Deluxe-Neuauflagen

50 Jahre „White Album“ – das Beatles-Meisterwerk

Musik
09.11.2018 07:00

Noch nie gehörte Outtakes, überraschende Neuaufnahmen - Produzent Giles Martin wühlte einmal mehr im großen Backkatalog der Beatles und hat zum 50-Jahre-Jubiläum des „White Album“ ebenjenes für die Moderne restauriert. In London erzählte der Sohn des legendären Beatles-Urproduzenten George Martin Details über den ausgegrabenen Schatz der Popkulturgeschichte.

(Bild: kmm)

Als Giles Martin mit seinem berühmten Vater George 2006 am Remix des Beatles-Albums „Love“ arbeitete und damit erstmals in den Kosmos der größten Popband aller Zeiten eindrang, war er noch voller Unsicherheiten. „Ich hatte damals tatsächlich Angst, dass die Beatles-Fans danach mein Haus anzünden würden“, erzählt er in den legendären BBC Maida Vale Studios in London humorig, aber nicht ohne einen Funken Ruhe, dass dem schlussendlich doch nicht so geschah. Grund des medialen Stelldicheins in der britischen Metropole ist der Re-Release des als „White Album“ in die Musikgeschichte eingegangenen Beatles-Werkes aus dem Jahr 1968. Rechtzeitig und pünktlich zum 50-Jahre-Jubiläum hat sich Giles - wie schon im Jahr zuvor zum 50er von „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ - um die Restaurierung und Modernisierung eines weiteren legendären Albums gekümmert, ohne aber die Magie und Einzigartigkeit des Originals zu zerstören.

Dreigeteilt
Dabei lag die Herausforderung laut Martin vor allem darin, dass eigentlich niemand den Klang des Albums schlecht fand. „Paul, Ringo und die Frau von George gaben mir den Segen für die Arbeiten an den Alben. Das Schwierige war bei den Projekten eindeutig, ohnehin schon gut klingende Werke würdig in die Moderne zu holen.“ Ausgewählten Journalisten wurden beim exklusiven Pressetermin schon vorab Hörproben aus verschiedensten Schaffensperioden zum „White Album“ vorgespielt, um einen direkten Vergleich zwischen dem Ursprung und der Restaurierung herstellen zu können. Im Endeffekt wurde die Arbeit an drei verschiedene Sessions aufgehängt. Einerseits ging es um die längst schon in Bootleg-Kreisen kursierenden „Esher Demos“, die überwiegend mit akustischen Instrumenten in George Harrisons Bungalow eingespielt wurden, Session zwei behandelte die legendären Abbey-Road-Aufnahmen und in der dritten Session ging es schließlich um Giles‘ Remixversionen der Songs.

„Von den ,Esther Demos‘ haben wir alle 27 Bänder verwenden können“, erinnert sich Martin mit leuchtenden Augen an das Bergen des popkulturellen Schatzes zurück. „Das ist ein wahrer Segen. Sie hatten schon damals Topmaschinen zur Verfügung und wussten von den Aufnahmen und der Studiotechnik mehr als viele Experten. Im Prinzip sind es die Beatles-Unplugged - viele Jahre bevor es MTV und deren gleichnamige Reihe überhaupt gab.“

So gibt es für Beatles-Freaks und -Anthologen zahlreiche Schmankerl zu entdecken. Etwa die Kultnummer „Back In The U.S.S.R.“ (Lyric Video unten) mit Gelächter der Bandmitglieder, die vor allem in Österreich beliebte Schunkelnummer „Ob-La-Di Ob-La-Da“, bei der Paul McCartney klar in den Vordergrund tritt oder das von Lennon geschriebene „Child Of Nature“, das - mit neuem Text und Titel („Jealous Guy“) - erst 1971 auf dem „Imagine“-Album erschien und trotz seiner Rohheit in dieser Version von allen Beatles-Mitgliedern mit großer Begeisterung aufgenommen wurde.

Familiäre Differenzen
„Diese Aufnahmen sind ein wundervolles Bespiel für die kompositorische Vielseitigkeit der Beatles. Sie haben wirklich konstant Songs geschrieben, waren immer kreativ und das ,White Album‘ war der Höhepunkt ihres Schaffens. Sie sind mitunter auch deshalb so unheimlich erfolgreich gewesen, weil sie von den besten Songwritern gestohlen haben und ihren Liedern trotzdem eine eigene Note verpassten.“ Meist haben die Beatles damals nur eineinhalb Takes für eine Aufnahme gebraucht, bei den „White-Album-Sessions“ kannte ihre Experimentierfreudigkeit aber keine Grenzen - so gibt es allein von „Sexy Sadie“ 107 verschiedene Versionen. Das führte zwischen den Beatles und George Martin, Giles‘ Vater und Produzent des Originalalbums, auch zu Friktionen. „Mein Vater mochte das ,White Album‘ nicht so gerne und war eher der Fan von ,Sgt. Pepper…‘. Das lag aber auch daran, dass die Beatles hier alles selbst machen und neue Wege beschreiten wollten. Für mich ist das ,White Album‘ aber der Höhepunkt ihres Outputs.“

Auch die Abbey-Road-Aufnahmen rücken auf der Deluxe-Edition einige Perlen in den Vordergrund. So hört man etwa, wie schwierig „Julia“ zu singen war und wie souverän Lennon diese Aufgabe meisterte, oder dass George Harrison von „While My Guitar Gently Weeps“ etwas von Kaffee und Sandwiches faselt und anfangs schier daran verzweifelte: „Ich versuchte wie Smokie zu singen, aber ich bin eben nicht Smokie.“ Eric Clapton war damals übrigens bei der gesamten Session dabei und hat nicht nur ein Overdub für den fertigen Song beigesteuert. „Ringo sagte immer, das ,White Album‘ wäre das am meisten bandorientierte“, gibt Giles Martin einen internen Einblick, „auch wenn es von da an intern leider immer schlimmer wurde.“

Immer nach vorne
Nach dem perfekten Sound hat Giles übrigens nie gesucht. „Das ist doch absoluter Mist. Die Menschen wollen auf den Aufnahmen ihrer Lieblingskünstler auch Fehler hören. Die gibt es hier natürlich zuhauf, aber gerade die machen die Musik der Beatles echt und authentisch. Paul und Ringo haben mir immer gesagt, wenn ich für die Beatles arbeite, ist es meine Aufgabe, nach vorne zu gehen. Am Ende geht es doch darum, sich gut zu fühlen, wenn man diese Musik hört.“ Das „White Album“ garantiert dies auf jeden Fall - erhältlich ist es als Standard-2-LP-Version, in der Deluxe- oder Super-Deluxe-Edition. Letzte beinhaltet u.a. ein 164 Seiten starkes Buch, die 27 zuvor angesprochenen Akustik-Demos und 50 bis dato unveröffentlichte Studio-Outtakes. So let it be!

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