Wer profitiert?

2,75 Mio. Testamente: Jeder 3. hat letzten Willen

Österreich
05.10.2018 06:01

1,75 Millionen Testamente sind in Österreich registriert, eine weitere Million liegt im Nachtkästchen: Immer mehr Menschen beschäftigen sich damit, was aus ihrem Vermögen wird - und wer davon profitiert. Ein „Krone“-Brennpunkt.

Die Erbrechtsreform 2017 hat vieles leichter gemacht, weil etwa die Pflichtteile neu geregelt und Lebensgefährten bessergestellt wurden, dennoch bleibt der letzte Wille für viele ein Mysterium. Der Informationsstand sei generell schlecht, beklagen Experten. Brisanz erhält das Thema auch durch eine aktuelle Aussage von Bankchef Andreas Treichl: Er tritt klar für eine Erbschaftssteuer ein und sagt: „Erben ist keine Leistung.“

Veranstaltungen von der „Vergissmeinnicht-Initiative für ein gutes Testament“ und der Notariatskammer sind derzeit gefragter denn je, wie Geschäftsführer Günther Lutschinger berichtet: „Das Thema ist nach wie vor äußerst komplex und immer wieder kommt es zu Missbrauch oder Problemen durch schlecht verfasste Testamente.“ Der Oberste Gerichtshof hat vor Kurzem ein mit PC getipptes Testament für ungültig erklärt, weil die Zeugen nur auf der letzten Seite unterschrieben hatten und das Konvolut lediglich durch eine Büroklammer zusammengehalten worden war. Richtiges Vererben will also gelernt sein.

Streit unter Erben soll vermieden werden
Derzeit sind im Testamentsregister laut Fundraising Verband Austria 1,75 Millionen Dokumente hinterlegt, eine weitere Million dürfte zu Hause aufbewahrt sein: Insgesamt hat somit etwa jeder dritte Österreicher seinen letzten Willen bereits niedergeschrieben - meist mit Erreichen eines höheren Alters, oft nach Krankheit oder ausgelöst durch Todesfälle im Familien- und Freundeskreis.

Die Gründe, warum Testamente verfasst werden, wurden ebenfalls erforscht: 47 Prozent gibt es ein gutes Gefühl der Ordnung, 41 Prozent möchten Streit unter Angehörigen vermeiden, 27 Prozent glauben, es ihren Kindern schuldig zu sein, und 13 Prozent wollen sich vom Gesetzgeber nicht dreinreden lassen. Ebenso viele setzen sich auch mit der Frage auseinander, nach ihrem Tod Gutes zu tun - und bedenken gemeinnützige Einrichtungen.

Millionen und Klimt fallen an Vater Staat
Was passiert übrigens in den gar nicht so seltenen Fällen, wo es Besitz, allerdings keine Erben gibt? „Bei den sogenannten erblosen Nachlässen sind die Verlassenschaftskommissäre verpflichtet, den Staat zu informieren. Unsere Rolle als seine Vertreterin ist es, die gesetzlichen Ansprüche durchzusetzen“, erklärt Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur.

Zahlen will er keine nennen, aber laut „Vergissmeinnicht“ werden jährlich 900 Sterbefälle als „erblos“ gemeldet. In drei Jahren flossen zwölf Millionen an den Bund. Manche Erbschaften sorgen für Aufsehen: etwa jene, als ein Sammler zwei Klimt-Bilder der Republik Österreich hinterlassen hat.

„Viele wollen nach dem Tod Gutes tun“
Immer mehr Menschen bedenken im Nachlass auch gemeinnützige Organisationen: 60 Millionen Euro wurden im Vorjahr auf diese Weise gespendet. Günther Lutschinger ist Initiator des Projekts Vergissmeinnicht, bei dem 78 gemeinnützige Organisationen darum werben, in Testamenten bedacht zu werden.

„Krone“: Sie sind Initiator des Projekts Vergissmeinnicht. Was ist das genau?
Günther Lutschinger: Wir vertreten 78 gemeinnützige Organisationen, die von Spenden leben. Unsere Aufgabe ist es, generell über die Möglichkeiten einer testamentarischen Spende zu informieren. Viele wollen Gutes tun!

Das klingt nach Keilen.
Aber überhaupt nicht! Wer keinen persönlichen Bezug zu einer Einrichtung hat - egal, ob Tierschutz, Naturschutz, Kunst oder Medizin -, wird ihm auch nichts vererben wollen. Wir klären nur gemeinsam mit der Notariatskammer als Partner über den letzten Willen auf.

Wie hoch ist das Erbe?
Im Vorjahr waren es 60 Millionen Euro - das sind bereits zehn Prozent der Spenden in Österreich. Durchschnittlich werden 30.000 Euro für einen guten Zweck hinterlassen, es gibt aber auch größere Erbmassen mit Immobilien, Grundstücken oder Kunstwerken.

Gibt es Ärger mit Erben, die den sozialen Vereinen neidig sind?
Wenn, dann mit entfernten Verwandten, die sich übergangen fühlen. Je klarer ein Testament verfasst ist, desto besser.

Daten & Fakten

  • Das Vermögen wird in Österreich auf 1,3 Billionen Euro geschätzt. Allein die privaten Immobilien sollen 880 Milliarden Euro wert sein. Die meisten Erblasser hinterlassen ihren Erben aber Sparbücher (61 Prozent).
  • Erbschaft: Das durchschnittliche Erbe beträgt 150.000 Euro.
  • Erbrecht: Der Pflichtteil wurde im Vorjahr neu geregelt, pflegende Angehörige und Lebensgefährten bessergestellt. Unter help.gv.at gibt es Infos, ebenso bei der Notariatskammer und auf rechtsanwaelte.at.

Kerstin Wassermann, Kronen Zeitung

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