Nach Putschversuch

Türkei: Ausnahmezustand nach zwei Jahren beendet

Ausland
19.07.2018 06:11

Der vor zwei Jahren in der Türkei verhängte Ausnahmezustand ist beendet. Er wurde nicht verlängert und lief deshalb in der Nacht auf Donnerstag aus. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte den Notstand nach dem Putschversuch im Juli 2016 ausgerufen und danach siebenmal um jeweils drei Monate verlängern lassen. Unter dem international scharf kritisierten Ausnahmezustand waren Grundrechte wie die Versammlungs- oder Pressefreiheit eingeschränkt, Erdogan konnte per Dekret regieren. Viele seiner Notstandsdekrete richteten sich gegen mutmaßliche Anhänger des in den USA im Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen, den Erdogan für den Putschversuch verantwortlich macht.

Der Ausnahmezustand hat das Leben Zehntausender Türken schwer gezeichnet. Seit dem Sommer 2016 wurden nach offiziellen Angaben mindestens 77.000 Menschen verhaftet, unter ihnen Journalisten, Menschenrechtler und Oppositionspolitiker. Knapp 200 Medienhäuser wurden geschlossen. Durch Dekrete feuerte Erdogan außerdem mindestens 130.000 Staatsbedienstete, unter ihnen nach früheren Angaben rund 4000 Richter und Staatsanwälte.

Noch vor knapp zwei Wochen hatten mit einem neuen Erlass rund 18.000 Lehrer, Polizisten, Soldaten und andere ihre Arbeit verloren. Die namentliche Erwähnung in einem solchen Dekret bedeutet auch, dass der Reisepass eingezogen wird. Dass mit dem Ende des Ausnahmezustands auch die Verhaftungen und Entlassungen aufhören, zeichnet sich nicht ab. Die Regierung hat für die Zeit danach bereits neue Anti-Terror-Regularien vorbereitet.

Vom Ausnahmezustand zum „Kampf gegen den Terror im Normalzustand“
Ein Gesetzesentwurf für den „Kampf gegen den Terror im Normalzustand“, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, regelt zum Beispiel, wie Richter, Mitglieder der Streitkräfte oder Ministeriumsmitarbeiter entlassen werden können. Wie im Ausnahmezustand will der Staat all jenen, die wegen Terrorverdachts aus dem Staatsdienst entlassen werden, den Pass entziehen.

Die Gouverneure der Provinzen sollen zumindest Teile ihrer Machtfülle aus dem Notstand behalten. Sie sind dem Gesetzentwurf zufolge befugt, Menschen, bei denen der Verdacht besteht, dass sie „die öffentliche Ordnung oder Sicherheit stören“, den Zugang zu bestimmten Orten zu verwehren. Außerdem sollen sie die Versammlungsfreiheit weiterhin einschränken dürfen. Verdächtige können zwischen 48 Stunden und zwölf Tagen in Polizeigewahrsam gehalten werden - länger als vor Beginn des Ausnahmezustands.

Medien: „Nur ein anderer Name“
Einige regierungskritische Medien hatten schon im Vorfeld gewarnt, dass die Regierung mit neuen Regelungen den Ausnahmezustand unter einem anderen Namen permanent machen wolle. Der Sprecher von Erdogans Regierungspartei AKP, Mahir Üncal, sagte am Mittwoch, man werde auf eine „Balance zwischen Freiheit und Sicherheit“ achten. Laut Entwurf soll das Gesetz nach dem Inkrafttreten zunächst drei Jahre gültig sein.

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