Früherkennung

Wie sinnvoll sind Vorsorgeuntersuchungen?

Nachrichten
07.11.2018 11:43

In unserem Gesundheitssystem sind zahlreiche medizinische Untersuchungen vorgesehen, die darauf abzielen, Krankheiten möglichst früh zu erkennen und passende Maßnahmen dagegen einzuleiten. Doch wie verlässlich sind die Diagnosen - und wann ist welcher Gesundheits-Check ratsam?

Alle Personen ab 18 Jahren, deren Wohnsitz in Österreich liegt, haben jährlich Anspruch auf die verschiedensten Vorsorgeleistungen. Unter bestimmten Voraussetzungen werden die Kosten für die jährlichen Gesundenuntersuchungen dabei von den Krankenkassen übernommen. Die häufigsten Erkrankungen sollen so möglichst früh erkannt werden. In der Regel sind dann die Chancen und Möglichkeiten am größten, Schlimmeres durch geeignete Gegenmaßnahmen zu verhindern.

Einige der Gesundheits-Checks sind ohne Frage anerkannt und ihr positiver Effekt unumstritten. Der regelmäßige Besuch beim Zahnarzt oder eine Blutuntersuchung in bestimmten Abständen zählen hier dazu. Andere Untersuchungen, etwa im Bereich der Krebsfrüherkennung sind umstritten. Nicht immer sind die Diagnosen dabei sehr verlässlich. Dies sorgt dann oft für Verunsicherung und Angst.

Zweck der Vorsorgeuntersuchungen
Die Gesundenuntersuchungen wurden geschaffen, damit sowohl Patienten als auch die Krankenkassen profitieren können. Wer über seinen aktuellen Gesundheitszustand Bescheid weiß und eventuelle Risikofaktoren kennt, kann gegebenenfalls seinen Lebenswandel anpassen. Im Rahmen einer Gesundheitsförderung - mit einer entsprechenden Ernährung oder mehr Sport und Bewegung - kann damit eine mögliche Erkrankung von vorn herein vermieden werden. Verschiedene Präventionsmaßnahmen dienen dabei auch der Aufklärung und Sensibilisierung für gesundes Verhalten im Alltag.

Werden bestimmte Krankheiten zudem früh erkannt, bestehen die besten Möglichkeiten, den weiteren Krankheitsverlauf aufzuhalten, zu stoppen oder zumindest zu verlangsamen. Mit einer passenden und minimalinvasiven Therapie lassen sich dann zudem oft etwaige Nebenwirkungen so gering wie möglich halten. Zu den typischen Basisuntersuchungen können je nach individuellem Gesundheitszustand oder Risikogruppe noch weitere Zusatzuntersuchungen für mehr Klarheit sorgen.

Auch für die Krankenkassen haben die Gesundheits-Checks verschiedene Vorteile: Durch ein frühzeitiges Eingreifen oder eine zielgerichtete Prophylaxe können Krankheiten erfolgreich bekämpft oder verhindert werden. Die Investition in eine gute Vorsorge führt unter dem Strich zu geringeren Folgekosten, die bei einer Behandlung der Krankheiten in einem späteren Stadium anfallen.

Je früher desto besser
Der regelmäßige Kontrolltermin beim Zahnarzt zweimal im Jahr wird heute kaum noch hinterfragt. Jeder, der schon einmal mit Karies zu tun hatte und die damit verbundenen Zahnschmerzen kennt, weiß, dass eine frühzeitige Behandlung einige Unannehmlichkeiten verhindern kann.

Weniger Menschen kümmern sich allerdings genauso sorgfältig um ihre Augengesundheit. Denn auch hier gilt: Je früher eine Fehlsichtigkeit erkannt wird, umso besser die Möglichkeiten, dagegen anzusteuern. Dass jemand absolut gesunde Augen hat, ist nämlich durchaus selten - eine geringe Abweichung vom „Idealzustand“ hingegen umso häufiger.

