Zermatt

Bergerlebnisse mit Blick auf das Matterhorn

Reisen & Urlaub
15.09.2018 09:00

Schöpfungsewig und jahrtausendstill thront das Matterhorn über Zermatt! Es hat sich - eingebettet in geheimnisvolle Gletscherwelten - den Charme des stillen Bergdorfs bewahrt. Öko-Hightech auf der Monte-Rosa-Hütte inklusive.

Ganz langsam und in kleinen Karawanen kämpfen sich die Seilschaften an der auch im Sommer tief mit Schnee bedeckten Flanke des 4164 Meter hohen Breithorns hinauf. Von der Aussichtsplattform auf dem Kleinen Matterhorn sind sie als kleine Punkte auszumachen, und selbst aus der weiten Ferne ist die Anstrengung dieser Hochgebirgsalpinisten spürbar. Der Himmel ist strahlend blau rund um das „Glacier Paradise“, das bald schon mit einer neuen Seilbahn erreichbar sein wird.

„Wir befinden uns hier in der höchstgelegenen Mittelspannungsstation Europas. Hier kommt modernste Technik zum Einsatz. Und das unter extremsten Bedingungen“, versichern Hans-Jörg Dietiker von Siemens Schweiz und Kurt Guntli, bei den Zermatter Bergbahnen für die Energieversorgung zuständig. Hightech in den Alpen also.

Zermatter Bergsteiger-Legende führt uns auf die Monte-Rosa-Hütte. Die Luft ist dünn auf dem Kleinen Matterhorn (3883 m) - und doch ist das erst ein Vorgeschmack auf die kommende Expedition über den Gornergrat zur Monte-Rosa-Hütte. Ich werde hier an meine Grenzen gehen müssen, durchfährt es mich. Zumal der Gletscher nur über eine schwindelerregende Leiter zu erreichen ist. Die muss jeder, der in lichte Höhen strebt, überwinden. Zunächst in die Tiefe beim Hinweg, und dann hinauf, wenn es wieder retour geht. Bangen Herzens - und das Matterhorn gleichsam umkreisend - mache ich mich auf den Weg zum vielleicht modernsten Alpinstützpunkt des Alpenbogens.

Das Zermatter Fremdenverkehrsamt hat uns als Bergführer eine Legende zur Seite gestellt - den Himalaya-erfahrenen Bruno Jelk. Jahrzehntelang hat er als Chef der heimischen Alpinrettung Menschen aus Bergnot ins sichere Tal geleitet. „Leider musste ich auch 700 Tote bergen. Die allermeisten dieser Verunglückten sind wegen eigener Überschätzung und schlechter Ausrüstung aus dem Leben gerissen worden. Und kaum einer war sich der Gefahren hier oben bewusst“, schildert Bruno Jelk. Er spricht nicht viel, wacht schweigsam über jeden unserer Schritte und hat auch das brüchige Terrain im Blick. Meine Steigeisen seien museumsreif, sagt er beim Anlegen derselben skeptisch. Unweigerlich blicke ich zum Matterhorn hinauf, wo 1865 der unerfahrene Douglas Hadow eines der Todesopfer der verhängnisvollen Erstbesteigung von Edward Whymper war. Der 19-Jährige soll wegen seines schrecklich mangelhaften „Sonntags“-Schuhwerks ausgerutscht sein und dabei die Bergkameraden Michael Croz sowie Reverend Hudson mit in den Tod genommen haben. Bergschuh und zerfetztes Seil sind immer noch im Heimatmuseum zu sehen. Trauriger Mythos Matterhorn!

Gletscher schmelzen rapide dahin. Doch wir sind per von Siemens mit I-Cloud (!) gesteuerter Gornergrat-Bahn zum Rottenboden gelangt und alsbald auf dem Gletscher unterwegs. Der ist bei Weitem nicht so tückisch. Dennoch - es gilt höllisch aufzupassen. Denn die Erderwärmung reißt immer neue Spalten auf und schlägt gerade jetzt im Hochsommer gnadenlos zu. Wo in der vergangenen Woche noch eine leicht zu überquerende Eisflanke war, ist jetzt nur noch Geröll. Der Gletscher zerfließt vor unseren Augen - Bruno hat deswegen eine neue Route finden müssen. Es knirscht unter den rostigen Steigeisen, doch ich finde langsam meinen Rhythmus, gewöhne mich an die ungewöhnliche Stahlsohle. Dass ich an mein Ziel komme, verdanke ich auch meinen Bergkameraden Harald Hassenmüller, Kommunikations-Urgestein von Siemens, und Axel Höpner, meinem Kollegen vom „Handelsblatt“ in Deutschland. Sie spornen mich an, und versichern mir immerzu, dass ich es schaffen werde.

Nach einer kleinen Ewigkeit auf Erden erreicht unsere Schicksalsgemeinschaft tatsächlich die Monte-Rosa-Hütte. Diese wurde an Stelle der alten erbaut und birgt modernste Siemens-Technik in sich. Das Haus verwirklicht mit Photovoltaik, einem geschlossenen Wasserkreislauf und der Belüftungsanlage samt Wärmerückgewinnung perfekte Nachhaltigkeit. „Wir können hier ohne Strom- und Wasseranschluss einen Teil der Energie regenerativ erzeugen“, so Hüttenwirt Jonas Rubin. Sein Reich ist mit der Aluminiumhülle auch ein architektonischer Blickfang. Trotzdem trauert Bruno der alten Monte-Rosa-Hütte nach. Sture Naturschützer verlangten als Zugeständnis für das neue Haus den Abriss des 1895 errichteten historisch wertvollen Steinbaus. Dabei wäre dieser ein optimaler Glaziologen-Stützpunkt gewesen.

Kurz vor dem Abstieg werden wir Augenzeugen des Klimawandels. Vor unseren Augen bricht wegen des schwindenden Permafrosts mit ohrenbetäubendem Knall eine gigantische Felswand in die Tiefe. Die Staubwolke lichtet sich nur langsam. Nur das Matterhorn ragt wie seit Ewigkeiten in den Himmel

Mark Perry, Kronen Zeitung

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