Viele Fragen offen

„Transitzentren“: Was sie sind und was sie bringen

Ausland
03.07.2018 16:36

Schon 2015 wollten die deutschen Unionsparteien „Transitzentren“ an der Grenze zu Österreich einrichten. Doch sie scheiterten am Widerstand der SPD. Nun versuchen CDU und CSU so, den Asylstreit zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Innenminister Horst Seehofer zu lösen. Doch selbst wenn die Sozialdemokraten jetzt zustimmen: Auch mit den Transitzonen lässt sich EU-Asylrecht nicht einfach umgehen.

Was haben CDU und CSU eigentlich genau vereinbart?
Asylwerber, die schon in einem anderen EU-Land registriert sind, sollen an der deutsch-österreichischen Grenze in „Transitzentren“ gebracht. Zugrunde gelegt wird dabei die „Fiktion der Nichteinreise“: Die Betroffenen wären demnach noch nicht in Deutschland, sondern befänden sich de facto in einer Art Niemandsland. Von den Transitzentren sollen die Asylwerber in die zuständigen EU-Länder zurückgebracht werden. Dazu sollen mit diesen „Verwaltungsabkommen“ geschlossen werden.

Gibt es in Deutschland bereits Transitzentren?
Der Begriff „Transitzentren“ wird bisher nicht benutzt, gesprochen wird von „Transitzonen“. Eine solche gibt es am Frankfurter Flughafen. In ihr halten sich Passagiere auf, die sich auf der Durchreise in andere Länder befinden. Menschen von außerhalb der EU können dort auch einen Asylantrag stellen - und damit noch vor der Einreise nach Deutschland. Das komplette Verfahren läuft dann in der Transitzone ab. Die Einzelheiten des sogenannten Flughafenverfahrens sind in §18a Asylgesetz geregelt.

Sieht das EU-Recht Transitzonen vor?
Der Grenzkodex des Schengenraums, in dem normalerweise Reisen ohne Kontrollen möglich ist, bezieht sich nur auf die Fälle an Flughäfen. Eine EU-Asylrichtlinie von 2013 nennt Transitzonen aber auch im breiteren Kontext der Prüfung von Asylverfahren an den Grenzen der Mitgliedsstaaten.

Könnte Deutschland Asylwerber aus Transitzonen einfach zurückschicken?
Nein, sagt der Münchner Asylexperte Franz Bethäuser: „Man kann mit Transitzonen das europäische Dublin-Verfahren nicht einfach aushebeln.“ Die Betroffenen müssten angehört werden und könnten gelten machen, „warum sie nicht mehr nach Italien oder anderswohin wollen“, etwa aus Gründen einer Familienzusammenführung. Danach müsse das betreffende Land zustimmen, den Asylwerber zurückzunehmen. Die Prüfung dort kann mehrere Monate dauern.

Lassen sich die Verfahren nicht beschleunigen?
Im Prinzip schon. Bundeskanzlerin Merkel hat Zusagen für Rücknahme-Abkommen mit Spanien und Griechenland und für technische Vereinbarungen für einfachere Verfahren von weiteren EU-Staaten. Doch Italien als wichtigstes EU-Ankunftsland will sich bisher nicht darauf einlassen.

Könnten Asylwerber gegen Rückführungsbeschlüsse klagen?
Ja. „Die Mitgliedsstaaten stellen sicher, dass Antragsteller das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem Gericht haben“, heißt es in der EU-Richtlinie von 2013. Beschleunigte Verfahren wie am Flughafen sind aber denkbar. Anwalt Bethäuser glaubt sogar, dass vielfach eine Rückführung verhindert werden könnte. „Da machen die Gerichte nicht mit“, sagt er. Er verweist auf die immer noch dramatische Lage in Griechenland. Wegen der Flüchtlingskrise hatten Deutschland und andere Länder dorthin Abschiebungen zwischen 2011 und 2017 ganz gestoppt. Auch bei Italien hat Bethäuser angesichts der nun hart gegen Migranten vorgehenden neuen Regierung in Rom Zweifel. Über Spanien kämen wiederum so gut wie keine Asylwerber nach Deutschland.

Wie steht Österreich zu den Plänen?
Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) bezweifelt, dass die Transitzentren aus juristischer Sicht sicherstellen, dass Asylwerber nicht nach Deutschland eingereist sind. „Wer sich auf deutschem Staatsgebiet befindet, ist dort“, sagt sie. Wien will jedenfalls verhindern, dass Deutschland Menschen einfach wieder nach Österreich schickt, wenn sie nicht von den zuständigen EU-Ländern zurückgenommen werden. Die Regierung hat schon angekündigt, dann „Maßnahmen zum Schutz“ der Grenzen zu Italien und Slowenien zu ergreifen, damit Asylwerber gar nicht erst nach Österreich kommen.

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