Korruption im Visier

Dritter Journalistenmord in EU binnen einem Jahr

Ausland
08.10.2018 10:41

Wurde die Journalistin umgebracht, weil sie wegen ihrer Recherchen zur Gefahr wurde? Die Nachricht von der brutalen Vergewaltigung und Ermordung der 30-jährigen TV-Reporterin Viktoria Marinowa sorgt am Montag nicht nur in Bulgarien für Entsetzen. Nach Jan Kuciak in der Slowakei und Daphne Caruana Galizia in Malta ist das der dritte Journalistenmord in der Europäischen Union in weniger als einem Jahr. Besonders brisant: Alle drei Mordopfer hatten zu Korruption recherchiert.

Der Tod der 30-jährigen Marinowa sei durch Schläge auf den Kopf und Ersticken ausgelöst worden, bestätigten bulgarische Ermittler entsprechende Medienberichte über die grausigen Details des Mords. Nach Angaben von Innenminister Mladen Marinow wurde die Journalistin vor ihrem gewaltsamen Tod vergewaltigt. Weil Marinowa, die eine sieben Jahre alte Tochter hinterlässt, für ihren Sender in der Ortschaft Russe, den kleinen Lokalsender TVN, zuletzt wegen Korruptionsverdachts im Zusammenhang mit EU-Fördergeldern recherchiert hatte, werden nun Forderungen nach tief greifenden Ermittlungen laut.

Erst vor Kurzem hatte die Journalistin eine neue Talkshow zu aktuellen Themen gestartet. In der ersten Sendung (siehe Video unten) wurden am 30. September Interviews mit zwei investigativen Journalisten ausgestrahlt. Beide berichteten über ihre Recherchen zur mutmaßlichen Veruntreuung von EU-Geldern durch Geschäftsleute und Politiker.

Doch die Polizei hält einen Zusammenhang zwischen dem Mord und Marinowas Arbeit für unwahrscheinlich. Die zuständige Staatsanwaltschaft erklärte lediglich, sie ermittle in alle Richtungen - sowohl im persönlichen als auch im beruflichen Bereich. „Ihr Mobiltelefon, ihre Autoschlüssel, ihre Brille und einige Kleidungsstücke sind verschwunden“, sagte der Staatsanwalt von Russe, Georgi Georgiew.

Ministerpräsident Boiko Borissow sagte indes, er hoffe, dass es dank der reichlich am Tatort gefundenen DNA-Spuren rasch eine Spur zum Täter geben werde. Die besten Kriminalisten seien zur Aufklärung des Mordes nach Russe geschickt worden, versicherte der Regierungschef.

Christian Mihr, Direktor von Reporter ohne Grenzen Deutschland, äußerte sich auf Twitter zu dem Mord an der bulgarischen Kollegin. Er setzte den Tod in Verbindung zum Mord an Jan Kuciak in der Slowakei und dem tödlichen Bombenanschlag auf Daphne Caruana Gilizia auf Malta innerhalb des vergangenen Jahres. „Alle drei haben sie zu Korruption recherchiert“, schrieb Mihr.

Auch der Medien-Beauftragte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Harlem Desir, verurteilte den Mord. Auf Twitter schrieb er: „Schockiert über den schrecklichen Mord an der Investigativjournalistin Victoria Marinowa in Bulgarien.“ Der Franzose forderte gründliche Ermittlungen. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden.

Die Website Bivol.bg, für die einer der beiden Investigativjournalisten schreibt, die in Marinowas Sendung zu Gast waren, forderte auf Twitter Polizeischutz für die Kollegen der Ermordeten. Am Montagabend soll es in Sofia eine Kerzenwache zum Gedenken an die Tote geben. Bulgarien steht im weltweiten Ranking zur Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen derzeit auf Platz 111 - und hat damit die schlechteste Bewertung aller EU-Staaten. In dem südosteuropäischen Land ist auch Gewalt gegen Frauen weit verbreitet.

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