Das große Interview

War der Knicks vor Putin gescheit, Frau Kneissl?

Österreich
26.08.2018 15:45

Eine Woche nach ihrer aufsehenerregenden Hochzeit in der Südsteiermark spricht Außenministerin Karin Kneissl mit Conny Bischofberger über Diplomatie und Etikette, den Tanz mit Wladimir Putin (siehe Video oben) und die Vorwürfe der Nähe des neutralen Österreich zu Russland.

Gnadenwald, ein kleines Örtchen am Fuße des Tiroler Karwendels, über dem am Samstagmorgen dichte Nebelschwaden liegen. Boxer „Winston“ hat den Besuch schon von Weitem gewittert und führt uns freudig wedelnd zum Knusperhäusl, in dem Karin Kneissl und ihr Ehemann Wolfgang Meilinger den letzten Tag ihrer Flitterwoche verbringen. „Wie Hänsel und Gretel“, lacht die Außenministerin und zeigt auf das kleine Gästehaus. In der warmen Stube ist ein Frühstückstisch gedeckt. Das Geschirr, der Herrgottswinkel, der Tiroler Adler auf den Vorhängen, die verzierten Kissen und die Kerzen, das alles erinnere sie sehr an ihre Kindheit, sagt die von der FPÖ nominierte, parteiunabhängige Politikerin: „Ich bin ja eine halbe Tirolerin. Hier, im Haus der Familie Schwind, habe ich so viele schöne Sommer verbracht.“

Beim „Krone“-Interview sitzt Karin Kneissl - sie hat trotz Heirat ihren Namen behalten - in einem Trachtensakko unter genau diesem Herrgottswinkel, neben ihr „Wolfi“, der sich augenzwinkernd als „Knecht und Kellner“ vorgestellt hat, ihr zu Füßen die beiden Hunde „Winston“ (Churchill) und „Jacky“ (Kennedy), die schon bald einschlafen und kräftig schnarchen.

„Krone“: Frau Minister, Ihr prominenter Hochzeitsgast Wladimir Putin hat weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Motto: Gut für den österreichischen Fremdenverkehr, schlecht für die Reputation des Landes. Hätten Sie sich nicht denken können, dass Sie dafür hart kritisiert werden?
Karin Kneissl: Nein, denn am 5. Juni, den ich mit dem russischen Staatspräsidenten verbracht hatte, kamen die Hochzeitseinladungen gerade frisch aus der Druckerei. Und nachdem mir der russische Außenminister Sergej Lawrow versichert hatte, dass der Präsident sehr interessiert an meinen politischen Einschätzungen sei - wir haben des Öfteren über den Nahen Osten diskutiert - habe ich mir spontan gedacht, ich frage den russischen Botschafter bei der Abendveranstaltung, ob es ihm Recht sei, wenn ich Putin eine Einladung überreiche. Das geschah in meiner Freude über die bevorstehende Hochzeit, ich wollte diese Freude einfach spontan teilen. Ich hatte an diesem Tag auch dem Bundeskanzler und dem Bundespräsidenten sowie ein paar Kollegen eine Einladung überreicht.

Wie hat Putin reagiert?
Mein Mann war bei dem Abendtermin dabei, also bin ich mit Wolfgang zu ihm hingegangen und habe gesagt: „Herr Präsident, darf ich Ihnen meinen Verlobten Wolfgang vorstellen. Wir sind beide über 50 und wir heiraten zum ersten Mal.“ Putin, der ja sehr gut Deutsch spricht, schmunzelte, schaute den Wolfi an und sagte zu ihm: „Das ist eine interessante Frau. Und Sie sind ein mutiger Mann!“ - Lacht. - Wolfgang zitiert diesen Satz bis heute. Ich hatte in keiner Weise damit gerechnet, dass Putin meine Einladung annehmen würde.

Als seine Zusage kam, war Ihnen da klar, was auf Sie zukommt?
Ab dem Zeitpunkt mussten wir für eine rein privat organisierte Hochzeit mehrere Stellen einbinden, insbesondere im Sicherheitsbereich. Da war mir klar, dass natürlich das Interesse da sein würde. Deshalb war ich sehr erleichtert, dass es bis zum 15. August keinerlei Berichterstattung gab. Ich wollte diese private Feier nie mit dem Politischen vermischen oder die Hochzeit in irgendeiner Form medial verwerten. Aber natürlich weiß ich, dass das in der Wahrnehmung sehr wohl vermischt wurde.

