„Krone“-Interview

Please Madame: Gute Songs brauchen keinen Bombast

Musik
03.11.2018 07:00

Auf der Hauptbühne des Frequency den Festivaltag zu eröffnen - diese Ehre ist nicht jedem hold. Dem Salzburger Quartett Please Madame war das vergangenen Sommer vergönnt. Nach dem Albumrelease von „Young Understanding“ und zahlreichen Shows im In- und Ausland der Höhepunkt ihrer Karriere. Bevor es nun weiter auf Österreich-Tour geht, haben uns Frontmann Dominik Wendl und Drummer Niklas Mayr verraten, warum sie den Sound absichtlich bodenständig beließen, weshalb Politik in den Texten kein großes Thema ist und warum ein Plan B derzeit keine Option ist.

(Bild: kmm)

„Krone“: Dominik, Niklas - euer Album „Young Understanding“ ist schon eine Zeit auf dem Markt. Wie hat sich die Wahrnehmung diesbezüglich nach längerer Zeit verändert?
Dominik Wendl:
Die Wahrnehmung hat sich dahingehend verändert, als das wir live andere Arrangements haben und die Songs immer verändern. Wenn man immer alles 1:1 runterspielt, verliert man ja die Freude daran. Wir haben ungefähr 20 Konzerte damit gespielt.
Niklas Mayr: Als es im April rauskam, war es fast schon ein bisschen alt, aber wenn man nun wieder live spielt, entdeckt man es neu, was ungemein spannend ist. Man erinnert sich an das Schreiben und das Aufnehmen und das Publikum verändert einen Song auch fortlaufend.
Wendl: Das Feeling ist ganz anders als damals bei der Aufnahme. Wir denken natürlich an etwas Anderes, aber als Musiker bist du immer so gepolt. Du wirfst alles in ein Projekt, bist dann total fertig und nach ein paar Monaten schreibst du wieder ein paar Akkorde und alles kommt zu dir zurück. Ich habe schon wieder angefangen, ein paar Songs zu schreiben, aber hauptsächlich um uns selbst zu zeigen, dass wir es noch können. (lacht)

Nach einer gewissen Zeit merkt man oft erst, was einem so gar nicht gefallen hat. Hattet ihr zu „Young Understanding“ auch so negativ konnotierte Erweckungserlebnisse?
Wendl:
Den Song „Lewis“ haben wir noch nicht ein einziges Mal live gespielt, das hat noch nie so ganz gepasst. Es ist ein guter Song, den ich mag, aber irgendwie hat es nicht funktioniert. Das Ziel ist, ein Album zu machen, bei dem man auf nichts verzichten kann. Bei einem 30-Minuten-Set willst du dann dein ganzes Album spielen, darfst aber trotzdem diverse Fan-Favoriten oder Klassiker nicht vergessen. Dieses Luxusproblem wollen wir erleben.
Mayr: Im Prozess verändert sich immer so viel und es wird nie so sein, dass nicht zumindest ein Song etwas alt wirkt oder nicht ganz zündet. Das gehört dazu.

Ich mag an dem Album, dass es nicht so übermäßig pompös ist und sehr bodenständig wirkt. War das eine bewusste Entscheidung in einer Welt der Coldplays und U2s, die es oft gewaltig übertreiben?
Wendl:
Definitiv. Das liegt gar nicht so sehr an unseren Songs, sondern an der Produktion. Wir sind von unserem Salzburger Studio nach Wien gegangen und hatten einen anderen Zugang als früher. Die Leute dort sind bodenständiger. Da gibt es keine fetten Gitarrenwände, sondern nur zwei Spuren und fertig. Wenn es dann nicht gut klingt, dann sind wir einfach zu schlecht. Unser Mischer hatte wiederum einen ganz anderen Zugang. Normalerweise weißt du vorher schon, wie es klingen soll, aber dieses Mal haben wir drauf verzichtet. So hat das Album einen eigenen Sound, den man nicht sofort mit etwas anderem identifizieren kann.
Mayr: Wir wollten auch keine schlechten Songs aufblasen. Ein guter Song funktioniert auch mit ganz wenig. Wir hatten viele Songs als Band schon fertig und haben uns dann noch einmal hingesetzt und darauf geachtet, ob dieser Song auch nur mit Akustikgitarre und Stimme funktioniert. Ist das gegeben, dann passt der Song. Das Album haben wir mit dieser Intention geschrieben. Wir wollten nach Wien gehen und ein Album machen, das liveorientierter ist. Wir machen nichts lieber, als auf der Bühne zu stehen und so sollte auch das Werk klingen.
Wendl: Songs können auch größer klingen, ohne die schmalzigen Coldplay-Synthies. Jeder macht nur mehr so aufgeblasene Musik und das Echte gerät immer mehr ins Hintertreffen. Wenn du dich da zu stark hineinmanövrierst, bist du schnell darin gefangen.

