Afghanen festgenommen

Deutscher (22) stirbt nach Streit an Herzinfarkt

Ausland
09.09.2018 21:56

Während die ostdeutsche Stadt Chemnitz nach dem Tod eines 35-jährigen Deutschen nicht zur Ruhe kommt, sorgt jetzt zwei Wochen später der nächste Tod eines Deutschen für Schlagzeilen: In Sachsen-Anhalt hat ein Streit zwischen einer afghanischen Männergruppe und zwei Deutschen in der Nacht auf Sonntag tödlich geendet. Ein 22-Jähriger starb kurz nach der Auseinandersetzung im Krankenhaus - allerdings an einem Herzinfarkt, wie sich bei der Obduktion herausstellen sollte. Zwei Afghanen wurden festgenommen, es wird wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur war es in der Nacht auf Sonntag in der Ortschaft Köthen auf einem Spielplatz zu einem Streit zwischen mehreren Männern gekommen. Kurz darauf kamen der 22-Jährige und ein Begleiter dazu. Der Tote war den Informationen zufolge deutscher Staatsbürger. Politiker und Kirchenvertreter riefen nach Bekanntwerden des Falls zu Besonnenheit auf. Ein Trauermarsch, zu dem rechte Gruppierungen aufgerufen hatten, und eine Demonstration gegen rechte Hetze endeten am Abend ohne gröbere Zwischenfälle.

Streit um schwangere Frau als Auslöser für Schlägerei
Drei aus Afghanistan stammende Männer sollen mit einer Frau auf dem Spielplatz gewesen sein und darüber gestritten haben, wer die Frau geschwängert hat, hieß es weiter. Als dann die beiden Deutschen hinzugekommen seien, sei die Lage eskaliert. Es kam zu einer Schlägerei, in deren Folge der 22-Jährige so schwer verletzt wurde, dass er wenig später im Krankenhaus verstarb.

Hieß es in ersten Berichten noch, der Mann habe eine Hirnblutung erlitten, stand am Sonntagabend ein Herzstillstand als Todesursache fest. Demnach starb der 22-Jährige also nicht an den vermuteten Folgen von Schlägen oder Tritten, sondern wegen eines Herzinfarkts. Der junge Mann soll an einer Vorerkrankung des Herzens gelitten haben. „Nach dem vorläufigen, mündlich übermittelten Obduktionsergebnis ist der 22-jährige Köthener einem akuten Herzversagen erlegen, das nicht im direkten kausalen Zusammenhang mit den erlittenen Verletzungen steht“, teilte die Staatsanwaltschaft mit.

Zwei afghanische Staatsbürger wurden festgenommen. Die Staatsanwaltschaft erklärte dazu: „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt werden die Ermittlungen nunmehr wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung gegen den 18-jährigen Tatverdächtigen geführt. Gegen den 20-jährigen Tatverdächtigen wird wegen des Anfangsverdachts der Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt.“

„Bild“: Bruder des Opfers vorbestrafter Rechtsextremer
Über ein brisantes Detail berichtete die „Bild“: Den Angaben des Blatts zufolge sei das 22-jährige Opfer im Krankenhaus noch von seinem Bruder besucht worden. Den Recherchen zufolge soll es sich bei dem Bruder um einen „vorbestraften rechtsextremen Intensivtäter“ handeln. Er dürfte Medienberichten zufolge auch der zweite Deutsche am Tatort gewesen sein. Mit Blick auf die anhaltenden Proteste in Chemnitz gibt der neue Todesfall jedenfalls Grund zur Sorge vor weiteren Unruhen.

In den sozialen Netzwerken gab es neben zahlreichen Trauerbekundungen für den verstorbenen 22-Jährigen auch erste Reaktionen von Rechtsextremen. Auf Twitter etwa äußerte sich der ehemalige Kader der verbotenen FAP (Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei), Dieter Riefling, und rief zu einem Trauermarsch und „Widerstand“ in Köthen am Sonntagabend nach Chemnitzer Vorbild auf. Und auch auf Facebook riefen rechte Gruppierungen zu einem Trauermarsch in der Ortschaft auf, wie das Nachrichtenportal watson.de berichtete.

