Künstler genervt

Wie das Smartphone das Konzerterlebnis stört

Web
16.07.2018 12:50

In die Höhe gestreckte Mobiltelefone nerven Besucher und auch Künstler. Bands wie Guns N’ Roses setzen sich nun gegen das Phänomen zur Wehr. In Österreich werden jetzt auch erste Diskussionen laut.

Jeder kennt das Problem: Konzert der Lieblingsband, man hört die ersten Takte des größten Hits - und sieht die Bühne vor lauter Handys kaum - zuletzt etwa beim Auftritt am vergangenen Mittwoch von Schlager-Queen Helene Fischer im Wiener Happel-Stadion.

Gern gesehen waren Smartphones auf Konzerten eigentlich noch nie. Das hatte eher urheberrechtliche Gründe: Musiklabels fürchteten um ihre Bild- und Ton-Hoheit. Immer öfter stören sich heute aber auch Bands wie Guns N’ Roses, Adele und andere Künstler an den Telefonen: Sie zerstören das Live-Erlebnis. Die Nähe zum Publikum, das seine Augen statt auf die Bühne aufs Display richte, leide durch die technische Barriere. Nicht nur bei Konzerten ein Problem: Regisseur Paulus Manker soll deshalb einmal bei einer Vorführung des Theaterstücks „Alma“ einer Zuschauerin das Handy aus der Hand gerissen haben.

„Die Leute verpassen oft den eigentlichen Moment“
Hinzu kommt, dass heute nahezu alles - jeder Song, jede Ansage, aber auch jeder kleine Patzer - dokumentiert und in Echtzeit in soziale Medien geteilt wird. Für viele Auftretende ein klarer Intimitätsverlust. „Die Leute verpassen oft den eigentlichen Moment“, kritisiert etwa Depeche-Mode-Sänger Dave Gahan. Und Jack White, eine Hälfte der White Stripes, findet es einfach nur „wahnsinnig frustrierend“, dass Fans nur noch mit ihren Handys beschäftigt seien und zur Band keine Verbindung mehr entstehen könne.

Immer öfter ist deshalb vor Konzertbeginn via Lautsprecheransage zu vernehmen, dass die Band darum bitte, das Smartphone eingesteckt zu lassen. Man wolle für Menschen und nicht für Handys spielen, hieß es etwa diesen Februar, als die norwegische Band a-ha mit ihrem Unplugged-Programm in die Wiener Stadthalle kam.

„Yondr“ sperrt Smartphones weg
Geholfen hat es nichts, weshalb Bands und Künstler vor allem in den USA nun vermehrt auf eine Erfindung aus San Francisco zurückgreifen: Yondr ist eine Tasche, in der Smartphones für die Dauer des Auftritts weggesperrt werden. Die vom gleichnamigen kalifornischen Unternehmen entwickelten Taschenwerden ähnlich den Sicherungsetiketten in Kaufhäusern vor Veranstaltungsbeginn mit einem Magnet-Pin verschlossen. Wer das Smartphone nicht wegsperrt, muss draußen bleiben. Während des Auftritts der Band oder des Künstlers lassen sich die Smartphone-Hüllen dann nur noch in speziellen dafür vorgesehenen Bereichen entsperren. Für Notfälle empfiehlt der Hersteller, den Vibrationsalarm zu aktivieren.

Die Idee kam Erfinder Graham Dugoni 2014 auf einem Festival, als Besucher einen Betrunkenen beim Tanzen filmten und das Video auf YouTube stellten. Nach etlichen Absagen fand der 31-Jährige einen Abnehmer: Die Besitzerin einer Biker-Bar mietete die Taschen, um die Tänzerinnen ihrer Burlesque-Shows vor filmenden Gästen zu schützen. Inzwischen zählt Dugoni viele Bands zu seinen Kunden: Die patentierten Yondr-Hüllen werden für bis zu zwei Dollar pro Tag vermietet, über 500.000 von ihnen sind im Umlauf.

Und die Besucher? Die sind laut Dugoni auch zufrieden. Danach befragt, ob sie durch das Handy-Verbot etwas verpasst hätten, antworteten die meisten: „Nicht viel.“ Viele hätten sogar schon begeistert gefragt, ob sie die Smartphone-Taschen nicht auch für ihre Kinder zu Hause haben könnten.

„Ein unfassbarer Aufwand“
Dass die Taschen bald auch hierzulande zum Einsatz kommen, scheint indes eher unwahrscheinlich, wie Musicnet-Geschäftsführer Harry Jenner gegenüber der „Krone“ verrät. „Das wäre ein unfassbarer Aufwand. In der ausverkauften Wiener Stadthalle müsste man 15.000 Menschen genau kontrollieren, das Handy abnehmen und einsackeln, danach wieder freischalten. Das würde Stunden dauern. Und bei Festivals ist ein Handy ja quasi überlebensnotwendig - da könnte man das sowieso nicht machen.“

Bestanden hätte einer seiner Künstler auf ein Smartphone-Verbot bislang zwar nicht, er könne Künstler aber verstehen, „wenn es sie nervt“, so Jenner. „Es gibt viele, die das Publikum bitten, auf das Handy zu verzichten. Und ich glaube, es war Prince, der hat kurz mit den Scheinwerfern ins Publikum gestrahlt, um die Handys zu blenden.“ Künftig könnte das Fotografieren und Filmen laut Jenner aber auch ein rechtliches Problem werden: „Ich frage mich schon lange, was sein wird, wenn Handykameras irgendwann so gut sind wie professionelle. Dann können gesamte Konzerte mitgefilmt werden - und das ist rechtlich bedenklich.“

Sebastian Räuchle, Franziska Trost, Robert Fröwein, Dominik Erlinger

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