„Unvorstellbare Hetze“

Keyl zieht Bewerbung als Verwaltungsrichter zurück

Österreich
17.09.2018 10:48

Nach tagelanger Kritik am von der Bundesregierung designierten Bundesverwaltungsrichter Hubert Keyl (FPÖ) zieht dieser nun seine Bewerbung für den Posten zurück. Er handle ausschließlich zum Schutze seiner Familie, erklärte er am Montag via Presseaussendung. Seine Bestellung hatte für Aufregung gesorgt, da Keyl nicht nur ein alter Bekannter des verurteilten Neonazis und Holocaust-Leugners Gottfried Küssel ist, sondern auch den von den Nazis hingerichteten und mittlerweile selig gesprochenen Widerstandskämpfer Franz Jägerstätter als „Verräter“ bezeichnet hatte. Keyl kam mit seinem Rückzug offenbar der Ablehnung durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen zuvor. 

Keyl erklärte am Montag, er könne seiner Familie die für ihn „vorher unvorstellbare mediale Hetzjagd“ nicht mehr zumuten. Zu dieser sei es trotz eines erfolgreich absolvierten, unabhängigen Auswahlverfahrens und einer Prüfung durch die Bundesregierung gekommen: „Als in Onlineforen die Namen und Arbeitsstellen meiner Töchter veröffentlicht wurden, war jede Grenze überschritten. Ich nehme meine Verantwortung gegenüber meiner Familie wahr“, ließ er wissen: „Ich habe im Interesse der Sicherheit meiner Kinder und meiner Frau zu handeln. Hier treten persönliche Interessen in den Hintergrund.“

Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zeigte Verständnis für Keyls Entscheidung. Dieser sei demnach „zum Opfer einer politischen und medialen Hexenjagd geworden“.

Verbindung zu Neonazi Küssel dementiert
Zuvor hatte es einen tagelangen Protest aus diversen politischen Lagern gegen die Nominierung Keyls - welche offenbar von „ganz oben“ aus der FPÖ kommen war - gegeben. Lediglich ein Teil der Freiheitlichen waren ihm zur Seite gesprungen - auch Generalsekretär Christian Hafenecker monierte über eine „haltlose Hetzjagd“. Keyl selber musste am Samstag via Aussendung kundtun, niemals eine gemeinsame politische Vergangenheit mit Küssel gehabt zu haben und auch in keinerlei Kontakt mit ihm zu stehen. Den Nationalsozialismus und seine grausamen Verbrechen lehne er in aller Entschiedenheit ab, unterstrich er.

Keyl war im Jahr 2010 in eine Schlägerei in der mittlerweile geschlossenen Wiener Rotlichbar „Pour Platin“ involviert gewesen. Seine Gattin hatte damals laut Medienberichten Küssel zu Hilfe gerufen, nachdem ihr Mann mit den Sicherheitsleuten des Clubs in Streit geraten war. Auch sollen Keyl und seine Frau jahrelang bei Veranstaltungen von Küssels Verbindung „Das Reich“ in einem Kellerlokal in der Wiener Lichtenauergasse zu Gast gewesen sein. Küssel wurde 2013 wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verurteilt und sitzt seitdem in Haft.

Leserbrief zu Jägerstetter: „Würde ich so nicht mehr veröffentlichen“
Auch distanzierte sich Keyl von einem zehn Jahre alten Leserbrief in der Zeitschrift „Zur Zeit“ gegen die Seligsprechung Jägerstetters. Nicht nur die Rechtslage habe sich geändert, sondern auch seine persönliche Ansicht, meinte er am Montag. „Ich würde diesen Artikel heute nicht mehr so veröffentlichen.“ In dem Leserbreif hatte Keyl geschrieben, wer den Dienst in der Wehrmacht verweigert habe, sei „ein Verräter, und Verräter soll man verurteilen und nicht selig sprechen“.

Ablehnung durch Van der Bellen zuvorgekommen
Keyl kam mit der Rücknahme seiner Bewerbung offenbar der Ablehnung durch Van der Bellen zuvor. So hatte das Staatsoberhaupt am Wochenende höchsten Regierungskreisen klargemacht, dass er einer Bestellung des umstrittenen Freiheitlichen nicht zustimmen werde, hieß es am Montag. Der Bundespräsident muss Bestellungen von Bundesverwaltungsrichtern absegnen. Die Regierung hatte Keyl und eine Reihe weiterer Kandidaten vergangenen Woche auf Basis von Nominierungen des zuständigen Personalsenats für die Richterposten vorgeschlagen.

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