Festspielinterview:

Hanna Schwarz: Die Sucht und Lust am Leiden

Salzburg
19.08.2018 08:06

Hanna Schwarz ist die herausragende Gräfin in Tschaikowskis „Pique Dame“: Die deutsche Sängerin über die Produktion, Außenseitertum und Salzburg

Frau Schwarz, Tschaikowskis Oper „Pique Dame“, in der Sie die Gräfin geben, wird als Gesamtkunstwerk und Schmuckstück des Festspielsommers gefeiert. Wie geht es Ihnen nach so einem großartigen Erfolg?
Hanna Schwarz: Sehr gut, zudem ich jetzt dazu komme Salzburg mit seinem herausragenden Kulturangebot zu genießen, und mir auch andere Produktionen wie z.B. die „Zauberflöte“, „Salome“ oder The Bassarids" anzusehen.

Sie haben im Laufe ihrer Karriere nahezu mit allen Regiemeistern von Dimitri Tcherniakov bis Christoph Loy sowie den weltbesten Dirigenten zusammengearbeitet. Insofern ist es kaum zu glauben, dass Sie in der “Pique Dame„ erstmals auf Hans Neuenfels und Mariss Jansons treffen.
Man muss sich immer noch etwas aufheben (lacht). Die Zusammenarbeit, insbesondere mit Jansons hat mir große Freude bereitet, weil er wirklich von der ersten Probe an dabei war und auch dramaturgisch mitgestaltet hat. Das ist normalerweise nicht üblich und demnach etwas ganz Besonderes.

Und Neuenfels?
Ich glaube, er hat sich in seiner Inszenierung etwas zurückgenommen, um den Salzburger Publikum, das sehr speziell ist, zu entsprechen. Allerdings hat er mich für seine Interpretation des Stückes ermutigt und begeistert und ist mir hilfreich zur Seite gestanden.

Sie haben die Gräfin, die zum einem das Geheimnis der drei Karten hütet, und zum anderen mit der Sehnsucht nach ihrer Jugend kämpft - sie wurde als „Venus moscovite“ am französischen Hof umschwärmt -, bereits 2005 in San Francisco und 2010 in Basel gesungen.
Ich habe versucht meine Erfahrungen aus diesen Produktion und meine Vorstellungen von der Gräfin hier einzubringen.

Wie sind ihrer Vorstellungen von ihr?
Ich sehe sie als Hippie, die die Zeiten von freier Liebe und Kunst miterlebt und in vollen Zügen zelebriert hat, jetzt aber plötzlich in diese strengen Bahnen der Gesellschaft gezwängt wird, was diese statische Inszenierung ja sehr gut widerspiegelt.

In der Oper ist Hermann, ein Einwanderer und Einzelgänger, der für die Enkelin der Gräfin, Lisa entbrannt ist. Andererseits will er der Gräfin das Geheimnis um die drei Karten entlocken, um so an den begehrten Reichtum zu gelangen. Letztendlich verliert er aber beides, die Liebe und das Spiel.
Das Thema dieser Oper ist die Sucht in jeglicher Form. Und diese lässt sich nun mal mit der Liebe nicht vereinen. Hermann, der nach Reichtum und gleichzeitig Liebe giert, und Lisa, die eigentlich alles hat, dies aber auf Spiel setzt und für einen Mann schwärmt, der sie ins Unglück stürzt. Diese Sucht und Lust am Leiden und der Selbstzerstörung beherrscht die Beiden.

Auch zwischen Hermann und der Gräfin herrscht eine ganz besondere Beziehung. Es ist eine Art Spiel zwischen Hass und Zuneigung.
Hermann spekuliert ja am Anfang sogar damit, dass er ihr Liebhaber werden könnte, um ihr so das Geheimnis zu entlocken. Und auch die Gräfin prophezeit: „Es wird noch einmal ein Liebhaber kommen.“ - Insofern ist für mich das Aufeinandertreffen der Beiden zunächst auch eine Liebesszene. Auch Lisas Beziehung zur Gräfin, ihrer Großmutter ist sehr speziell, sie ist abhängig von ihr. Alle drei sind kein Teil der genormten Gesellschaft, vielmehr finden sie sich im Außenseitertum wieder.

Ausgrenzung ist ein Thema, dass an Aktualität leider nie verliert, wie uns die Flüchtlingspolitik gerade vor Augen führt.
Es ist beängstigend, wie mit Menschen, die nicht den herkömmlichen Vorstellungen entsprechen, umgegangen wird. Und auch, dass man mit 65 oft schon als alt und nutzlos abgestempelt wird ist herabwürdigend. Denn gerade in diesem Alter hat man oft erst die Möglichkeit Träume seiner Jugend zu verwirklichen und auch neue Perspektiven für sein Leben zu entdecken.

Zu Salzburg haben Sie einen ganz besonderen Bezug, zudem hier ihre Leidenschaft für ihren Beruf als Sängerin entfachte.
Ich habe hier als junge Psychologiestudentin „Elektra“ unter Karajan mit Astrid Varnay erlebt - das war ein Erweckungserlebnis. Ich bin zwar in einer sehr musikalischen Familie aufgewachsen und habe als Kind schon gerne gesungen, dass ich allerdings selbst einmal auf der Bühne stehe, davon hätte ich nie zu träumen gewagt.

Es folgten unzählige Auftritte in Salzburg, u.a. in der „Zauberflöte“ und „Parsifal“ unter Karajan, als Gräfin Geschwitz in „Lulu“, oder bei den Osterfestspielen als Herodias in der „Salome“ unter Rattle. Zuletzt waren Sie 2015 in der konzertanten Originalfassung der „Dreigroschenoper“ als Frau Peachum zu sehen.
Salzburg hat einen ganz besonderen Stellenwert, ich freue mich sehr wieder hier auftreten zu dürfen, insbesondere unter der künstlerischen Leitung von Markus Hinterhäuser.

Was schätzen Sie an ihm?
Hinterhäuser bringt das Besondere auf die Bühne und entspricht nicht dem Allgemeinem, und das macht es künstlerisch interessant.

Sie haben Eingangs erwähnt, dass Sie auch die „Salome“ gesehen habe. Wie gefällt ihnen die Produktion?
Ich kenne Asmik Grigorian gut, zudem wir am Theater an der Wien in Tschaikowskis „Charodeyka“ gemeinsam auf der Bühne gestanden sind. Ich schätze sie sehr, weil sie wahrhaftig ist.

Was ist ihr Erfolgsgeheimnis?
Ich habe mich nie mit Besessenheit meiner Karriere gewidmet, sondern dem hingegeben was kam, und das ist auch weitaus bekömmlicher für die Stimme.

Stimmt es, dass Sie in ihrer Heimat nahe Hamburg täglich in der Ostsee schwimmen, egal zu welcher Jahreszeit?
Ja, und ich mache das auch hier in Salzburg. Die einzige Bedingung es muss Naturgewässer sein.

Tina Laske
Tina Laske
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