Neues Album „Marauder“

Indie-Band Interpol findet zu alten Stärken zurück

Musik
24.08.2018 07:00

Back To The Roots - im Zuge der Produktion ihres neuen Albums „Marauder“ wurde die etablierte Indie-Band Interpol sogar aus ihrem Proberaum geworfen - was aber nichts an der Tatsache ändern, dass Daniel Banks und Co. sich nach einer Zeit des Experimentierens nun wieder gefunden haben. Das sechste Studioalbum ist eine Rückbesinnung auf alte Stärken.

(Bild: kmm)

„Marauder“, also Plünderer, haben Interpol ihr neues Werk betitelt. Eine insofern stimmige Angelegenheit, als die seit einigen Jahren als Trio aktive Band für die darauf enthaltenen Songs alte Tugenden ebenso heranzieht, wie neue Sounds zugelassen werden. „Die Songs haben eine ganz natürliche Lebendigkeit“, fasst es Gitarrist Daniel Kessler zusammen. Dieser Feststellung kann man nur zustimmen.

Back To Indie
Denn schon der Opener „If You Really Love Nothing“ bezirzt nicht nur mit seiner für die US-Gruppe typischen Melancholie, sondern auch einem deutlich eckigeren und kantigeren Klang, als man es zuletzt von Sänger Paul Banks, Drummer Sam Fogarino und eben Kessler gewohnt war. Nach dem hochgelobten Karrierestart Anfang der 2000er, verloren sich Interpol zuletzt etwas in ihrem selbst gezimmerten Raum: Indie, der zwar unterkühlt aus den Boxen strömt, aber Coolness eher aufgesetzt versteht. Damit ist nun wieder Schluss.

Vielleicht hatten ja auch die Proben einen Einfluss auf das neue, alte Stärken wiederbelebende Klangbild: „Wir haben in New York geprobt. Dort ist immer viel los, du hörst die anderen Bands gewissermaßen durch die Wände“, erzählt Kessler. „Gleichzeitig darfst du dich davon nicht ablenken lassen.“ Und schon gar nicht von der Polizei. Die stand nämlich auf der Matte, als sich ein Nachbar zum wiederholten Mal über „den Lärm“ beschwerte. „Es war der Proberaum der Yeah Yeah Yeahs, und offenbar gab es da schon länger Probleme“, schmunzelte Kessler. „Wie es der Zufall wollte, hat es dann leider uns getroffen, und wir wurden rausgeworfen.“

Ausreichend Ideen
Eine feine Anekdote, die man sich vielleicht von einer jungen, aufstrebenden Band erwartet, aber nicht von einem etablierten Kaliber wie Interpol. Und dennoch passt es ins Bild, dass die seit dem Vorgänger „El Pintor“ als Trio agierende Formation - Bassist Carlos Dengler war zuvor ausgestiegen - ein neues Feuer entfacht hat. „Wir wussten nach ‘El Pintor‘, dass wir es zu dritt schaffen können. Mit diesem Wissen im Rücken war jetzt vieles einfacher. Selbstbewusstsein ist vielleicht der falsche Begriff, aber wir hatten jedenfalls ein Modell, das funktioniert. Außerdem gab es einfach genug Ideen im Raum.“

Eine davon resultierte beispielsweise in der tollen ersten Single „The Rover“, ein kurzer und knackiger Rocksong. Oder das zunächst sperrig wirkende „Stay In Touch“, ein sich vorsichtig aufbauendes Ungetüm, das in das atmosphärische „Interlude 1“ überführt. Auch „Number 10“ kann als - erraten - zehnter Song mit eigenwilligem Einstieg und darauf folgende Eingängigkeit auf ganzer Linie punkten. „In einer Band hast du eine bestimmte Unvorhersehbarkeit. Durch Diskussionen entstehen Reibungen, die dich weiterbringen“, spricht Kessler den Entstehungsprozess an. „Kommst du auf einen gemeinsamen Nenner, dann wird das Endresultat dadurch interessanter. Im besten Fall teilen sich die Wolken, und du erkennst, wohin du die ganze Zeit wolltest.“

Hole In One
Der Gitarrist vergleicht das Songwriting dabei mit einem Hole in one - sofern es klappt. „Das ist zwar nicht immer der Fall, aber du näherst dich dem an. Hoffentlich ist das Ergebnis die Reise jedenfalls wert“, lachte der Musiker. War das bei „Marauder“ oft der Fall? „Wir hatten jedenfalls eine gute Chemie. Oft hatten wir ein ähnliches Gefühl und konnten uns gegenseitig inspirieren, sahen etwas in den Ideen des jeweils anderen. Wir waren auf derselben Seite und konnten unsere Stärken nochmals unterstreichen.“ Understatement kann er also auch, der fingerfertige Gitarrist von Interpol. Aber es muss ja nicht immer alles im kleinen Kreis ausverhandelt werden.

Immerhin holten sich Interpol erstmals seit „Our Love To Admire“ (2007) wieder Hilfe von außen: Produzent Dave Fridmann saß an den Reglern und war auch mitverantwortlich dafür, dass das Trio direkt auf Band aufgenommen hat. „Für uns war klar, dass die Songs unruhig und roh bleiben sollten. Das muss er gemocht haben“, überlegt Kessler. „Den Großteil haben wir also ganz analog aufgenommen, kaum Pro-Tools verwendet und meist auf die ersten Takes gesetzt. Es ist ja beinahe unorthodox, heute auf diese Weise zu arbeiten. Aber das Gefühl hat gestimmt.“

Zu viele Möglichkeiten
Harte Studioarbeit, langwierige Tourneen, das Leben in der Öffentlichkeit: Trotz der Nebengeräusche, die eine Musikkarriere mit sich bringt, wirkt der 43-Jährige ziemlich gelassen. Welche Rolle Musik für ihn persönlich einnimmt, habe sich dabei kaum verändert. „Sie ist immer da, jeden Tag. Ich sitze am Klavier, habe die Gitarre in der Hand und schaue, was passiert. Es ist beinahe wie eine Sucht.“ Anders sieht es wiederum mit dem Konsum aus. „So, wie das heutzutage abläuft, verwirrt es mich ganz schön“, lacht Kessler. „All diese Optionen, dieses Angebot, das auf dich einprasselt. Da müsstest du viel Zeit investieren, um auf dem Laufenden zu bleiben.“ Und da hat er offenbar besseres zu tun. Wenn dabei „Marauder“ herauskommt, soll es uns recht sein.

APA/Christoph Griessner

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