Unsportlich

Keine Spur von Fairplay in “Blood Bowl”

Spiele
07.01.2010 13:53
American Football wird ob seines strategischen Tiefgangs gerne mit Schach verglichen. Verfolgt man die Übertragungen, erschließt sich allmählich nicht nur das Regelwerk, sondern auch die verborgene Schönheit des Spiels. Die scheinbar unverständlichen Vorgänge ergeben plötzlich einen Sinn und auch Action wird mehr als genug geboten, wenn die gegnerischen Mannschaften sprichwörtlich aufeinander krachen. Noch heftiger scheppern würde es nur, wenn auch Orks mit von der Partie wären. Geht nicht? Geht doch: "Blood Bowl" macht es vor.
Die Vorfreude auf das monströse Sportspektakel ist groß, ruft "Blood Bowl" doch Erinnerungen an einen alten Spieleklassiker wach: "Speedball" hieß das kurzweilige, in der Zukunft angesiedelte Sportspiel, in dem es mit einer Eisenkugel und nahezu ohne Regeln mitunter wochenlang ordentlich zur Sache ging. Ein intensiver Blick ins Handbuch macht jedoch deutlich, dass diese Erwartungen falsch sind. Als Grundlage dient nämlich keineswegs "Speedball", sondern das "Warhammer"-Universum. Fans von Tabletop-Spielen oder einer der zahlreichen Computerspielumsetzungen können jetzt schon erahnen, in welche Richtung "Blood Bowl" geht. Strategie ist nämlich das Non-Plus-Ultra, womit es durchaus Parallelen zum eingangs erwähnten Schachspiel gibt.

Wer gar nichts mehr hilft: das Handbuch
Drauflosspielen scheidet somit aus, wie der Tester am eigenen Leib erfahren durfte. Das Resultat war erbärmlich und niederschmetternd zugleich. Dies lag allerdings nicht allein an der vernichtenden Niederlage und kläglichen Leistung der eigenen Mannschaft. In Unkenntnis der Steuerung und taktischen Feinheiten steht ein Anfänger vor einer unüberwindbaren Hürde. Dankenswerterweise bietet das Spiel ein Tutorial. Die Chance, spielerisch an das komplexe Szenario heranzuführen, haben die Entwickler allerdings leichtfertig vergeben. Die Textwüsten, die vor jedem Spielzug über den Bildschirm flimmern, animieren kaum zum Weitermachen. Zudem finden im Tutorial nur die rudimentären Erklärungen Platz. Mit dem angeeigneten Wissen wird das Spiel zwar verständlicher, jedoch fehlt weiterhin das Rüstzeug, um auch erfolgreich sein zu können.

Da hilft nur noch ein ausgiebiges, nicht mehr zeitgemäßes Studium des Handbuchs. Doch selbst dann dauert es einige Spiele, bis sich der herbeigesehnte Erfolg endlich einstellt. Die Rede ist wohlgemerkt nicht von einem Sieg, sondern vom ersten Touchdown. Nur wer die notwendige Geduld und den Ehrgeiz aufbringt, kommt in den Genuss, die spielerische und strategische Tiefe kennenzulernen. Die rundenbasierte Spielweise bietet dabei glücklicherweise die notwendige Zeit, sich jeden Zug genau zu überlegen.

Keine Spur von Fairplay
Belohnt wird man nicht nur mit erfolgreichen Spielzügen, Touchdowns, Field Goals oder Siegen, sondern auch mit blutigen Duellen, wenn zwei Spieler aufeinandertreffen. Im Gegensatz zum realen Football führt jeder misslungene Spielzug automatisch zu einem Turnover, also zu einem Ballverlust. Gerade am Anfang passiert dies sehr oft und man beginnt, diese Regel schön langsam zu hassen. Dafür entwickeln sich die Spieler im weiteren Verlauf rollenspieltypisch weiter und verbessern sich stetig. Mit dem Erfolg kommt schließlich auch das Geld, mit dessen Hilfe sich das Team erweitern, der Schiedsrichter bestechen oder Magie erwerben lässt. Wer möchte nicht die gegnerischen Reihen durch einen herbei gezauberten Feuerball entscheidend lichten?

Für die weniger strategisch veranlagten Spieler steht auch ein Echtzeitmodus zur Verfügung. Damit geht allerdings fast vollständig die spielerische Tiefe verloren. Zudem gestaltet sich das Ganze, trotz vorhandener Pausenfunktion, so hektisch, dass jede Übersicht innerhalb von Minuten verloren geht. Mehr Spaß macht der gute Multiplayer-Modus, in dem fast sämtliche Optionen der Offline-Variante zur Verfügung stehen.

Die Grafik wirkt zwar detailliert, verdient aber eher das Prädikat zweckmäßig denn opulent. Das gleiche gilt für die Soundeffekte und die musikalische Untermalung, die kaum zu Begeisterungsstürmen hinreißen.

Fazit: "Blood Bowl" nur ein "Madden" im Fantasy-Look? Defitiniv nein. Geht es nach "Blood Bowl", so ist American Football tatsächlich eine Abart des Schachspiels. Strategisches Verhalten, sorgfältige Überlegungen, Geduld und die Motivation, das Handbuch zu lesen, zeichnen "Blood Bowl"-Spieler aus. Wer Taktik oder dem "Warhammer"-Universum nichts abgewinnen kann, sollte daher lieber die Finger davon lassen. Wer sich hingegen gerne in die Materie hineinfuchst und eine Vorliebe für Brettspiele hat, kann guten Gewissens einen Blick riskieren.

Plattform: Xbox 360 (getestet), PC, PSP, DS
Publisher: Deep Silver
krone.at-Wertung: 8/10

von Harald Kaplan

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