Schwer bewaffnet

Nach Trump-Reden: Milizen wollen Grenze sichern

Ausland
04.11.2018 15:52

Die aufwieglerische Rhetorik des US-Präsidenten scheint Früchte zu tragen: Während Donald Trump in den Tagen vor den Kongresswahlen seine Schimpftiraden gegen Einwanderer fortsetzt - er spricht von einer „Invasion“ und einer Gefahr für die nationale Sicherheit der USA - machen sich in mehreren Bundesstaaten bewaffnete Milizen, die sich selbst als Bürgerpatrouillen bezeichnen, einsatzbereit. Ihr Ziel: Den von Trump an die US-Grenze zu Mexiko entsandten Soldaten „unter die Arme zu greifen“. Das Militär ist angesichts der ungewollten Unterstützung durch bewaffnete Zivilsten alarmiert.

„Die Demokraten ermuntern offen Millionen illegaler Ausländer unsere Gesetze zu brechen, unsere Souveränität zu verletzen, unsere Grenzen zu überrollen und unsere Nation auf so viele Arten zu zerstören“, ließ Trump auch am Samstag in Florida keine Gelegenheit aus, um bewusst Ängste vor Migranten zu schüren, wie es ihm zuletzt sein Vorgänger im Weißen Haus, der Demokrat Barack Obama, vorgeworfen hatte.

Trump stellte die Zentralamerikaner, die sich derzeit auf einem Fußmarsch in Richtung USA befinden, erneut als Kriminelle dar. „Wir haben Berichte aus den Ländern, wir haben Berichte aus Mexiko, da kommen eine Menge schlechter Menschen in unser Land“, sagte er bei einem Auftritt in Pensacola.

Trump schickt Soldaten an die Grenze
Fakt ist: Tausende Menschen aus Honduras und anderen Ländern Zentralamerikas haben sich auf den Weg in Richtung USA gemacht, um der Armut, Gewalt und Kriminalität in ihren Heimatländern zu entkommen. Derzeit befinden sich die Migranten in Mexiko. Trump hat in den vergangenen Tagen wiederholt vor ihnen gewarnt und angekündigt, tausende Soldaten an die südliche Landesgrenze zu verlegen.

Bericht: Hunderte bewaffnete Milizmitglieder auf dem Weg
Wie die „Washington Post“ berichtet, folgen Hunderte Mitglieder ziviler Milizen aus mehreren US-Bundesstaaten, darunter eine besonders große Zahl aus Texas, dem Ruf des Präsidenten, sich den „Migranten-Karawanen“ an der Grenze entgegenzustellen. Bewaffnete Menschen würden sich demnach, ausgerüstet mit Schusswaffen, Campingausrüstung und Verpflegung für eine notfalls auch längere Aufenthaltszeit, auf den Weg ins Grenzgebiet machen. Zudem verfügt die Gruppe über Ferngläser, Nachtsichtgeräte, Funkgeräte und sogar Flugdrohnen mit thermischen Sensoren.

„Wir werden beobachten und berichten und auf jede erdenkliche Weise Hilfe anbieten“, erklärt Shannon McGauley die Absichten der Milizen. Er ist der Vorsitzende der texanischen „Minutemen“. „Wir haben uns schon früher bewiesen, und wir werden uns erneut beweisen“, gibt er sich kämpferisch.

Die „Minutemen“, wie sie sich selber nach Kämpfern aus dem Unabhängigkeitskrieg der USA nennen, sorgten schon in der Vergangenheit mit Aktionen gegen illegale Migranten an der Grenze zu Mexiko für Aufregung. So musste auch Arnold Schwarzenegger viel Kritik einstecken, als er in seiner Zeit als Gouverneur Kaliforniens die umstrittene Miliz lobte.

Den Angaben des Milizchefs zufolge seien 100 Freiwillige aus Texas auf dem Weg zum Rio Grande, um dort dem US-Militär beim Stoppen der Einwanderer „unter die Arme zu greifen“. Und auch aus Oregon, Indiana und sogar aus dem nördlichen Nachbarstaat Kanada hätten sich besorgte Männer und Frauen bei den „Minutemen“ gemeldet. Die Frage, ob seine Gruppe beabsichtigt, Schusswaffen einzusetzen, kann McGauley nur mit einem Lachen beantworten: „Das ist Texas, Mann!“.

US-Militär schickte Warnung vor Gefahr durch Milizen an Kommandeure
Beim US-Militär ist man angesichts der Entwicklungen alarmiert: Die Gefahr, die von bewaffneten „Vigilanten“ neben Tausenden US-Soldaten, Grenzschutz- und Polizeibeamten an der Grenze ausgeht, werde der „Washington Post“ zufolge sehr ernst genommen. Ernst genug, dass die Militärplaner im Pentagon Warnungen an die Armeekommandeure gerichtet haben. Laut militärischen Planungsdokumenten, die dem Nachrichtenmagazin „Newsweek“ zugespielt wurden, ist das Militär besorgt über die Ankunft von „unkontrollierten Milizmitgliedern, die sich in angeblicher Unterstützung der US-Zoll- und Grenzschutzbehörden an der Grenze stationieren“.

