Neue Dating App:

Vom Urteilen zum Verurteilen ist es oft nicht weit

Digital
01.08.2018 12:20

Bewertungen kennt das Internet schon lange. Ob nun die neu gekaufte Waschmaschine hält, was sie verspricht, das Hotel so aussah wie auf den weichgezeichneten Werbebildern der Buchungsseite oder ob die Pizza Hawaii im Restaurant um’s Eck gemundet hat - ein Klick lässt andere User wissen, welche Produkte, Orte oder auch Dienstleistungen zu empfehlen sind oder eben nicht. Die App „Once“ geht noch einen Schritt weiter. Dort kann man nun Dates bewerten.

Und das geht so: Anders als bei der „Wisch-und-weg“-App Tinder wird dem User täglich lediglich ein sogenanntes „Match“ vorgestellt. Sagt einem dieser zu, werden Nachrichten ausgetauscht und wenn man sich auch beim digitalen Kontakt sympathisch ist, trifft man sich zu einem Kennenlern-Date. Nach dem Treffen können mittels Punktesystem Wertungen in Form von Sternen vergeben werden. War das Date unerquicklich, gibt es lediglich einen Punkt, verlief es zur annehmlichen Zufriedenheit, können bis zu fünf der glänzenden Sternchen vergeben werden.

Ebay der Emotionen: Schöne, neue Datingwelt
Bewerten dürfen übrigens nur Frauen die gedateten Männer. Die Appbetreiber begründen dies damit, dass das Bewertungssystem der Dating-Sicherheit von Frauen dienen soll. Eine niedrige Sternchenzahl soll nachfolgende, weibliche Singles warnen: Achtung! Finger weg von diesem Typen! Warum es dafür nicht ausreichend ist, besonders unangenehme App-User melden und nach eingängiger Prüfung seitens der Plattform sperren lassen zu können, ist unklar.

Vielmehr wird der männliche Dating-User der öffentlichen Schmach einer niedrigen Sterne-Bewertung preisgegeben. Stefan, sieht ganz gut aus und ist auch charmant - er bekommt die volle Punktezahl. Markus mit der schiefen Nase und den schlechten Witzen, nur einen Mitleidspunkt, schließlich soll keine andere Userin ihre wertvolle Zeit mit semilustigen Gassenhauern vergeuden müssen. Zeitschonende Dating-Effizienz einer neuen, schönen Welt?

Kapitalismus der Liebe
Mitnichten. Vielmehr stellt die App anschaulich dar, wie einfach und schnell die Urteilsfällung heutzutage ist und wohl auch sein muss. Offen zu sein, Menschen zuzuhören und andere Standpunkte und Meinungen zu akzeptieren und respektieren fällt in dieser schnelllebigen, überdigitalisierten Welt offenbar besonders schwer. Ein differenziertes Urteil braucht Zeit, die viele nicht haben oder sich nicht nehmen wollen.

Mit nur einem Mausklick entscheidet das öffentliche, digitale Standesgericht: Daumen hoch oder Daumen runter, ein Stern oder fünf Sterne. Zwischenmenschliches und ja auch Liebe wird nun so effizient wie der Kauf einer neuen Waschmaschine. Wird erfüllt, was versprochen wurde? Muss ein Gewährleistungsanspruch geltend gemacht werden? Ein absolutistisches Schubladisieren mittels Sternchensystem ist da effizienter und schneller. Und dadurch auch unbarmherziger.

Katia Wagner

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