Verwertet hat die Hochzeit aber Putin. Die „New York Times“ schrieb: „The bride was a dream in a Dirndl, but Putin stole the show - die Braut war ein Traum im Dirndl, aber Putin stahl ihr die Show“.
Natürlich war die Aufmerksamkeit vieler dann vor allem auf den Gast gerichtet, aber trotzdem ist es UNSERE Hochzeit geblieben. Wladimir Putin war für rund 70 Minuten dabei, war sehr entspannt, hat sich mitgefreut, mitgelacht, ihm hat die schöne Landschaft rund um Gamlitz unendlich gefallen. Aber wir haben vor seinem Besuch auch gefeiert und wir haben nachher weitergefeiert. Es war und bleibt trotz allem eine private Feier.

Aber eine Außenministerin ist immer Außenministerin. Besonders, wenn sie solche Gäste empfängt. Stimmen Sie mir da nicht zu?
Schon. Aber auch eine Außenministerin hat einen minimalen Anspruch auf Privatsphäre, so wie jeder Politiker. Egal, ob er im Krankenhaus liegt, wie mir das heuer auch schon passiert ist, und in Ruhe gelassen werden will, oder ob ich, Karin Kneissl, einen Freudentag erlebe. Diesen Anspruch reklamiere ich sehr wohl für mich.

Ein Bild von diesem Freudentag wird bleiben, nämlich Ihre tiefe Verbeugung beim Walzer mit Putin. War dieser Hofknicks gescheit?
Den Eröffnungswalzer habe ich mit Wolfgang getanzt, und am Ende habe ich mit Wladimir Putin noch ein paar Minuten getanzt. Er hat sich vor mir verbeugt und ich habe diese Verbeugung mit einem Knicks beantwortet. Ich sehe es nicht als Hofknicks, sondern als schöne Tradition, die wir in unserer Tanzkultur aufgebaut und auch erhalten haben.

Ihre Kritiker sehen es als Kniefall vor Russland und das zu einer Zeit, in der Österreich die EU-Ratspräsidentschaft innehat.
Mit einem Kniefall hat das schon gar nichts zu tun. Dass ich mich niemandem unterwerfe, davon weiß der Wolfgang ein Lied zu singen. Da bin ich ein sturer Steinbock. -  Heftiges Nicken ihres Ehemanns. - Auch Dr. Dipl.-Kfm. Schäfer-Elmayer hat es so kommentiert, nämlich als Zeichen von gutem Benehmen. Ich habe es als spontane Reaktion am Ende eines Walzers erlebt.

Als Journalistin wissen Sie aber bestimmt, welche Macht Bilder haben …
Es gibt von mir aber auch viele andere Bilder. Man verbindet mich vielleicht mit zwei Boxerhunden, man verbindet mich mit meinem Bauernhof, man verbindet mich mit meinen politischen Analysen, man schätzt, dass ich mich lange mit dem Nahen Osten beschäftigt habe. Und es wird von mir hoffentlich, wenn das Leben es erlaubt, noch andere Bilder geben. Und daher ist die Sichtweise auf diese Feier eine vielfältige. Viele Gastronomen haben mir gesagt, dass ich der österreichischen Fremdenverkehrswirtschaft einen großartigen Dienst erwiesen hätte. Trotzdem war es nie meine Absicht, mit meiner Hochzeit Tourismuswerbung zu machen, aber man könnte aufgrund der massiven Berichterstattung vielleicht von einer Umwegrentabilität sprechen.

Die Ukraine ließ ausrichten, Österreich könne jetzt kein neutraler Vermittler mehr im Ukraine-Konflikt sein. Stimmt Sie das nicht nachdenklich?
Wir haben in der Ukraine auch in der Vergangenheit nicht vermittelt. Ob es eine zukünftige Anfrage gibt, wird man sehen. Über die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, deren Vorsitz wir im Vorjahr hatten, haben jedoch viele Mitarbeiter, teilweise sekundiert an die OSZE, im Hintergrund sehr, sehr gute Präventivdiplomatie geleistet, das heißt, Konfliktmanagement betrieben. Man ist aber an uns nie mit der Anfrage herangetreten: „Vermittelt jetzt!“

Wird das nach Putins Besuch nicht erst recht nicht mehr passieren?
Schauen Sie, ich habe meinen Außenministerkollegen Pawlo Klimkin in den letzten Monaten dreimal getroffen, wir haben wirklich ein gutes Verhältnis aufgebaut. Er ist übrigens auch ein Liebhaber russischsprachiger Literatur und hat mir ein altes Bulgakow-Werk geschickt. Diplomatie bedeutet für mich, eine Amtosphäre zu schaffen, in der wir uns über schwierige Themen unterhalten können. Gerade in so verfahrenen Situationen wie in der Ukraine. Auch in der Türkei ist mir das gelungen.

