Nach Abschiebe-Irrsinn

Erhält Bin Ladens Ex-Leibwächter deutsches Visum?

Ausland
14.07.2018 16:49

Die Abschiebung des Ex-Leibwächters von Osama bin Laden aus Deutschland nach Tunesien Freitagfrüh droht nun zum juristischen Tauziehen zu werden! Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen erklärte die Abschiebung bekanntlich für „grob rechtswidrig“, deshalb sei Sami A. „unverzüglich auf Kosten der Ausländerbehörde in die Bundesrepublik Deutschland zurückzuholen“. Die Anwältin des Ex-Leibwächters sieht keine Gründe, die gegen eine Rückkehr sprechen. Sobald Sami A. in Tunesien freigelassen werde, müsse die Deutsche Botschaft ihm ein Visum ausstellen. Mittlerweile stellte ein SPD-Abgeordneter auch Strafanzeige gegen Innenminister Horst Seehofer (CSU) wegen des Verdachts des Rechtsbruchs.

Das Gericht in Gelsenkirchen habe in seiner Entscheidung deutlich gemacht, dass die Erteilung eines Visums zur Rückkehr nach Deutschland ein praktikabler Weg sei, betonte Anwältin Seda Basay-Yildiz gegenüber der Deutschen Presse-Agentur am Samstag. Sami A. könne dann bei der Ausländerbehörde vorstellig werden. „Nach meiner Erkenntnis gibt es kein Verfahren gegen meinen Mandanten, sobald er in Tunesien wieder frei ist, muss das so passieren.“ Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren der Bundesanwaltschaft in Deutschland war mangels hinreichenden Tatverdachts in der Vergangenheit eingestellt worden.

Tunesische Justiz will Sami A. vorerst nicht zurückschicken
Nach Angaben des Sprechers der tunesischen Anti-Terror-Staatsanwaltschaft, Sofiene Sliti, wird Sami A. derzeit in Tunesien verhört. Er befindet sich nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur in der auf Terrorfälle spezialistierten Gorjani-Einrichtung in der Hauptstadt Tunis. Die tunesischen Behörden ermitteln nach eigenen Angaben, ob A. an „extremistischen Aktivitäten“ in Deutschland beteiligt gewesen ist. Eine Rückführung nach Deutschland ist vorerst nicht geplant. „Wir haben eine souveräne Justiz, die gegen ihn ermittelt“, sagte Sliti. Diese Ermittlungen müssten abgewartet werden.

A. sei tunesischer Staatsbürger und seit Jänner 2018 wegen Terrorverdachts in Tunesien zur Fahndung ausgeschrieben, sagte Sliti am Samstag gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. „Dieser Fall betrifft die Justiz Tunesiens“, betonte er. A. sei in Tunesien bereits aktenkundig. Der Sprecher betonte, dass seine Äußerungen allein die juristische Seite des Falls beträfen. Zur politischen Frage einer möglichen Rückholung von A. nach Deutschland wollte er sich nicht äußern.

SPD-Politiker: „Seehofer wollte ganz bewusst mal das Recht brechen“
Wie WDR und „WAZ“ am Samstag berichteten, stellte der SPD-Abgeordnete Sven Wolf (42) mittlerweile Strafanzeige gegen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Wolf wirdt Seehofer im Zusammenhang mit der Abschiebung „Rechtsbruch“ vor. Zwar gelte „grundsätzlich, dass Gefährder Deutschland verlassen müssen“, dabei müsse ein Innenminister sich aber immer noch „an Recht und Gesetz halten“, erklärte der SPD-Politiker. Der Regionalpolitiker aus Remscheid unterstellt Seehofer Kalkül: Seehofer habe „ganz bewusst mal das Recht brechen wollen, um zu zeigen, dass er etwas machen kann“. Wolf vermute, Seehofer habe die Entscheidung des Gelsenkirchener Gerichts bewusst ignoriert, um Sami A. abschieben zu können.

AfD zum Fall Sami A.: Abschied vom „gesunden Menschenverstand“
Die AfD wertete die Gerichtsentscheidung im Fall des Tunesiers Sami A. als Beweis für ein angebliches Systemversagen. Die Abläufe im Fall des ehemaligen Leibwächters von Osama bin Laden offenbarten einen „Fehler in unserem System“, schrieb AfD-Chef Jörg Meuthen auf Facebook. Die Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Alice Weidel, sagte der Deutschen Presse-Agentur am Samstag, der Fall zeige in erschreckender Weise auf, „wie sehr sich Behörden und Gerichte vom gesunden Menschenverstand entfernt haben“. Alexander Gauland, der als Co-Vorsitzender Partei und Fraktion leitet, erklärte: „Es besteht die Gefahr, dass deutsche Gerichte durch solche Entscheidungen zum Totengräber des Rechtsstaats werden.“

UNHCR: „Rückholung von Sami A. angemessen“
Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, UNHCR, hat die vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen angeordnete Rückholung von Sami A. im Deutschlandfunk hingegen als angemessen bezeichnet. Das Urteil zeuge von der Qualität des Rechtsstaates, fügte UNHCR-Sprecher Chris Melzer am Samstag hinzu.

Sami A. lebte seit Jahren mit Frau und Kindern in Bochum und kassierte - obwohl er von den Behörden als „Gefährder“ eingestuft wird - jahrelang Sozialhilfe in der Höhe von mehr als 1000 Euro. Er war 1997 zum Studium nach Deutschland gekommen. Im Jahr 2000 soll er eine militärische Ausbildung in einem Lager der Al-Kaida in Afghanistan erhalten und zeitweise zur Leibgarde von Osama bin Laden gehört haben. Bin Laden ist der Gründer des Terrornetzwerks Al-Kaida.

Anschließend soll sich Sami A. in Deutschland als salafistischer Prediger betätigt haben. Der Tunesier hat diese Vorwürfe stets bestritten. Die Bundesanwaltschaft hatte laut Gericht gegen ihn ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet, aber mangels hinreichenden Tatverdachts wieder eingestellt.

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