Mit einer passenden Sehhilfe, egal ob Brille oder Kontaktlinsen, kann eine Fehlsichtigkeit gut ausgeglichen werden. Unter Umständen lässt sich eine weitere Verschlechterung der Sehfähigkeit auf diese Weise lange aufschieben. Auch Nebenwirkungen, wie Kopfschmerzen oder schnell ermüdende Augen, die bei einer Weitsichtigkeit oft auftreten, können so vermieden werden.  

Nicht nur bestimmte Herz-Kreislauf-Erkrankungen, auch Diabetes oder Krebserkrankungen werden durch die Vorsorgeuntersuchungen abgedeckt. Bei Krankheiten, die in ihrem Verlauf größere Beschwerden oder gar den Tod mit sich bringen, wird es noch dramatischer. Werden diese erst spät entdeckt, ist eine Behandlung meist schwieriger, die Heilungschancen oft eingeschränkt.

Wie sicher ist eine Diagnose?
Einige Vorsorgeuntersuchungen werden jedoch immer wieder kritisiert. Ein Beispiel, das in diesem Zusammenhang immer wieder auftaucht, ist die Brustkrebsvorsorge. Durch präzisere Verfahren bei der Früherkennung kann heute das sogenannte „duktale Karzinom in situ“ weitaus häufiger erkannt werden, als früher. Umstritten ist allerdings, ob es sich dabei um ein frühes Stadium für Brustkrebs handelt, oder „lediglich“ ein gewisser Risikofaktor für eine solche Erkrankung vorliegt. Denn nicht immer entwickelt sich aus der krankhaften Wucherung tatsächlich der gefürchtete Krebs.

Zur Früherkennung von Eierstockkrebs gibt es vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger eine interessante Faktenbox, die den Nutzen der Maßnahme näher beleuchtet. Das Ergebnis einer Studie zeigte, dass durch die Früherkennung eine hohe Zahl an Frauen mit einem auffälligen Befund konfrontiert wurden, die Zahl der tatsächlich an Krebs Erkrankten war insgesamt jedoch nur marginal höher als ohne Früherkennung. Durch einen zunächst positiven Befund sind viele Frauen so unnötig beunruhigt.

Andere Diagnoseverfahren zur Krebsfrüherkennung haben bislang jedoch für eine positive Entwicklung gesorgt. Seit für Patientinnen die Möglichkeit besteht, im Rahmen der gynäkologischen Vorsorge den sogenannten PAP-Test durchführen zu lassen, konnte die Zahl der tatsächlich an Gebärmutterhalskrebs erkrankten Menschen deutlich reduziert werden

Vorsorgeuntersuchungen als psychische Belastung
Eine zunächst falsche Diagnose bei einer Gesundenuntersuchung kann mitunter zu einer großen Belastung werden. Die Konfrontation mit einer möglichen ernsthaften Krebserkrankung ist für jeden zunächst ein schwerer Schlag. Auch wenn durch weitere Untersuchungen dann Entwarnung gegeben kann, ist die Phase des Bangens mit psychischem Stress verbunden.

Die Macht der eigenen Psyche ist vor allem im Zusammenhang mit Krankheiten nicht zu unterschätzen. Genauso, wie der typische Placeboeffekt dazu beitragen kann, den Verlauf einer Krankheit positiv zu beeinflussen und Selbstheilungskräfte zu aktivieren, kann dies auch andersherum funktionieren.

Die Angst um das Risiko eines tödlichen Ausgangs, die Beschäftigung mit möglichen Therapieverfahren, damit verbundenen Nebenwirkungen und Ähnlichem können unter Umständen dazu beitragen, den Gesundheitszustand zu verschlechtern.

Vor allem bei älteren Patienten verläuft eine Krebserkrankung meist viel langsamer und erste Beschwerden entwickeln sich erst spät. Oft wird die Lebenserwartung dadurch nicht beeinträchtigt und bis zum Tod können viele trotz der Krankheit noch ein gutes Leben führen. Durch das Bewusstsein der Krankheit nach einer positiven Diagnose kämpfen einige jedoch mit dieser Belastung, was die Lebensqualität negativ beeinflussen kann. 

