Selten artgerecht

Verein beklagt Trend zum „Mini-Schwein“

Tierecke
24.07.2018 07:29

Das sogenannte Mini-Schwein wird als Haustier immer beliebter - und das nicht ohne Grund: Schweine sind neugierig, intelligent, verspielt und anhänglich. Schnell ist ein Schwein angeschafft, sie sind ja so klein und niedlich und der Züchter verspricht: Es wird ganz sicher nicht schwerer als 20 Kilogramm! 

Zuerst einmal sind Schweine äußerst soziale Tiere, die nicht allein gehalten werden sollten und laut Gesetz auch nicht dürfen. Dann brauchen sie reichlich Auslauf, denn in ihrer Natur liegt vor allem: wühlen, wühlen und wühlen. Das bedeutet natürlich, dass in kurzer Zeit jede Grünfläche umgeackert ist. Außerdem brauchen sie eine Suhle zur Körperpflege und Abkühlung. Eine Haltung in der Wohnung ist daher Tierquälerei und ebenfalls nicht gesetzeskonform. Die Tiere haben außerdem ständig Hunger und neigen daher bei nicht artgerechter Fütterung zur Verfettung, was die Lebensdauer erheblich verkürzen kann. Und: Schweine – auch Minipigs – gelten als landwirtschaftliche Nutztiere. Sie dürfen daher nur bei entsprechender Widmung und Sachkundenachweis gehalten werden. Gar nicht so einfach also. Wohin nun mit dem Schwein, das die Wohnung verwüstet, den Garten umgräbt oder nach einem halben Jahr schon mal fünfzig Kilo wiegen kann?

„Mittlerweile täglich Anfragen“
„Da haben wir schon alles erlebt - von der Abgabe im Tierheim über Aussetzen bis zur Tötung. Fakt ist: wir erhalten inzwischen beinahe täglich Anfragen zu Mini-Schweinen“, so Claudia Haupt vom Verein „Ferkelfroh“. „Unser Lebenshof ist jedoch bereits voll und uns ist kein Gnadenhof in Österreich bekannt, dem es nicht genauso geht.“ Die Weitervermittlung an gute Plätze gestaltet sich schwierig, wie sie sagt: „Wir haben schon eine eigene Gruppe ins Leben gerufen, um der Situation Herr zu werden, aber es wird nicht besser.“ So wurde im vergangenen Jahr etwa das Mini-Schwein „Berta“ beim Verein „Ferkelfroh“ abgegeben. Das Tier war äußerst aufgeregt, als es an bei einer Pflegestelle im Waldviertel einzog. Schnell stellte sich auch heraus, warum: „Berta“ war in Wahrheit ein „Bert“! Der Eber lebte seinen Hormonrausch aus und musste daher im Spital kastriert werden. Aufgrund der Länge seiner Hauer - das sind die scharfen, nach außen abstehenden Eckzähne der Eber - konnte man erkennen, dass „Bert“ nicht wie angegeben eineinhalb Jahre, sondern schon erheblich älter sein musste. Sein gesamtes Leben hatte das bedauernswerte Tier allein in einer Pferdebox verbracht. Das Resultat: Er ist sowohl Menschen als auch Schweinen gegenüber sehr scheu und kann wahrscheinlich nie mehr mit anderen Tieren vergesellschaftet werden.

Auch Züchter in der Verantwortung
„Leider gibt es auch in Österreich viele unverantwortliche Züchter, die ihre Schweine nicht wahrheitsgemäß anpreisen“, erklärt Claudia Haupt. „So werden häufig kleinbleibende ‘Micropigs‘ angeboten, in Wahrheit ganz junge Ferkel, die noch gar nicht von der Mutter weg dürften. Wenn man sie normal füttert, haben sie nach ein paar Jahren üblicherweise zwischen 70 und 150 Kilogramm.“ Oft entwickeln sie nach der zu frühen Trennung von der Mutter und aufgrund von Alleinhaltung schwere Verhaltensstörungen. Manchmal werden die Schweine auch nicht kastriert, was später zu Aggressionen und natürlich unerwünschter Fortpflanzung führen kann. Haupt: „Die Wahrheit ist: Es gibt keine Teacup Pigs – alle Schweine wachsen!“ Viele Menschen informieren sich nicht ausreichend, bevor sie das niedliche Ferkel mit nach Hause nehmen und bereuen bald ihre Entscheidung. Zurückgenommen werden die meisten Tiere nicht, sie landen dann – im besten Fall – im Tierheim oder in einem neuen Zuhause. „Das ist traumatisch für die sensiblen Schweine, die sich sehr eng an andere Tiere oder Halter binden“, seufzt die Expertin.

„Bitte vorher gut informieren!“
Auf dem Lebenshof „Ferkelfroh“ im südlichen Burgenland leben aktuell drei Minischweine sowie 27 Großschweine. Während die Minis einen neuen Lebensplatz gesucht haben, wurden die größeren vor der Schlachtung gerettet und genießen hier nun ihr neues, sicheres Zuhause. Aber der Hof ist voll und es werden dringend Zwischen- und Endplätze benötigt, die die genannten Voraussetzungen erfüllen. Claudia Haupt: „Wir bitten um reifliche Überlegung und Prüfung der nötigen Voraussetzungen vor Aufnahme von Tieren, und keinesfalls um Einzelhaltung oder Wohnungshaltung. Tierschutzgerechte Kastration von männlichen Tieren ist ebenfalls wichtig! Wenn Interesse an der Aufnahme eines Schweins besteht, beraten wir gerne dazu.“ Die Fachfrau appelliert zudem an alle Tierfreunde, keine Schweine zu kaufen - mittlerweile gibt es genug Vierbeiner, die im Tierheim auf einen guten Platz warten: „Gerade ältere Schweine sind meistens sehr freundlich und dankbar!“

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