Album „Heaven/Hell“

Avec: Erfolgreich gegen jedwede Trends

Musik
17.09.2018 07:00

Nach international umjubelten Konzerten, Amadeus-Nominierungen und heimischen Charterfolgen hat die Oberösterreicherin Avec die musikalischen Uhren auf Null gestellt. Anstelle des folkig-angehauchten Singer/Songwritertums setzt die 23-Jährige auf ihrem zweiten Album „Heaven/Hell“ auf Elektronik und Mut zur grenzenlosen Offenheit. Mit uns sprach sie außerdem über die Wichtigkeit ihrer geliebten Oma, Selbstzweifel und wie man mit einem Karriereraketenstart umgehen lernt.

(Bild: kmm)

Still und heimlich komponierte Avec in der ländlichen Beschaulichkeit des oberösterreichischen 12.000-Seelen-Nestes Vöcklabruck ihre zurückgelehnten Akustikgitarrensongs und verwandelte ihre persönlichen Gedanken zu jenen Texten, mit denen sie ihre Probleme kanalisieren und ihre Dämonen besiegen konnte. Mit ihrem womöglich intimsten Song stieß sie 2015 eher unbewusst das Tor zur Öffentlichkeit auf. „Granny“ heißt das gute Stück, das sich um Avecs Erfahrungen mit der Alzheimer-Erkrankung ihrer geliebten Oma dreht und über einen TV-Spot auf einem deutschen Privatsender bis zu Amadeus-Nominierungen für „Künstlerin des Jahres“, „Alternative“ und „FM4-Award“ führte. Dazwischen lag noch die EP „Heartbeats“ und einige Livekonzerte - doch Avec war plötzlich in aller Munde, auch wenn ihr zurückgelehnter Singer/Songwriter-Folk entgegen aller Businesstrends erklingt.

Trost im Schmerz
„Musik war immer nur ein Hobby für mich, ich wollte niemals ins Licht der Öffentlichkeit“, erzählt sie der „Krone“ bei einer Tasse Cappuccino in einem Wiener Hotelgarten, „sie war als Ventil dafür gedacht, dass ich Dinge verarbeiten und besser damit umgehen kann. Als dann alles so schnell ging, fiel es mir schwer, mit der Sache mitzuwachsen. Dass Songs von mir im Radio laufen oder ich mittlerweile auf Europatour bin, ist immer noch surreal.“ Ihre geliebte Oma ist mittlerweile leider verstorben, ihr Vermächtnis wird aber nicht nur durch die in Noten gegossene Liebeserklärung bestehen bleiben. Avec hat gelernt, mit dem Schmerz des Songs umzugehen und ihn trotzdem immer wieder live auf die Bühne zu bringen. „Mittlerweile finde ich es schön, wenn andere Leute mitsingen und selbst etwas in den Song interpretieren können. Für mich hat das im Endeffekt etwas Tröstliches.“

Mit dem im Oktober 2016 veröffentlichten Debütalbum „What If We Never Forget“ kam Avec in die heimischen Albumcharts, auf internationale Bühnen und brachte es erneut auf zwei Amadeus-Nominierungen. Durch die Rasanz des Erfolgs fühlte sich die heute 23-Jährige aber nicht immer wohl. „Wie das Leben so spielt ging es nicht permanent bergauf, das wäre auch vermessen. Gerade kreative Menschen erleben die Phasen, in denen es gerade nicht so gut läuft, noch viel intensiver. Andererseits wirst du dadurch aber wieder zum Schreiben angeregt - ein interessanter Kreislauf.“ Das Ergebnis dieses Kreislaufs lautet auf den Namen „Heaven/Hell“ und erblickte vor wenigen Tagen das Licht der Welt. Das so schwierige zweite Album, auf dem Avec sich bewusst vom Erfolgsrezept des Debüts löste, mehr elektronische Momente einfließen ließ, Platz für Uptempo-Songs schaffte, aber auch der Melancholie neue Facetten abgewinnen konnte. „Wir haben nichts kalkuliert, es war ein ständiger Prozess des Reifens und Wachsens. Ich bin jetzt quasi erwachsen geworden und diese Entwicklung hört man dem Album an.“

Grüne Liebe
Als größter Quell der Inspiration diente ihr ausgerechnet ein Land, das sie davor noch nie besuchte. Im beschaulichen Grün Irlands fand sie einerseits Produzent Tommy McLaughlin, andererseits die nötige Ruhe und Abgeschiedenheit, um nach den vielen Lorbeeren des Debüts in angebrachter Demut frisch ans Werk zu gehen. „Ich bin ja ohnehin der Typ für skandinavische Länder, aber Irland hatte ich gar nicht am Schirm. Als ich das erste Mal dort war, wusste ich aber gleich, ich müsste wiederkommen. Das nasskalte Wetter, das viele Grün und die Schafe sind perfekt für mich“, lacht sie, „ich könnte mir auf jeden Fall vorstellen, dort wieder zu schreiben, aufzunehmen und vielleicht sogar einmal zu leben.“ In der Gegenwart ging es Avec aber vorwiegend darum, die Ambivalenz ihrer Gefühlswelt in Songs zu gießen. „Heaven/Hell“ als titelgebende Metapher für die Achterbahnfahrt des Lebens und das ständige Pendeln zwischen guten und schlechten Tagen.

