Schauspielhaus Graz:

„Maria Stuart“ und die Bürokraten der Macht

Steiermark
26.10.2018 18:00

Zwei schillernde Monarchinnen gegen eine uniformierte Männerfront: Regisseur Stephan Rottkamp seziert am Grazer Schauspielhaus Friedrich Schillers Königinnendrama „Maria Stuart“. Dank Bühnenbildner Robert Schweer wird aus dem schlüssigen Skelett ein bildgewaltiger Theaterabend. Absolut sehenswert!

Seit vielen Jahren hält Königin Elisabeth ihre Erzrivalin Maria Stuart, Königin von Schottland, schon gefangen. Eine Freilassung kommt nicht in Frage - zu groß ist die Gefahr, die von der charismatischen Katholikin auf das neu reformierte Reich ausgeht. Doch auch zum Todesurteil kann sich Elizabeth nicht durchringen.

Bürokraten der Macht
Um dieses Dilemma entspinnt Schiller die ebenso fatalen wie unvermeidbaren Spiele der Macht. Regisseur Stephan Rottkamp hat mit smarten Textkürzungen das Skelett des Drama freigelegt - dieses trägt Anzug, Krawatte, akkuraten Scheitel und Hornbrille. Denn die Männerfiguren sind bei ihm uniformierte Bürokraten der Macht. Grinsend sitzen sie zu Beginn des Stücks an der Kante und lecken einander die Stiefel. Wer soll gegen diese chorische Front der Verbrüderung ankommen?

Nur in einzelnen Szenen schälen sich Individuen aus der männlichen Masse: Florian Köhler gibt den Leicester als schleimigen Opportunisten, der rückgratlos zwischen Pflichtgefühl für Elizabeth und heimlicher Liebe für Maria schwankt. Pascal Goffins Burleigh ist ein eiskalter Machtmensch, Frederik Jan Hofmanns Paulet getrieben von strenger Korrektheit. Einzig Benedikt Greiners stürmischem Mortimer zeigt Momente tragischer Aufrichtigkeit.

Vergeblicher Glamour
Im Vergleich dazu glänzen die beiden Königinnen mit Individualität - doch letztlich umsonst. Sarah Sophia Meyers Elisabeth ist eine nach außen sehr routinierte und glamouröse (Kostüme: Heide Kastler) Monarchin. Doch nach innen ist sie von Unsicherheit und Ängstlichkeit zerfressen. Ihr gegenüber steht mit Henriette Blumenau eine Maria Stuart, die nach anfänglicher Lakonie impulsiv und trotzig gegen die Demütigungen ihres Lebens aufbegehrt. Ihre Beichte vor der Hinrichtung bei Kerzenschein ist ein finaler Befreiungsschlag, der zugleich emotionaler Höhepunkt der Inszenierung ist.

Rottkamp stellt darin das Schicksal des (weiblichen) Individuums an die Kippe eines (männlichen) Machtsystems. Und keiner macht das so deutlich wie Robert Schweer. Sein Bühnenbild - eine riesige weiße Wippe, die sich hebt und senkt und dabei abwechselnd Maria Stuarts tristen Kerker und die schräge Welt von Königin Elisabeth zeigt - ist der eigentliche Star des Abends. Die vielen schlüssigen, aber nicht aus sich heraus effektvollen Interpretationsstränge Rottkamps laufen in der Bühnenwelt Schweers bildgewaltig zusammen und machen daraus ein sichtbares und spürbares Ganzes.

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