Justiz-Farce in Tirol

Nach Freilassung jetzt doch wieder Haftbefehl

Österreich
09.01.2010 18:14
Die Justiz-Groteske um einen auf der Skipiste in Tirol gefassten Terror-Verdächtigen ist um eine weitere Facette reicher: Nach der umstrittenen Freilassung des seit 21 Jahren international gesuchten Deutschen durch das Innsbrucker Gericht gibt es nun wieder einen Haftbefehl gegen den mutmaßlichen Giftgas-Lieferanten. Der Verdächtige dürfte aber schon längst wieder außer Landes sein. Zurück bleiben kopfschüttelnde Ermittler.

"Wir haben alles getan, was wir konnten. Doch unser Einspruch hatte leider keine aufschiebende Wirkung", erklärt Dr. Wilfried Siegele, Mediensprecher der Staatsanwaltschaft Innsbruck, die geltende Rechtslage bei derartigen Auslieferungsverfahren.

Wie berichtet, hatte eine Richterin den seit 21 Jahren von der amerikanischen Bundespolizei FBI gesuchten "Geschäftsmann" nach seiner Verhaftung wieder auf freien Fuß gesetzt. 24 Stunden zuvor hatten ihm noch Zielfahnder des Bundeskriminalamtes kurz vor Silvester beim Skiurlaub mit seiner Familie auf einer Piste in Hall in Tirol die Handschellen angelegt.

Die Juristin berief sich darauf, dass es zum Tatzeitpunkt 1988 keine "rechtliche Grundlage" für eine Haft in Österreich gegeben habe. Das Auslieferungsabkommen wegen Verbreitung von Massenvernichtungswaffen bestehe erst seit 1997. Dies sah das Oberlandesgericht (Foto) jetzt anders – freilich zu spät.

Verdächtiger auf "Most wanted"-Liste der USA
Während die völlig verdutzten Ermittler ob dieser Justiz-Farce nur die Köpfe schütteln können, dürfte von US-Seite wohl schon bald eine scharfe diplomatische Note folgen. Denn der 67-jährige Deutsche stand wegen des Verdachts der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen auch auf der "Most wanted"-Liste. Bereits nach der Freilassung hieß es von den Ermittlern, dass die US-Behörden recht ungehalten auf den Justiz-Coup reagiert hatten.

Dem Mann wird vorgeworfen, in den Jahren 1988/89 in drei Lieferungen insgesamt 115 Tonnen Thiodiglycol, die zur Herstellung des Kampfstoffes Senfgas benötigt werden, von Baltimore im US-Bundesstaat Maryland aus Richtung Griechenland und Singapur geliefert zu haben. Bei der zweiten Lieferung war der Zoll aufmerksam geworden und hatte den Stoff aus den 450 Fässern entnommen, diese mit Wasser aufgefüllt und deren Weg nach Singapur, dann aber weiter über Pakistan in den Iran verfolgt.

Daraufhin wurde ein Haftbefehl erlassen und der Mann festgenommen. Vor einem amerikanischen Gericht hatte sich der mutmaßliche Waffenschmuggler schuldig bekannt, floh dann aber vor dem Schuldspruch mit dem nächsten Flugzeug aus Amerika zurück nach Deutschland. 1994 ging er den Ermittlern kurzfristig in einem Hotel in Zagreb ins Netz, wurde aber dort nach vier Monaten wieder entlassen. Durch die Zusammenarbeit mit den amerikanischen Behörden, vor allem dem ICE, einer Untergruppe der amerikanischen Zollfahndung, konnte ermittelt werden, dass der Verdächtige unter falschem Namen einen Skiurlaub in Hall plane.

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