So erweist sich der Titelsong als schwermütige Elektro-Ballade, während eine Nummer wie „Over Now“ in fröhlicher Vergnügtheit neue Facetten der Künstlerin an die Oberfläche stülpt. „Ich bin kein Fan davon, meine Texte zu erklären. Jeder soll sich selbst seinen Reim daraus machen, das ist für die Hörer doch auch viel spannender. Ich gebe aber zu, dass die Tatsache, dass ich auf Englisch schreibe, für mich eine Art Schutzventil ist. Ich kann viele Dinge damit besser verstecken oder durch die Blume sagen, was mir in meiner Muttersprache womöglich zu intensiv wäre.“ Die erste Single „Love“ setzte sich bei FM4 schnell an die Spitze der Charts, besagtes „Over Now“ hört man gar auf Ö3. Der Sprung ins Formatradio war die nächste ungeplante Überraschung in Avecs Karriere. „Als ich das mitbekam, war ich ganz geflasht. Ich bin sehr dankbar für all das und wundere mich immer, was gerade alles passiert. Außerdem finde ich es per se sehr gut, dass sich der Sender immer mehr öffnet und österreichischen Künstlern so viele Chancen gibt.“

Nebenprojekte möglich
Im Gegensatz zu ihrer neuen Ausrichtung hört der deklarierte Taylor-Swift-Fans aus der Country-Phase im privaten Rahmen doch gediegenere Kost. „Die Lumineers faszinieren mich, Blues und Jazz im Allgemeinen auch. Am allerbesten fasst wohl Bon Iver meinen Musikgeschmack zusammen. Wer weiß? Vielleicht mache ich auch mal was mit Country“, fügt sie lachend hinzu, „aber unter dem Namen Avec geht sich das dann nicht ganz aus. Prinzipiell bin ich aber eine absolute Befürworterin, sich kreativ so weitläufig wie möglich austoben zu können.“

Was trotz des Erfolgs bleibt, ist die eigene Unsicherheit. Selbstzweifel, die auch hohe Chartplatzierungen und Award-Nominierungen nicht einfach so wegwischen können. „Als ich in manchen fremden Ländern das erste Mal spielte, war das schon hart. Prinzipiell bin ich unheimlich schüchtern und habe eher wenig Selbstvertrauen. Ich stehe auf der Bühne und will einfach nur meine Musik präsentieren. Es war nie mein Ziel im Mittelpunkt zu stehen, aber jetzt, wo es passiert ist, muss ich lernen, damit umzugehen.“ Mit jedem einzelnen Gig ziehen sich Nervosität und Lampenfieber zu einem gewissen Teil zurück. So ganz ohne will die Vollblutkünstlerin aber auch nicht sein. „Ein bisschen Adrenalin muss schon da sein. Würde man komplett cool und abgeklärt auf die Bühne gehen, wäre das doch auch etwas sonderbar.“

Von Vöcklabruck nach Texas
Gelegenheiten, die Angst noch weiter zurückzuschrauben, werden sich in nächster Zeit vermehrt geben, denn Avec wird mit „Heaven/Hell“ noch heuer und natürlich auch 2019 groß auf Tour gehen. Ab Ende Oktober tourt sie quer durch Österreich (u.a. kommt sie am 30. Oktober ins Wiener WUK und am 7. November ins Salzburger Rockhouse) und in angrenzenden Nachbarstaaten. Sämtliche Termine und auch alle Karten dafür finden Sie auf www.officialavec.com. Die nächsten großen Ziele stehen jedenfalls schon fest. „Ich würde gerne einmal in Texas beim kultigen ,South By Southwest Festival‘ auftreten oder generell in den USA spielen. Dort war ich bislang noch nie in meinem Leben. Ein Amadeus oder eine Nummer eins wären auch fantastisch“, lacht sie, „aber ich will nicht größenwahnsinnig wirken.“ Der Boden für weitere Erfolge ist mit „Heaven/Hell“ jedenfalls bereitet.

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