Für „Untersteiermark“

Bewaffnete Bürgerwehr formiert sich in Slowenien

Ausland
04.09.2018 09:44

In Slowenien sorgen derzeit vermummte Männer, die mit Gewehr oder Axt bewaffnet sind, für Aufsehen. In der ehemaligen Untersteiermark hat sich eine Bürgerwehr gebildet, die sich unter anderem dem Grenzschutz verschrieben hat. Die Polizei ermittelt wegen mehrerer Straftaten gegen die Gruppe, die für sich mit „steirischem Recht“ ein „paralleles Rechtsystem“ eingeführt hat.

Kurz vor dem Antritt der neuen Mitte-links-Regierung sorgen Bilder und Videos der rechtsextremen, bewaffneten Bürgerwehr aus der nordöstlichen Region Stajerska, der ehemaligen Untersteiermark, in sozialen Netzen für Aufsehen. Nach den Worten ihres Anführers Andrej Sisko zählt die „Stajerska varda“ (Steirische Wacht) mehrere Hundert Mitglieder und soll unter anderem für Grenzschutz sorgen.

Die Mitglieder der Bürgerwehr tragen Tarnkappen und sind unter anderem mit Äxten bewaffnet. Ihre Aufgabe sei der Schutz des „Landes“ Stajerska, das im Juni des Vorjahres gegründet worden sei. „Es handelt sich um ein paralleles Rechtssystem, das steirische Recht, das keine unmittelbaren Verbindungen mit der Republik Slowenien hat und auch nicht im Gegensatz zu ihrer Rechtsordnung steht“, erläuterte der Chef der rechtsextremen Splitterpartei Vereinigtes Slowenien.

Bürgerwehr-Anführer: „Tragen von Waffen ist Menschenrecht“
Weil jedes Land auch seine Verteidigungskräfte haben müsse, habe man die „Stajerska varda“ gegründet, sagte Sisko. Eine Erlaubnis zum Tragen von Waffen benötigen ihre Mitglieder nicht, denn: „Das Tragen von Waffen ist ein grundlegendes Menschenrecht.“ Zugleich distanzierte er sich von einem Aufruf zum Sturm des slowenischen Parlaments, der auf den Bildern des Aufmarsches zu sehen war. „Wir haben damit nichts zu tun“, sprach Sisko von einer Provokation. Auf dem Bild war zu lesen: „Es reicht uns. Wir nehmen das Parlament ein. Protest gegen die Regierung, die Slowenien in Venezuela verwandeln wird.“

Der rechtsextreme Politiker hatte im vergangenen Oktober bei der Präsidentenwahl für Aufsehen gesorgt. Mit islamfeindlichen Parolen holte er 2,2 Prozent der Stimmen und überholte damit unter anderem die Bewerberin der damaligen liberalen Regierungspartei SMC. In der strukturschwachen Grenzregion zur Steiermark erreichte Sisko in mehreren Wahlkreisen zwischen fünf und sechs Prozent.

Präsident Pahor: „Völlig inakzeptabel“
Staatspräsident Borut Pahor bezeichnete die Vorgänge am Montag in einer ersten Reaktion als „völlig inakzeptabel“ und forderte die Behörden zum Eingreifen auf. Ähnlich äußerte sich der scheidende Regierungschef Miro Cerar. „Slowenien ist eines der sichersten Länder der Welt. Die zuständigen Stellen sind bereits informiert, und wir erwarten, dass sie entsprechend gegen die Verantwortlichen vorgehen werden“, betonte Cerar, der Außenminister in der künftigen Regierung sein soll.

Die slowenische Polizei teilte am Montagabend mit, dass sie wegen „mehrerer strafrechtlicher Delikte“ ermittle, etwa wegen öffentlichen Aufrufs zu Hass und Gewalt, unerlaubten Waffenhandels und Verstößen gegen die Souveränität Sloweniens und ihre demokratische Ordnung.

Experte warnt vor „Recht der Straße und des Mobs“
Besorgt zeigten sich auch Experten. Slowenien sei nicht mehr immun gegen verschiedene Formen von Radikalisierung, betonte der Sicherheitsexperte Iztok Prezelj. „Wenn mit Äxten bewaffnete Jugendliche damit beginnen, Regeln aufzustellen und eine Ordnung aufzudrängen, landen wir beim Recht der Straße und des Mobs“, warnte sein Kollege Ales Bucar Rucman. Wohin das führe, habe man in den 1930er-Jahren in Deutschland gesehen.

Slowenische Politik in der Dauerkrise
Die slowenische Politik befindet sich in einer Dauerkrise, nachdem bei fünf Parlamentswahlen in Folge die jeweiligen Regierungschefs abgewählt wurden. Auch dem neuen Regierungschef Marjan Sarec werden nur wenig Erfolgschancen gegeben. Der Mitte August von Parlament gewählte bisherige Lokalpolitiker steht an der Spitze einer wackeligen Minderheitsregierung aus fünf liberalen und linken Parteien. Der Anti-Establishment-Politiker kam bei der Regierungsbildung zum Zug, weil der konservative Wahlsieger Janez Jansa von einer Mehrheit im Parlament boykottiert wird.

Jansa ist wegen seines Liebäugelns mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban umstritten. Der Ex-Premier schloss sich am Montag auch nicht der scharfen Kritik an Siskos Bürgerwehr an. Stattdessen bemühte er eine Verschwörungstheorie. Es handle sich vielmehr um „einen schon mehrmals wiederholten Trick des tiefen Staates“, bei dem „alle“, vom Präsidenten bis zu den „Mainstream-Medien“, mitspielten, schrieb Jansa auf Twitter in Anspielung auf die angeblichen linksliberalen Machtstrukturen, die ihn von der Macht fernhalten wollen.

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