Nach Asyl-Kompromiss

Salvini: „Ich traue den Worten beim Gipfel nicht“

Ausland
29.06.2018 13:15

Während sich Italiens Regierungschef Giuseppe Conte selbst feiert und nach dem Asyl-Kompromiss beim EU-Gipfel davon spricht, dass Italien nun „nicht länger alleinegelassen“ werde, gibt sich sein Innenminister Matteo Salvini äußerst skeptisch. „Ich traue den Worten nicht, jetzt warten wir auf konkrete Taten“, kommentierte der Chef der rechtspopulistischen Lega am Freitag die Ergebnisse der nächtlichen Einigung in Brüssel. Ex-Premier Silvio Berlusconi wiederum warnte davor, sich mit den Visegrad-Staaten zu verbünden, die gemeinsam mit Österreich, Dänemark, den Niederlanden und Bulgarien auf einen stärkeren Außengrenzschutz gepocht hatten. „Sie haben nicht den Schutz der EU-Außengrenzen, sondern ihrer nationalen Grenzen als Ziel“, meinte Berlusconi.

„Dies bedeutet, die Migranten in den meisten Fällen nach Italien zurückzuschicken“, warnte Berlusconi, Chef der oppositionellen Forza Italia, in einem offenen Brief an die Tageszeitung „Corriere della Sera“. Italien habe eine große Last wegen der Flüchtlingsproblematik getragen. Daher sei die Kritik anderer EU-Länder am neuen Migrationskurs der Regierung Conte zurückzuweisen. „Vor allem wenn diese Kritik von Ländern wie Frankreich kommt, das eine gravierende Verantwortung für die libysche Tragödie und für den Flüchtlingsnotstand trägt“, schrieb der 81-jährige Politiker.

Berlusconi: „Einzige Lösung wäre ,Marshallplan‘ für Afrika“
Italien sei nicht mehr bereit, allein die Last des Flüchtlingsnotstands zu tragen, erklärte Berlusconi. Zugleich drängte er auf einen „Marshallplan“ für Afrika. Dies sei der einzige Weg, um dem afrikanischen Kontinent eine Zukunftsperspektive zu sichern. Tatsächlich findet sich im Zwölf-Punkte-Plan der EU, der beim Gipfel beschlossen wurde, auch ein Fokus auf der „Partnerschaft mit Afrika“, um das „Migrationsproblem an seiner Wurzel“ anzugehen.

Auch wenn viele Punkte der Abschlusserklärung sehr vage gehalten sind und daher nichts über die konkrete Ausgestaltung verraten, ist eines klar: Das System der Flüchtlingsumverteilung gemäß verpflichtender Quoten auf alle EU-Staaten ist vom Tisch. Das feiern wiederum die Visegrad-Staaten Ungarn, Polen, Slowakei und Tschechien als „großen Erfolg“. „Wir haben erreicht, dass niemand mehr über Quoten redet“, frohlockte Tschechiens Regierungschef Andrej Babis auf Twitter. „Die Umverteilung und Umsiedlung wird freiwillig sein, sodass uns niemand Migranten aufzwingen kann.“ Die Frage bleibt nun, welche Länder freiwillig Flüchtlinge aufnehmen werden, die bereits in Italien, Spanien oder Griechenland gelandet sind und dort die Hilfsinfrastuktur ausreizen.

Kurz: Österreich beteiligt sich nicht an Migrantenverteilung
Die österreichische Regierung hat bereits unmittelbar nach dem Gipfel klargestellt, dass man sich nicht an der Migrantenverteilung in der EU beteiligen wolle. „Österreich hat schon überproportional viele Menschen aufgenommen. Es geht darum, den Zustrom zu reduzieren“, erklärte Bundeskanzler Sebastian Kurz. Österreich habe „deutlich mehr aufgenommen als andere Staaten“. Er sei froh, dass jetzt der Fokus auf dem Außengrenzschutz liege.

Hilfsorganisation spricht von „Gipfel der Inhumanität“
Von einem „Gipfel der Inhumanität“ sprach die Hilfsorganisation Pro Asyl in einer Stellungnahme. „Gefolterte und Verfolgte einfach so in Europa wegzusperren, ist inhuman. Flucht ist kein Verbrechen“, erklärte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. „Die Staats- und Regierungschefs lassen jegliches Mitgefühl mit Verfolgten vermissen. Innerhalb und außerhalb der EU entstehen nun Lager der Hoffnungslosigkeit“, so Burkhardt weiter.

Reimon: „Recht auf Asyl beerdigt“
Grünen-EU-Parlamentarier Michel Reimon betrauerte die „Beerdigung des Rechts auf Asyl“. Flüchtlinge sollten in Zukunft „kaum mehr eine Chance haben, auf europäischem Boden Asyl zu beantragen“. Reimon sieht nur einen einzigen Hoffnungsschimmer: „Bei allen konkreten Umsetzungsplänen sind die Regierungen zerstritten und handlungsunfähig. In der Achse der Willigen will jeder etwas anderes.“

Das UN-Flüchtlingshochkommissariat und die Organisation für Migration begrüßten die „gemeinschaftliche Haltung“ der EU-Staaten zu Asylfragen. Man warte allerdings noch auf Details, wurde betont. Vor allem die Ausgestaltung der von vielen Regierungschefs als „geschlossene Lager“ bezeichneten Zentren wird genaustens beobachtet. Solche Lager seien höchstens für sehr kurze Aufenthalte akzeptabel. Schutzbedürftige Menschen müssten schnellstens in andere Länder gebracht werden. Das Kinderhilfswerk UNICEF äußerte die Sorge, dass „Kinder in Gewahrsam genommen werden könnten“. Kinder dürften allerdings niemals nur aufgrund ihres Migrationsstatus eingesperrt werden, sagte UNICEF-Sprecherin Sarah Crowe.

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