrt-Schiffe erhitzen die Gemüter

Ausland
19.01.2010 10:15
In der Privatbucht von Labadee liegt auch jetzt ein Kreuzfahrtschiff der Royal Caribbean Lines. Gerade haben es die rund 3.000 Passagiere zum Landgang verlassen. Sonne, Sandstrand, fruchtige Cocktails und ein herrlicher Grillabend im Palmenschatten. Keine hundert Kilometer von dieser Idylle entfernt kämpfen Tausende Haitianer in der Erdbebenregion um die Hauptstadt Port-au-Prince gegen Trümmer, Tod und Seuchen. Trotzdem werden die Luxus-Schiffe weiterhin kommen.

Die Kreuzfahrt-Urlauber auf Labadee sorgen seit 1986 für Kontroversen aber auch für einen verhältnismäßigen "Reichtum" in der Region. Das Engagement der Royal Caribbean Lines bringt der haitianischen Regierung sechs Dollar pro Tourist - die mit bis zu 5.000 Urlaubern beladenen Schiffe laufen in der Hochsaison mitunter im Tagesrhythmus ein. Das Privatressort beschäftigt außerdem mehr als 300 Einheimische, rund 60 haitianische Händler dürfen in der Bucht ihre Waren verkaufen.

Allerdings schottet eine private Sicherheitsarmee die Urlauber am Sandstrand vor den kriminellen Elementen im bitterarmen Haiti ab. Bis in die Neunziger wurde den Reisenden gar verschwiegen, dass sie hier auf Haiti sind. Nur ein einziges Mal, während der Unruhen im Jahr 2004, setzte Caribbean die Labadee-Landgänge eine Zeit lang aus.

Passagiere bleiben empört an Bord
Laut einem Bericht der britischen Zeitung "Guardian" gibt es von den Urlaubern jetzt aber Kritik an den Haiti-Stopps während ihrer lange im Voraus gebuchten Karibik-Kreuzfahrten. "Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie ich an einem Strand Cocktails schlürfen soll, während dort Zehntausende Leichen auf den Straßen liegen und die Überlebenden verzweifelt nach Wasser suchen", kritisiert ein Passagier im "Cruise Critic"-Internetforum die Einhaltung der Labadee-Stopps. Er wäre lieber weitergefahren.

Viele Passagiere würden jetzt empört an Bord bleiben, heißt es. Helfen und ins Landesinnere vordringen dürften sie ohnehin nicht. Es gibt aber auch Gegenstimmen, die genau das sagen, was man von arroganten Reichen erwarten würde: "Ich werde am Dienstag trotzdem an Land gehen und am Strand meinen Spaß haben! Und ich freue mich nach wie vor auf das Drahtseil-Rutschen in der Bucht."

40 Paletten Reis vom "touristischen Motor"
Die Royal Caribbean Lines verteidigen die Einhaltung der Stopps. Man habe am Freitag 40 Paletten Reis mit der "Navigator Of The Seas" (das Foto zeigt das Schiff 2005 in Labadee) mitgebracht und werde Nahrungsmittel wie Bohnen, Pulvermilch, Wasser und Dosenverpflegung auf den nächsten Schiffen bereitstellen. Der Kreuzfahrt-Riese arbeitet seit Jahren mit einer lokalen Hilfsorganisation auf Haiti zusammen.

Außerdem will die Schiffahrtslinie, die mit der "Oasis Of The Seas" das weltgrößte Kreuzfahrtschiff betreibt, die vollen Erträge für die Labadee-Aufenthalte an den haitianischen Katastrophenfonds spenden. Vorerst mache dieser Anteil eine Million Dollar aus, hieß es. Zum Vergleich: Die Republik Österreich stellt umgerechnet 1,42 Millionen Dollar für die Erstversorgung in Haiti zur Verfügung.

John Weis, Vizepräsident des Unternehmens, im "Guardian": "Wir haben eine Vielfalt an Möglichkeiten, Haiti mit unseren Schiffen zu helfen. Und schließlich ist Labadee der touristische Motor Haitis. Der Lebensunterhalt von Hunderten Menschen hängt von uns ab - das haben uns sogar die UN bestätigt. Wir werden Haiti nicht im Stich lassen, weil es uns gerade jetzt dringend braucht."

Am Dienstag wird die "Liberty of the Seas" mit 4.370 Passagieren und 1.360 Crewmitgliedern an Bord in der Bucht von Labadee ankommen. Wenn die Touristen baden, grillen und jauchzend die beliebten Drahtseilbahnen hinunterrutschen, werden sie erst nachher im Fernsehen sehen, was hinter den vier Meter hohen Zäunen, die "Caribbean's private paradise" umgeben, vor sich geht.

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