Zwei Dinge haben viele geärgert. Erstens, dass nur der Staatssender Russia Today auf Ihrer Hochzeit filmen durfte und zweitens, dass der Steuerzahler für die enormen Sicherheitskosten aufkommen muss.
Aber „Russia Today“ war gar nicht dort. Da wurde auch nichts in Auftrag gegeben. Es gab überhaupt keine Akkreditierungen. Da sind offenbar private Videos, auch Handyvideos, rausgegangen. Was die Kosten der Hochzeit betrifft: Die Ordnungskräfte, die von einer privaten Sicherheitsfirma gestellt wurden, haben wir selbst bezahlt. Die Kosten für den Besuch von Wladimir Putin trägt der Staat, weil das eine völkerrechtliche Verpflichtung ist. Wenn Putin zum Skifahren nach Vorarlberg kommt, dann muss genauso für seine Sicherheit gesorgt werden. Der frühere deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl hat jeden Sommer wochenlang in Sankt Gilgen verbracht und musste entsprechend geschützt werden. Auch jede Botschaft und jede internationale Organisation wird besichert und kostet. Dazu ist Österreich verpflichtet.

Auf krone.at schrieb ein User: Warum hat sie nicht auch jemanden aus Amerika eingeladen, dann wäre die Hochzeit ein Weltgipfel geworden…
Ja, das ist eine an sich eine gute Idee. Ich habe allerdings meinen britischen Kollegen Jeremy Hunt informiert und ihm geschrieben, dass ich mich freuen würde, wenn er vorbeikommt. Er hat uns alles Gute gewünscht und gratuliert.

Apropos Amerika: Werden Sie sich den USA jetzt neu annähern?
Wenn Sie so wollen … Ich habe in zwei Wochen ein Treffen mit US-Außenminister Mike Pompeo und unsere Außenpolitik ist sehr wohl auf ein Vertrauensverhältnis zu den USA ausgerichtet. Ich bin jetzt seit acht Monaten im Amt und wir hatten von Anbeginn auch einen Besuch in Washington im Auge. Das hat sich aus verschiedensten Gründen nicht ergeben, unter anderem ist Rex Tillerson im März aus der US-Regierung ausgeschieden. Dann war ein kleines Vakuum, dann kam Pompeo, der hatte viel zu tun. Aber jetzt klappt es, am Rande der UNO-Vollversammlung.

Glauben Sie, dass das Treffen nach Putins Besuch in irgendeiner Weise beschattet sein wird?
Nein, überhaupt nicht. Auch mit dem US-Botschafter in Österreich, der seit Mai da ist, habe ich ein sehr nettes, persönliches Verhältnis aufgebaut. Er hat uns ein sehr kreatives Hochzeitsgeschenk zukommen lassen. Trevor Traina weiß, dass einer meiner Lieblingsfilme „Der Pate“ ist, von Francis Ford Coppola. Er hat mir deshalb eine DVD des Films mit einer persönlichen Widmung von Coppola geschenkt. Ich halte Coppola für einen der besten Regisseure.