Laut offizieller Schätzung des Militärs könnten rund 200 Milizmitglieder im Grenzgebiet auftauchen. „Sie operieren unter dem Deckmantel von Bürgerpatrouillen“, heißt es in dem internen Dokument, in dem zudem vor „Vorfällen mit unkontrollierten Milizen, die während ihrer Einsätze die Ausrüstung der Nationalgarde stehlen“ gewarnt wird. „Minutemen“-Anführer McGauley betont allerdings, dass die Milizmitglieder jegliche verdächtige Aktivität den Behörden melden und alle Anweisungen der Grenzschutzbeamten bzw. des Militärs befolgen würden.

Landbesitzer wollen Milizen nicht
Doch nicht nur beim Militär ist man angesichts der Präsenz der bewaffneten Zivilisten besorgt. Zahlreiche Landbesitzer in der Umgebung würden die Anwesenheit der Milizen nicht akzeptieren, so die „Washington Post“. Denn statt sich auf Außenstehende zu verlassen, haben die texanischen Bauern längst selbst Maßnahmen gegen die Migranten ergriffen.

So wurde etwa - nicht erst während des aktuellen Einwandererzustroms - die 300 Mann starke Truppe mit dem Namen „Texas Border Volunteers“ ins Leben gerufen. „Wir können in vier bis acht Stunden 100 Freiwillige in einer heißen Gegend haben“, erklärt der Tierarzt und Viehzüchter Michael Vickers. Der Republikaner führt die private Truppe an, die bei ihren Grenzpatrouillen mit Geländefahrzeugen, Nachtsichtbrillen, Scheinwerfern und ausgebildeten Hunden ausgestattet ist.

Viele Grundbesitzer sehen in Milizen eine Bedrohung
Fest steht, dass viele Landbesitzer im Grenzgebiet befürchten, dass die Zahl der Eindringlinge, die auf dem Weg in Richtung Norden durch ihr Land ziehen, dramatisch ansteigen wird. Aber viele Betroffene sehen in den Milizen, die nun ins Grenzgebiet kommen, ebenfalls eine Bedrohung. „Ich werde keine Miliz auf meinem Land lassen“, sagt etwa die 96-jährige Grundbesitzerin Lucy Kruse.

Kruse über die Milizen: „Sie sind Zivilisten, die in eine Situation geraten, in der die Grenzpatrouille die Kontrolle haben und Entscheidungen treffen soll. Sie könnten Eigentum beschädigen oder Arbeiter verletzen. Ich würde vermuten, dass sie schießwütig sind. Wenn sie jemanden erschossen haben, sagen sie vielleicht nur, dass die Person, die sie erschossen haben, nach einer Waffe griff“.

Joe Metz, ein Bauer aus dem Rio Grande Valley, der von seinem Wohnzimmerfenster aus schon jahrelang beobachten konnte, wie Grenzgänger den Fluss überquerten und auf seinem Land den ersten Schritt auf US-amerikanischen Boden machten, will auch nichts von den Milizen wissen. Metz macht sich zwar Sorgen, dass „bald Karawanen von Einwanderer durch das Gebiet ziehen könnten“, will aber deshalb keine bewaffneten Freiwilligen auf seinem Grundstück sehen.

„Wir brauchen keine Fanatiker“
Metz: „Wir brauchen keine Fanatiker. Wir brauchen hier niemanden mit Waffen. Warum haben sie Gewehre? Die Milizen müssen im Norden bleiben, wo sie hingehören. Wir haben hier keine Verwendung. Sie könnten jemanden erschießen oder jemanden verletzen“.

Anderer Ansicht ist der Erbe der größten und einflussreichsten texanischen Ranch. Stephen J. „Tio“ Kleberg, der den größten Teil seines Lebens auf der 825.000 Hektar großen King Ranch außerhalb von Kingsville in Texas gelebt hat, sagt gegenüber der „Washington Post“, er werde Milizen auf seiner Ranch - die größer ist als der Bundesstaat Rhode Island - dulden.

„Ich denke, wenn die Karawanen den Fluss überqueren, müssen sie gefasst und zurückgeschickt werden“, so Kleberg. „Sobald sie auf amerikanischem Boden sind, müssen sie angehalten und inhaftiert werden. Wir haben aber nicht genug Beamte, um damit umzugehen. Wenn wir 2000 oder 3000 Menschen bekommen, brauchen wir die Miliz“, ist er überzeugt.

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