Dallas lässt grüßen

“Tetro”: Francis Ford Coppola in Telenovela-Laune

Kino
16.12.2009 16:15
Das hätte sich Bennie wohl anders vorgestellt, als er auf einem Touristenboot angeheuert hat, um in Buenos Aires seinen vor Jahren verschwundenen Bruder Tetro (Vincent Gallo) zu finden. Denn der will lieber schlafen, als mit dem Teenager zu reden. Und knallt recht unfreundlich die Tür zu. Auch in Folge kommt in der Künstler-Familie alles anders als gedacht.

Regie-Legende Francis Ford Coppola hat sich in "Tetro", in dem Klaus Maria Brandauer eine Doppelrolle als verkrachtes Dirigenten-Brüderpaar spielt, Südamerika nicht nur als Schauplatz gewählt - sondern sich auch stark von den dortigen Fernseh-Familien-Sagas, den Telenovelas, beeinflussen lassen.

Mit seinem Spätwerk "Tetro", das heuer die Schiene "Festival Quinzaine des Realisateurs" in Cannes eröffnete, hat der große Coppola dezidiertes Independent-Feeling gesucht: schwarz-weiß gedreht, mit ruhigen Bildern, einer bizarren Personage. Und einer Handlung, die genau jene Mischung an voyeuristischer Faszination am Familienzwist und antiker Tragödie hat, die in den Telenovelas das Publikum vor den Fernsehern bannt. Ödipus lässt ebenso grüßen wie Dallas. Und ein Ende ist nicht in Sicht - Telenovelas laufen jahrelang, und Coppola hat in "Tetro" gezeigt, dass sich familiäre Gewaltmuster von Generation zu Generation fortpflanzen.

Tetro hat sich von seinem übermächtigen Vater, einem so weltberühmten wie machtversessenen Dirigenten, losgesagt und ist nach Südamerika gegangen. Er hat sich von seiner Familie "geschieden", keift er Bennie an. Doch Entkommen gibt es keines vor jenen inneren Wunden, die die Familie ihm geschlagen hat. Und von deren Zusammenhängen der kleine Bennie (Alden Ehrenreich) erst nach und nach eine Ahnung bekommt.

Autor will Tetro werden. Aber sein Vater Carlo Tetrocini hat nicht nur seinen Bruder Alfie an der künstlerischen Karriere gehindert, auch dem Sohn wird der eigene Weg verwehrt. "Es kann nur ein Genie in der Familie geben", sagt Carlo, und meint damit sich selbst.

Das sagt "Krone"-Kinoexpertin Christina Krisch zum Film: Beeinflusst von "Hoffmanns Erzählungen" und der eigenen familiären Saga, mischt Regisseur Francis Ford Coppola Rückblenden und barocke Traumsequenzen und skizziert kammerspielartig sein abgründiges Familiendrama gleich einer großen griechischen Tragödie, flicht Neurosen statt Lorbeerkränze und lässt das problematisch-verwandtschaftliche Gefüge wie einen Geysir vor einer atemberaubenden patagonischen Landschaft eruptieren. Interessant auch die Bildästhetik, die zwischen SW und Farbe wechselt.

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