Festspieler:

Wie viel Schuld trägt jeder in sich?

Salzburg
04.08.2018 07:33

Samuel Finzi als Dovele Grinstein in der Uraufführung von David Grossmans Roman „Kommt ein Pferd in die Bar“: Ein Verwandlungskünstler als „polternder“ Alleinunterhalter

Herr Finzi, Sie verkörpern in der Uraufführung von David Grossmans Roman „Kommt ein Pferd in die Bar“ Dovele Grinstein. Ein Stand-up-Comedian, der in einem kleinen Club zwischen Haifa und Tel Aviv seinen (letzten) Auftritt gibt, um die Gunst des Publikums kämpft und dabei mit seinem Lebenstrauma, seinem Umfeld, historischen Dramen und der aktuellen Politik seines Landes Israel abrechnet. Wie kam es dazu, den Roman des israelischen Autors für die Bühne zu adaptieren?

„Seine Agentin hat mich Ende 2016 per Mail kontaktiert und mich um ein Treffen mit Grossman gebeten. Mir war David Grossman bekannt, insofern fühlte ich mich sehr geschmeichelt, gleichzeitig war ich aber auch überrascht - von wegen: Wie kommt einer der bedeutendsten zeitgenössischen Autoren denn ausgerechnet auf mich?

Daraufhin habe ich seinen Roman gelesen. Als er mich kurz danach bei unserem Treffen in Berlin fragte, ob ich mir vorstellen könnte, daraus eine Bühnenfassung zu machen, habe ich sofort zugesagt. Nachdem ich zwei Monate später für eine Folge der “Tel Aviv„-Krimi-Reihe mit Katharina Lorenz in Israel drehte, haben wir uns dort gleich für ein nächstes Treffen verabredet.

Wie kam Regisseur Dušan David Parízek, der das “Pferd„ nun bei den Festspielen auf die Bühne bringt, ins Spiel?

Ich habe mit Dušan David Parízek für die Bühnenfassung von Ilija Trojanows Roman “Macht und Widerstand„ zusammengearbeitet, die genau vor dem zweiten Treffen mit Grossman am Schauspielhaus Hannover Premiere feierte. Es war unsere erste gemeinsame Produktion, aber ich war von seiner Herangehensweise so begeistert, dass ich für das Grossman-Projekt sofort an ihn dachte. Als ich Dušan darauf ansprach, erzählte er mir wiederum, dass er ebenfalls schon seit über einem Jahr darüber nachdachte, den Roman auf die Bühne zu bringen. Letztendlich haben wir uns dann mit Grossman in Tel Aviv getroffen und mit den Salzburger Festspielen, dem Burgtheater und dem Deutschen Theater Berlin tolle Partner. So kam die Sache ins Rollen.

Sie stehen nahezu drei Stunden alleine auf der Bühne, nur Mavie Hörbiger steht Ihnen als “Pitz„ zur Seite. Welche Rolle nimmt Sie ein?

Dovele kennt Pitz bereits aus Kindertagen, wie auch den Richter Avishai Lasar, den er gebeten hat, zum Auftritt zu kommen, um ein Urteil darüber zu fällen.

Auch das Publikum spielt eine entscheidende Rolle und ist ordentlich gefordert. Dovele konfrontiert es nicht nur mit brisanten Themen, er greift es auch an.

Er spart nichts aus, wirft mit politischen, gesellschaftlichen aber auch frauenfeindlichen Themen um sich. Er spielt mit allem und kennt keine Grenzen, dennoch ist er im Grunde seines Wesens kein schlechter Mensch. Was ihn letztlich dazu bringt, mit sich und der Welt so hart ins Gericht zu gehen, muss das Publikum selbst herausfinden.

Glauben Sie, dass sich das Publikum in Dovele, der mit sich und der Welt hadert und kämpft, selbst wiedererkennt?

Hoffentlich! Denn im Grunde geht es in dem Stück darum, wie viel Schuld trägt jeder in sich.

Es gibt eine schöne Stelle, in der Dovele die Frage aufwirft: “Ein Mann steht mitten im Wald, ganz alleine, keine Menschenseele weit und breit - Frage: Ist er trotzdem schuldig?„

Sie sind für die Darstellung brüchiger Charaktere bekannt. Was reizt Sie an Figuren, die zwischen Komik und Tragik stehen?

Ich mag Rollen, die Widersprüche in sich tragen - menschliche Eigenschaften, die miteinander konkurrieren, gleichzeitig aber doch irgendwie miteinander harmonieren. So wie wir Menschen halt sind.

In Salzburg haben Sie bereits gespielt - 2006 in Kleist “Amphitryon„. Sind Sie gerne hierher zurückgekehrt?

Selbstverständlich, bei den Salzburger Festspielen aufzutreten ist schon ganz was Besonderes. Außerdem gefällt mir das Republic als Aufführungsort.

Sie kommen aus einer Künstler-Familie, ihr Vater ist ebenfalls ein berühmter Schauspieler und ihre Mutter Pianistin. Sie haben, bevor Sie sich der Schauspielerei zuwandten, auch Klavier gelernt, spielen Sie noch?

Ja, ab und an, mittlerweile spiele ich auch Schlagzeug.

In einer Band?

Momentan gerade nicht, aber ich hätte schon wieder Lust dazu. Also, wenn mich jemand engagieren möchte, nur zu (lacht).

Neben dem Theater sind Sie auch immer wieder in Kino- und TV-Produktionen wie z.B. zuletzt in den Kinofilmen “Der Hauptmann„ und “Herrliche Zeiten„, oder der aufwendigen Krimireihe “Allmen„, wo Sie in die Rolle des etwas skurrilen aber smarten Butlers schlüpfen, zu sehen. Eine schöne Abwechslung?

Ich versuche mein Leben einfach so wenig langweilig wie möglich zu gestalten (lacht). Außerdem muss ich arbeiten, ich hab ja auch Kinder, für die ich sorgen muss.

Haben die bereits Schauspielambitionen? Und was würden Sie sagen, wenn Sie in ihre Fußstapfen treten?

Sie sind dafür noch zu klein, aber ich unterstütze sie in allem, was sie machen wollen.

Sie waren auch in Til Schweigers Film “Kokowäh„ zu sehen, im Herbst kommt nun der nächste Schweiger-Steifen “Klassentreffen 1.0„ mit ihnen in die Kinos. Worum gehts?

Es wird sehr lustig, und geht noch eine Spur weiter als “Kokowääh„ - der Untertitel lautet nicht umsonst “Die unglaubliche Reise der Silberrücken". Wir hatten sehr viel Spaß beim Dreh, Till ist ein großartiger Mensch und toller Regisseur. Die Arbeit mit ihm gestaltet sich fast wie ein Familientreffen.

Schweiger führt auch Regie. Haben Sie Ambitionen, oder vielleicht schon ein Drehbuch in der Schublade?

Irgendwann vielleicht, Buch gibt’s bis dato aber noch keines.

Tina Laske
Tina Laske
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