Wie ist die österreichische Position im Syrien-Konflikt? Dort spielt Putin ja auch eine große Rolle.
Ich werde am 30. September für zwei Tage in den Libanon reisen. Ich bin in Jordanien aufgewachsen, aber Beirut war in der Familie immer ein Sehnsuchtsort. Es waren bei meiner Hochzeit ja auch Freunde aus Teheran, aus Washington, und eben aus Beirut. Zum Syrien-Konflikt: Wir haben von Anbeginn die Vermittlungsbemühungen der UNO unterstützt. Als Kofi Annan das Handtuch warf, habe ich mir gedacht: Hhm, also, wenn er nicht mehr an eine Vermittlungslösung glaubt, wie wird es dann weitergehen? Und dann ist dieser Krieg immer mehr in eine Sackgasse geraten. Staffan de Mistura, der vor einigen Jahren diese Mission aufgenommen hat - ich kenne Staffan aus dem Libanon auch, er war dort auch einmal für die UNO tätig - hatte ich nach Salzburg zu den Festspielen eingeladen und wir haben uns in diesen zwei Tagen intensiv über die Möglichkeiten unterhalten: Wie geht es weiter in Syrien, in welche Richtung entwickelt es sich? Und Russland ist ein wesentlicher Akteur in Syrien und das hat sich mittlerweile auch in einigen europäischen Staatskanzleien herumgesprochen. Wir müssen mit Russland, gerade was die Rückkehr der Flüchtlinge aus den Nachbarstaaten Libanon und Jordanien anbelangt, ins Gespräch kommen, und da ist es ganz entscheidend, dass wir uns nicht vor vollendete Tatsachen stellen lassen, von welcher Seite auch immer. Unser Interesse muss es sein, mit sämtlichen Vertretern in diesem Konflikt in Kontakt zu bleiben.

Frau Minister, der „Standard“ hat in einem Porträt einen anonymen Beamten des Außenministeriums zitiert, der Sie als „Perlhuhn“ beschrieben hat. Ärgert Sie das noch?
Ich fand diesen Artikel mehr als untergriffig, aber ich habe mir gedacht, der Autor und die zitierten Personen richten sich selbst, ich fand es nur armselig. Und es war ein so ein schöner Samstag, als das erschienen ist, vorher ging es mir gesundheitlich nicht so gut und ich war an diesem Tag einfach nur froh, dass es mir wieder gut geht, dass zu Hause alles stimmt, dass wir auf eine nette Hunderunde gehen, dass wir uns ein nettes Mittagessen in einem Gastgarten gönnen können. Das ist das Leben! - Berührt Wolfgangs Hand. - Jedem sei seine Meinungsfreiheit unbenommen, und ich habe mich ja auch oft der spitzen Feder bedient, aber das war schlechter Stil.

Stimmt es, dass Sie Unangenehmes gut wegstecken können?
Ich habe schon sehr früh gelernt, Dinge nicht persönlich zu nehmen, denn sonst würde man sich im Grübeln verlieren. Als ich Arabisch und Hebräisch gelernt habe, wurde ich irrsinnig attackiert. So unter dem Motto: Man muss sich schon entscheiden, auf welcher Seite man steht! Ich habe in Israel studiert, als Waldheim gerade gewählt wurde. Da gab es täglich Kontroversen, durch die ich mich durchargumentiert habe. Man hat immer wieder versucht, mich in eine Schublade zu stecken. Ist sie antiisraelisch? Ist sie proarabisch?

Oder prorussisch?
Genau. Diese Debatte um meine Person kenne ich seit 30 Jahren. Ich bleibe trotzdem ein Freigeist.

Wie und wann hat Wolfgang Meilinger eigentlich Ihr Herz erobert?
Mein Mann ist in seinem Leben nur ein einziges Mal U-Bahn gefahren, und zwar am 25. Mai 2008, da gab es einen riesigen Stau. Ich kam an diesem Tag gerade aus Paris und bin mit meinen zwei Koffern in die U 3 eingestiegen. Er hat angeboten, mir beim Tragen zu helfen. Ich dachte: Oh, ein Gentleman! Und: Ja, ich lasse mir sehr gerne helfen! Es war, was man „coup de foudre“ - Liebe auf den ersten Blick - nennt.

Wer hat dann wen angerufen?
Er mich. Wir gingen im Schotterteich schwimmen. Aber dann haben wir uns viele Jahre nicht gesehen. Erst vor zwei Jahren sind wir einander wieder näher gekommen.

War Ihre Hochzeitsreise nicht etwas kurz?
Drei Tage Opatija. Aber es war wunderschön, endlich wieder das Meer zu riechen. Wolfgangs Eltern waren 50 Jahre lang in Opatija und wir haben jene Terrasse besucht, wo sie einst zu Lamourhatschern getanzt haben.

Am Schluss ergreift Wolfgang Meilinger das Wort: „Und in dieser kurzen Zeit hat sie auch jeden Tag mehrere Stunden telefoniert.“ Er lacht und zitiert Putin: „Ich bin ein mutiger Mann!“

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