Wäre es überhaupt möglich, eure Karriere von Salzburg aus weiter zu pushen oder muss man in Österreich schon nach Wien gehen, um wirklich was zu reißen?
Wendl:
Wir sind wegen dem Studio nach Wien gegangen. Drei von uns sind schon vor drei Jahren nach Wien gezogen und es war naheliegend, das auszunutzen. Ich liebe Wien, es gibt nichts Schöneres als diese Stadt. Im Sommer würde ich aber nie dort bleiben, weil es zu heiß ist. Der Moment, von zuhause ausgezogen zu sein und nach Wien zu gehen, spielte auch eine große Rolle auf dem Album. Wir sind nicht mehr die Buben aus Salzburg und man sieht uns dort nicht mehr so oft herumrennen.
Mayr: Wir sehen uns trotzdem noch in Salzburg daheim. Ich bin der letzte von uns, der noch in Salzburg wohnt und würde nicht sagen, dass ich nach Wien gehen muss. Aber klar - Label, Bookingagentur und dergleichen sind in Wien. Dafür ist Salzburg zu klein und wir wollen auch nah an all dem dran sein. Natürlich tut sich dann in Wien mehr, deswegen sind auch Bands wie Mynth, Olympique und Co. nach Wien gegangen.
Wendl: In Salzburg gibt es leider auch nur ein Plattenlabel, da steht man schnell an. So schön es daheim auch ist.

Diese Bands sind ein gutes Stichwort - befruchtet ihr euch in dieser Musikerszene gegenseitig?
Wendl:
Durchaus, ja. Das erste Olympique-Album war für mich ein Meilenstein. So etwas hatte ich davor noch nie gehört - noch nicht einmal von einem Amerikaner oder Briten. Wir kennen uns alle und laufen uns immer über den Weg. In den Weihnachtsferien gehst du weg und triffst einfach jeden und genau das finde ich so schön. In Wien ist das anders, was aber nicht schlecht ist.
Mayr: Man klopft sich gegenseitig auf die Schulter und unterstützt sich. Dominik war als Livegitarrist mit Olympique auf Tour und wir freuen uns, wenn die anderen etwas schaffen.
Wendl: Du freust dich, wenn Künstler, mit denen du aufgewachsen bist, Erfolg haben. So etwas wünschen wir uns umgekehrt von anderen auch. Wir alle machen Musik und sind keine Rennfahrer - also keine Konkurrenten. Ich würde nie ein schlechtes Wort über jemanden anderen verlieren, das geht einfach nicht.
Mayr: Heute haben wir aber über diese „MTV-Bandclash“-Sache geredet - bei so etwas wären wir schon auch gerne dabei. Prinzipiell sind wir aber keine Battle-Rapper. (lacht)

Wenn ihr es euch aussuchen könntet - mit wem hättet ihr gerne mal ein Beef?
Wendl:
Ich mit At Pavillon. Jetzt sofort. (lacht) Nein, mit keiner Band natürlich. Wir sind alle da, um Spaß zu haben und Musik zu machen. Um mehr geht es ja nicht.

Beim Erwachsenwerden verändert man sich selbst enorm und damit einhergehend auch die Musik. Habt ihr das bei euch auch verstärkt beobachtet?
Wendl:
Gerade thematisch war es so, dass wir in diese Richtung tendierten. Wir sind zu jung, um alt zu sein und zu alt, um wirklich jung zu sein. Als Mittzwanziger bist du einfach in einer Grauzone und zwischen 500.000 Welten hin- und hergerissen. Ich habe meine Band, meine Freunde, mein Elternhaus, meine Arbeit und mein Studium und man ist permanent auf 500 Prozent. Das ist für uns und viele andere nicht immer leicht. Uns war es wichtig, mit diesem Album einen Abschluss von einer gewissen Lebensphase zu schaffen. Wenn jemand gerade nicht mehr will, dann soll er sich dieses Album anhören und er wirt Sachen anders sehen und verstehen. Es geht um jung sein und jung bleiben.
Mayr: Wir sind nicht die politische Band und fühlen uns auch nicht dazu in der Lage. Wir wollen keinen ausgrenzen und uns schon daher nicht positionieren. Natürlich haben wir eine gewisse Grundhaltung, aber das Album von uns ist mehr selbstreflektiv.
Wendl: Es gibt andere, die besser politisieren können. Jeder, der Musik mit politischem Effekt macht, hat sich ohnehin schon positioniert. Ich bin ganz stolz auf all die Künstler, die sich gegen diese vielen hässlichen Bewegungen in unserem Land aussprechen. Wenn mich jemand fragt, dann sage ich meine Meinung, aber ich muss das niemandem aufdrücken.

