Rechts oder links?

Merkel-Rückzug stürzt CDU jetzt in Richtungsstreit

Ausland
30.10.2018 18:15

Rechts, links? Seit Monaten tobt in der CDU ein mehr oder weniger heftiger Lagerwahlkampf, in dessen Folge sich auch die konservative „Werteunion“ und die „Union der Mitte“ gegründet hatten. Jetzt schickt Deutschlands Noch-Kanzlerin Angela Merkel mit ihrem angekündigten Rückzug von der Parteispitze die CDU in einen offenen Richtungsstreit.

Die 1001 Delegierten auf dem Bundesparteitag in Hamburg müssen Anfang Dezember entscheiden, wer die Führung der derzeit stärksten politischen Kraft in Deutschland übernimmt. Mit Friedrich Merz hat nach Annegret Kramp-Karrenbauer und Jens Spahn das dritte politische Schwergewicht offiziell seine Kandidatur erklärt. Hinter den dreien stehen unterschiedliche politische Lager. Offen ist, ob auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet in das Rennen einsteigt.

Hessen-Wahl: Nächste Ohrfeige für Angela Merkel

CDU verliert gleichermaßen an AfD und Grüne
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier hatte bereits am Montag nach Merkels Ankündigung betont, es gehe in Hamburg um mehr als um eine Personalentscheidung. Die CDU solle sich wieder selbst finden, sagte auch Merkel und begrüßte den „offenen“ Prozess als „Selbstvergewisserung“ ihrer Partei. Allerdings zeigen die herben Verluste bei der Hessen-Wahl, wie schwierig die Debatte werden könnte, denn die CDU verlor gleichermaßen an AfD und Grüne. Und innerhalb der CDU gibt es zwei entgegengesetzte Meinungen, wie man am besten verloren gegangene Wähler zurückholen kann. Merz, Spahn und Kramp-Karrenbauer stehen dabei für unterschiedlich Konzepte.

Kramp-Karrenbauer gilt als Merkel-nahe
Die Generalsekretärin und frühere saarländische Ministerpräsidentin gilt als Merkel-näher als die beiden nordrhein-westfälischen CDU-Männer. Sie hat dennoch ein anderes Profil als die ostdeutsche Protestantin Merkel. Einerseits gehört sie zum sozialen Flügel der CDU und pocht auf eine stärkere Einbeziehung der Frauen, die schon vor der Amtszeit Merkels die stärkste Wählergruppe der CDU ausmachten. Kramp-Karrenbauer unterscheidet sich als frühere saarländische Innenministerin von Merkel leicht in der Flüchtlingspolitik, gilt als gesellschaftspolitisch konservativer, hat aber anders als etwa Spahn und die CSU nie ein „Staatsversagen“ ausgemacht.

Umfragen: Kramp-Karrenbauer beliebter als Spahn
Die Frauenunion hat sich gleich für Kramp-Karrenbauer als neue Parteichefin ausgesprochen. Unterstützung wird ihr zudem im Merkel-Lager zugeschrieben. Als Plus gelten ihre Sympathiewerte: Sie ist laut bisherigen Umfragen und Einschätzung von Manfred Güllner, dem Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, auch in CDU-Kreisen wesentlich beliebter als ihr Kontrahent Spahn und könnte ins „Mitte“-Spektrum ausstrahlen. Auch bei einer Befragung von Infratest-Dimap lag sie in Nordrhein-Westfalen deutlich vor Laschet und Spahn. Ein Nachteil könnte die unterstellte Nähe zu Merkel sein. Wie die Kanzlerin könnte sie das Problem haben, bei Wählern stets beliebter zu sein als bei den - meist männlichen - CDU-Funktionären.

Spahn gilt als konservativ und wirtschaftsliberal
Spahn gilt als eher konservativ und wirtschaftsliberal. Der 38-Jährige versteht sich gut mit FDP-Chef Christian Lindner und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und macht aus seinem Ehrgeiz keinen Hehl. Als Gesundheitsminister hat er nach Einschätzung in CDU-Kreisen gepunktet, weil er die Sacharbeit in den Vordergrund gestellt hat. Spahn gilt als Garant für eine konservative Erneuerung der Partei und ist eng mit dem Wirtschaftsflügel und der Jungen Union verbunden. Allerdings hat er auch früh enge Kontakte zu den Grünen gesucht. Die größte Differenz zu Merkel gab es in der Flüchtlingskrise und in Stilfragen - er ist für kontroversere Auseinandersetzungen. Spahns Manko sind schlechte Umfragewerte sowie Bedenken des moderaten Lagers und der Frauen in der CDU, er könnte der Partei vielleicht einen Rückwärtskurs verordnen - ohne dass genau gesagt würde, worin dieser bestehen könnte.

Merz als Kompromisskandidat?
Merz gilt als Überraschungskandidat, obwohl es Anzeichen für ein Comeback gab. Er will als unverbrauchter Bewerber punkten, der von der Seitenlinie und mit Wirtschaftskompetenz in die Politik zurückkehrt. Als Plus gilt, dass der 62-Jährige für Probleme der Union in den vergangenen Jahren nicht mitverantwortlich ist. Mit seinem früheren Vorstoß für eine Steuerreform, die auf einen Bierdeckel passen sollte, ist Merz über die Jahre zu einer Projektionsfigur für viele in der CDU geworden, die einen entschlosseneren Politikstil wünschen. Der Wirtschaftsrat und Vorsitzende des Parlamentarischen Kreises Mittelstand, Christian von Stetten, hat sich bereits am Montag hinter Merz gestellt.

Forsa-Chef Güllner hat jedoch Zweifel an der Strahlkraft des Wiedereinsteigers. „Beliebt war Merz auch als Fraktionschef eigentlich nur in einem Teil der CDU“, sagt er und verweist auf den Wirtschaftsflügel. SPD und Grüne könnten sich bei einer Wahl Merz‘ freuen - schon weil dieser beim US-Unternehmen Blackrock arbeitet, dem weltgrößten Vermögensverwalter. Allerdings war Merz vor wenigen Tagen mit einem klar proeuropäischen Manifest aufgefallen und hatte dabei sogar eine Europäische Arbeitslosenversicherung gefordert. Nach Meinung des früheren CDU-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Bosbach bemühen sich die beiden Männer aus Nordrhein-Westfalen allerdings um das gleiche Wählerklientel und könnten sich gegenseitig Stimmen wegnehmen.

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