Fall Hadishat (7)

Über Stunden vor PC: Robert K. zum Töten animiert?

Wien
12.08.2018 06:00

Seit Jahren saß Robert K. acht bis zehn Stunden täglich vor seinem Computer. Um Horrorvideos anzusehen und Ego-Shooter-Games zu spielen. Setzte er mit seinem grauenhaften Verbrechen an der kleinen Hadishat letztlich virtuelle Gräueltaten in die Realität um?

Jetzt ist klar: Robert K.s Freundlichkeit, sein Dauerlächeln, die höflichen Umgangsformen, seine Besonnenheit sind bloß Verhaltensmuster, die er sich, wahrscheinlich schon von Kindheit an, antrainiert hat. Um vor der Außenwelt sein inneres Chaos zu verbergen, als unauffällig zu gelten. So das Ergebnis der Seelenanalyse über den 16-Jährigen. Gerichtspsychologin Dorothea Stella-Kaiser führte in den vergangenen Wochen an dem Gymnasiasten zahlreiche Tests durch, sie redete eingehend mit ihm. Nicht nur über seine fürchterliche Tat an Hadishat, die Sachverständige sprach mit ihm auch über seine Gefühle für seine Familie und Freunde; überhaupt über sein Leben.

Das Verhältnis zu den Eltern sei, seinen Angaben zufolge, „stets gut gewesen. Wenn ich brav lernte, ließen sie mir eigentlich alle Freiheiten.“ Die Mutter, eine Verkäuferin, beschreibt der Bursch als „fleißig“; den jüngeren Bruder als „naiv“; den Vater, von Beruf Dolmetscher, als „überfürsorglich“: „Er spürte immer gleich, wenn ich nicht gut drauf war, und wollte von mir wissen, ob ich Probleme habe. Ich plapperte dann Unsinn. Von den entsetzlichen Dingen, mit denen ich seit meinem achten Lebensjahr konfrontiert bin, konnte ich ihm ja nichts erzählen. Denn sonst hätte er mich in eine Irrenanstalt einliefern lassen.“

Nun berichtet Robert von „Zombies, die vor mir herumhüpfen und zu mir sprechen. Ein kleines Mädchen mit zerrissenen Kleidern und zerfetztem Gesicht ist fast dauernd da, es will komische Dinge von mir, etwa dass ich am helllichten Tag das Licht andrehe.“

„In mir war halt auch diese Gier zu töten“
Bis zu seinem Verbrechen hätten „die Stimmen nie Böses von mir verlangt, manchmal halfen sie mir sogar bei Entscheidungen. Sie sagten mir zum Beispiel, ob ich Cola oder Fanta trinken soll.“ Aber am 11. Mai, als das Nachbarskind bei ihm zu Hause war, „haben sie mir plötzlich den Befehl gegeben, die Kleine umzubringen.“ Und die „Gier zu töten war halt auch in mir“. Vermutlich schon seit Langem.

Von der Kripo sichergestellte Handy-Nachrichten von Robert K. an zwei Jugendliche legen den Verdacht nahe, dass er mindestens ab 2017 grauenhafte Fantasien hatte. In den SMS schrieb er über eine Gleichaltrige, der er „den Kopf abschneiden“ werde; er schrieb über einen - unentdeckten - Mord, den er 2015 an einem Mädchen begangen habe; er schrieb über „die Horror-Wesen neben mir“ und seine Angst, schizophren zu sein; er schrieb über „Tausende Menschen“, die er bereits umgebracht habe, „im Auftrag der Mafia“.

„Serienmörder faszinieren mich“
Seit dem Volksschulalter verbrachte Robert, so sagt er, „täglich acht bis zehn Stunden vor dem Computer“. Er sah in Endlosschleife Horrorvideos an, spielte Ego-Shooter-Games. Er nahm darin Rollen von Killern an, er identifizierte sich mit diesen Figuren. So sehr, dass sich in seinen Gedanken zunehmend Fiktion und Wirklichkeit zu vermischen begannen. „Irgendwann“, gestand er der Gutachterin, „habe ich auch Bücher über Serienmörder zu lesen angefangen. Sie haben mich fasziniert.“ Robert meint die Täter.

Wie konnte es geschehen, dass niemand in seinem Umfeld von seinen seelischen Abgründen ahnte? Nicht die Eltern, die seine Introvertiertheit als pubertätsbedingte Schwierigkeit beurteilten. Nicht seine - wenigen - Freunde, die seine „Mord-Geschichten“ spaßig fanden. Es gelang ihm, seine Essstörung zu verbergen: „Ich aß eben nur, wenn ich in Gesellschaft war.“ Er brachte es fertig, unbemerkt seine Zwangsneurose - sich Dutzende Male täglich die Hände zu waschen - auszuleben. Und keiner fand seine Ordnungssucht - „Dinge müssen immer an dem ihnen zugeordneten Platz liegen“ - seltsam.

Weil Robert wusste, dass Kinder Haustiere mögen, wünschte er sich als kleiner Bub eine Katze. Er bekam eine geschenkt, von seinen Eltern. „Ich habe ,Shakira‘ versorgt, sie gestreichelt, mit ihr gespielt“, er verhielt sich also der Norm entsprechend, „aber Liebe empfand ich für sie nie.“ Laut Gutachterin weist der 16-Jährige Züge eines Psychopathen auf, er sei ein Meister im Tarnen, extrem manipulativ und narzisstisch: „Er verfügt nicht über die Fähigkeit, Mitleid für andere zu empfinden.“ Roberts Zukunftsprognose: schlecht. Aufgrund seiner massiven seelischen Störung ist zu befürchten, dass er abermals schwere Straftaten begehen könnte.

Seine „defizitäre Persönlichkeitsentwicklung“, einhergehend mit einer „grundsätzlichen Gewaltverherrlichung“, sei vermutlich auch auf seine intensive Beschäftigung mit brutalen Videos und Computerspielen zurückzuführen.

Auch bei Verhaftung saß er vor dem PC
Während bereits die Kripo bei ihm daheim war und nach Spuren des Verbrechens an Hadishat suchte, saß Robert K. seelenruhig in seinem Kinderzimmer am PC - und sah sich eine „Death Note“-Serie an. Als die Beamten ihn später mit dem Verdacht gegen ihn konfrontierten und die Verhaftung aussprachen, blieb er ungerührt, er starrte auf den Bildschirm. „Lassen Sie mich bitte den Film bis zum Ende anschauen“, sagte er.

Auf die Frage der Sachverständigen, was oder wen er jetzt, in der Haft, am meisten vermisse, gab der Gymnasiast eine erschütternde Antwort: „Meinen Computer, die Videos, die Spiele.“ Und er lächelte.

Gerhirnforscher warnen vor Gewaltspielen
Gerichtspsychologin Dorothea Stella-Kaiser vermutet, dass Roberts Gewaltverherrlichung durch die intensive Beschäftigung mit Horrorvideos und brutalen Computerspielen entstanden sein könnte. Zahlreiche Studien belegen mittlerweile: Übermäßiger Konsum von Gräuel-Filmen und das Hineinversetzen in Figuren aus Ego-Shooter-Games steigern - vor allem bei jungen Menschen - das Aggressionspotenzial. Außerdem sollen dadurch Änderungen der Gehirnfunktionen hervorgerufen werden. Regionen, die für Empathie, Emotionen, Aufmerksamkeit und die Hemmung von Impulshandlungen zuständig sind, würden verkümmern.

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