Es kann auch nicht jede Band so sein wie Rage Against The Machine. Das wäre auch nicht echt und unverfälscht.
Wendl:
Ich bin großer Fan dieser Band und keine andere hat vorher oder nachher politische Statements so gut gesetzt. Zack de la Rocha war in dem Bereich einfach ein Biest. Er stellt sich auf die Bühne, singt „Bullet In My Head“ und du nimmst ihm jeden Buchstaben ab und fühlst das förmlich.
Mayr: Wir sind das aber nicht. Wir sind die ersten, die Gabalier schlecht finden, aber wenn wir das jetzt auch so machen würden wie er, nur eben links, würden wir genauso sein wie er, nur dass wir weniger Reichweite hätten. Deshalb lassen wir es einfach bleiben. In unseren Songs sind andere Themen für uns einfach wichtiger.
Wendl: Aber wenn mich wer fragt, ob ich den Gabalier „oasch“ finde, dann sag ich natürlich: ja. Ich drücke das nur niemandem ungefragt auf. Mit unserer Musik hat das Ganze jedenfalls nichts zu tun. Aber gute Idee: wir sollten mit dem Gabalier ein Beef starten. Wenn der das posten würde, dass wir ihn nicht gut finden, das würde echt viel Reichweite bringen. (lacht) Der Felix Baumgartner darf auch gerne mitmachen.

Wie setzt ihr künftig eure Prioritäten bzw. wie weit würdet ihr für die Band gehen, abseits von Studium, Jobs und dergleichen?
Wendl:
Wenn nicht jetzt, wann dann? Das ist das Motto, nachdem wir derzeit arbeiten. Ich könnte mir gar nichts anderes als Musik vorstellen, es gibt gar keinen zweiten Weg. Ob es jetzt so funktioniert oder anders, das weiß ich nicht. Aber wir machen fix noch mehrere Alben und werden nicht untätig sein. Ich will auf jeden Fall mein Dasein als Musiker fristen. Im schlimmsten Fall ziehen wir halt nach Los Angeles.
Mayr: Wir leben derzeit alle für Musik und hauen gefühlt alles dafür rein, aber wir müssen auch ein Studium vollführen und uns andere Gedanken machen. Ich möchte jedenfalls nicht mit 40 daheimsitzen und mich dann darüber ärgern, dass ich etwas nicht gewagt habe. Ich will mit dem Bus herumgurken und alles spielen, was mir in den Weg kommt. Wer kann schon sagen, dass er mit 22 am Frequency auf der Hauptbühne aufgetreten ist? Wenn ich das mal meinen Kindern erzähle, hat sich schon alles ausgezahlt. Wir sind mittlerweile echt weit gekommen und das ging nur, weil wir sonst in allem schlecht waren. Ich hatte die Wahl zwischen Musik oder Fußball beim USK Anif. (lacht) Es war recht klar, wohin ich gehen würde.
Wendl: Mit 14 stand ich bei meinen ersten Konzerten im Salzburger Rockhouse und habe davon geträumt, mal da oben zu stehen. Als das geschafft war, haben wir uns gewünscht, einmal eines der Riesenfestivals in Österreich zu spielen - und jetzt haben wir beim Frequency gespielt. Das sind Schritte, die du gehen musst und dann einfach immer dranbleiben.
Mayr: Du darfst nie den Spaß verlieren. Wir haben die Musik im Herzen, es hängt alles daran. Momentan sind wir noch jung und können locker im Hier und Jetzt leben. Was in zwei oder fünf Jahren ist, ist momentan noch egal. Irgendwie kommt man immer durch.

Was würdet ihr bislang als das definitive Highlight bzw. den definitiven Tiefpunkt ansehen?
Wendl:
Tiefpunkte gibt es jeden Tag, aber auch Highlights. Wenn es regnet, kommt danach immer die Sonne - so kitschig das jetzt klingt. (lacht)
Mayr: Der Höhepunkt ist wohl schon der Gig am Frequency. Doch auch wenn wir im Rockhouse spielen und viele Leute die Songs mitsingen können oder jemand aus England bei uns im Online-Shop Shirts und CDs bestellt, sind das tolle Highlights. Wir reden viel zu oft darüber, was nicht geht und übersehen dann oft, was eigentlich schon geht. Wir sollten öfter froh darüber sein, was wir haben. Rückschläge wird es immer geben, aber man muss viel stärker drüberstehen.

Nachdem ihr euch musikalisch entwickelt habt - habt ihr euren Stil nun gefunden oder gibt es dahingehend noch unterschiedliche Möglichkeiten?
Wendl:
Andere Visionen gibt es immer und es ist natürlich, dass man mit der Musik woanders hin will. Die neuen Demos sind schon wieder etwas Anderes. Man muss als Band seinen Sound finden. Der kann nach Indie, Rock oder Pop klingen, aber insgeheim klingen wir am Ende wie Please Madame. Darum geht es und das wird bei den nächsten Alben immer besser werden. Es ist eine stete Suche.

Please Madame sind mit dem aktuellen Album und alten Songs im November auf großer Österreich-Tour. Am 9. November spielen sie im Salzburger Rockhouse, am 15. November im Fluc in Wien, am 17. November im Grazer ppc und am 30. November im Posthof Linz. Weitere Infos und Karten für die Shows gibt es unter www.oeticket.com

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