Am Sonntag fand in Dessau-Roßlau - ganz in der Nähe des Tatorts - der Landesparteitag der AfD statt. Am Rande des Parteitags war der tödliche Streit bereits Thema, wie die „Mitteldeutsche Zeitung“ berichtete. Der Köthener AfD-Abgeordnete Hannes Loth rief zur Besonnenheit auf. „Wir drücken aber schon jetzt den Angehörigen unser tiefes Mitgefühl aus. Sollte es zu einem Trauermarsch kommen, würde man darauf achten, „dass es ein Trauermarsch wird, keine politische Kundgebung“, betonte Loth.

Innenminister bittet um „Besonnenheit“
Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) sagte, er bedauere den Todesfall zutiefst und habe „vollstes Verständnis für die Betroffenheit unserer Bürgerinnen und Bürger“.

Dennoch bitte er um „Besonnenheit“, erklärte Stahlknecht und kündigte an, man werde „alle Mittel des Staates konsequent einsetzen“.

Auch der Präsident der Evangelischen Landeskirche Anhalts, Joachim Liebig, rief zur Besonnenheit auf. „Jede politische Instrumentalisierung ist abzulehnen und würde zu einer Eskalation führen, die schreckliche Folgen haben könnte“, erklärte Liebig. Die Landeskirche Anhalts und die Köthener Kirchengemeinden luden für Sonntagnachmittag zu einer Trauerandacht in die Kirche St. Jakob ein.

Angespannte Stimmung, Polizei schickt Hundertschaften
Aus Sorge vor Unruhen nach dem Tod des jungen Deutschen ergriffen die Behörden noch am Sonntag entsprechende Maßnahmen: Mehrere Hundertschaften der Polizei trafen in Köthen ein. Weitere Einsatzkräfte wurden in Alarmbereitschaft versetzt. Auch zwei Wasserwerfer waren als Vorsichtsmaßnahme angefordert worden.

Letztlich beteiligten sich dann laut dem Innenministerium Sachsen-Anhalts rund 2500 Menschen - weitaus mehr als zunächst geschätzt - an einem Trauermarsch, zu dem rechte Gruppierungen aufgerufen hatten. Die Teilnehmer zogen nach Augenzeugenberichten schweigend und ohne Transparente oder Spruchbänder durch die Straße in Richtung eines Spielplatzes, wo sich der Streit ereignet hatte.

Zwischenzeitlich wurde der Ton bei dem Trauermarsch aggressiver. „Dies ist ein Tag der Trauer. Aber wir werden die Trauer in Wut verwandeln“, sagte ein Redner dem Spielplatz. „Widerstand“, „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ und „Wir sind das Volk“ erschallte es aus dem Kreis der rund 500 Menschen. Andere skandierten „Lügenpresse“. Als ein Beobachter die Szenerie mit einem Handy filmte, wurde er geschubst, die Polizei griff schnell ein. Mehrere Teilnehmer betonten, dass sich nicht nur Rechte zu dem Marsch versammelt hätten.

Zuvor hatten rund 50 Menschen gegen rechte Hetze demonstriert. Sie waren dem Aufruf der Linken-Politikerin Henriette Quade gefolgt und hatten sich am Bahnhof der Stadt versammelt. „Wo sich der Mob formiert, funken wir dazwischen“, war auf Spruchbändern zu lesen.

In Chemnitz war vor zwei Wochen ein 35-jähriger Deutscher mit kubanischen Wurzeln getötet worden. Zwei junge Männer sitzen inzwischen in Untersuchungshaft. Sie stammen nach eigenen Angaben aus Syrien und dem Irak. Ein weiterer Verdächtiger wird gesucht. Seither gibt es in Chemnitz immer wieder fremdenfeindliche und teils aggressive Proteste. Tausende Menschen demonstrieren seither aber auch gegen rechte Hetze und für Toleranz.

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