Trügerische SicherheitDie regelmäßigen Gesundheits-Checks vermitteln den Patienten oft eine gewisse Sicherheit. „Der Arzt hat nichts Kritisches gefunden, also bin ich gesund“ - so die Schlussfolgerung. Problematisch ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass vor allem im Bereich Krebsvorsorge die Untersuchungen erst ab einem bestimmten Alter von den Krankenkassen übernommen werden. Statistisch steigt mit zunehmendem Alter auch das Risiko und die Wahrscheinlichkeit an Krebs zu erkranken. Wann hier die Grenze für den Start der Gesundenuntersuchungen gezogen wird, basiert ebenfalls auf statistischen Werten. Wer bereits vorher schon erkrankt, fällt somit aus dem Raster. Individuelle Risiken werden unter Umständen nicht berücksichtigt, wenn der Patient nicht selbst die Initiative ergreift und auf eine Vorsorgeuntersuchung drängt. Eine Früherkennung hängt dann vielmehr vom Auftauchen erster Symptome und vor allem auch der ganz persönlichen Körperwahrnehmung ab. Je besser jemand seinen Körper kennt und beunruhigende Veränderungen feststellt, umso eher kann dann bei einem Arztbesuch ebenfalls Klarheit geschaffen werden.

Prävention, Früherkennung oder Vorsorge?
Werden die einzelnen Begriffe einmal genauer betrachtet, zeigen sie, dass wir recht unterschiedliche Dinge damit verbinden. Hinter dem Wort Prävention steckt auch immer der Glaube daran, das Ausbrechen einer Krankheit durch die entsprechenden Maßnahmen tatsächlich verhindern zu können.

Zwischen „Früherkennung“ und „Vorsorgeuntersuchung“ besteht ebenfalls ein eher emotionaler Unterschied, obwohl die Begriffe meist gleichbedeutend eingesetzt werden. Früherkennung beinhaltet jedoch ganz konkret nur, dass eine Krankheit frühzeitig entdeckt werden kann. Dass die Erkrankung damit zwangsläufig verhindert oder aufgehalten werden kann, ist nicht automatisch gegeben. Dies sollte jedem bewusst sein - auch die umfassenden Vorsorgemaßnahmen oder ein frühes Entdecken einer Krankheit und ihrer Symptome schützen nicht automatisch davor, dennoch zu erkranken.

Das Geschäft mit der UnsicherheitNeben den Vorsorgeleistungen, die von den Krankenkassen übernommen werden, gibt es noch zahlreiche weitere Untersuchungen, die wir zur Früherkennung von Krankheiten und Beschwerden in Anspruch nehmen können. Allerdings müssen diese dann aus eigener Tasche bezahlt werden. Die entsprechenden Untersuchungen fallen unter den Begriff der sogenannten IGeL-Leistungen - individuelle Gesundheitsleistungen, die entweder von Patienten angefragt oder von Ärzten vorgeschlagen werden. Ob eine solche Untersuchung sinnvoll ist, oder nicht, hängt von vielen individuellen Kriterien ab. Vor allem unsichere Patienten sind hier auf die kompetente Beratung ihres Arztes angewiesen. Unter Umständen ist es sinnvoll, sich vorher eine zweite Meinung einzuholen, denn einige der Untersuchungen sind nicht gerade günstig. Für die Ärzte hingegen sind sie oft ein gutes Geschäft. Die Unsicherheit und Sorge über die eigene Gesundheit ist dann eine starke Motivation für Patienten, solche Leistungen in Anspruch zu nehmen. Dass die Kosten nicht von den Krankenkassen bezahlt werden, hat allerdings seinen Grund: Der Nutzen dieser zusätzlichen Vorsorgeuntersuchungen konnte bislang durch Studien nicht oder nicht ausreichend belegt werden.

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