Lokalaugenschein

Helferin ratlos: Flüchtling räumt Wohnung nicht

Wien
04.07.2018 16:46

Für seine Zwei-Zimmer-Wohnung in U-Bahn-Nähe möchte der syrische Flüchtling Younes A. gerne 182 Euro im Monat zahlen. Eigentlich hat seine Vermieterin ihm bereits gekündigt - aber ans Verlassen der Wohnung denkt er nicht. Seine Vermieterin - das ist die Österreicherin Monika M., die sich in der Flüchtlingshilfe engagiert. Anstatt die begründete Kündigung zu akzeptieren, ging Herr A. zur Schlichtungsstelle.

Younes A. ist Syrer. Er ist im Zuge der Flüchtlingswelle im Herbst 2015 nach Österreich gekommen und hat hier Asyl erhalten. In Syrien, so erzählt er, hat er in Rakka gelebt, einer Stadt, die von kurdischen Kämpfern, der Terrormiliz Islamischer Staat und den regierungstreuen Truppen von Staatschef Bashar al-Assad umgeben war.

Monika M. ist aus Österreich. Sie war eine jener Menschen, denen die Bilder im Jahr 2015 das Herz zerrissen. Von Anfang an engagierte sie sich in der Flüchtlingshilfe, an den Ankunftsbahnhöfen, versuchte sogar, an der österreich-ungarischen Grenze zu helfen. Einiger Flüchtlingsfamilien nahm sie sich persönlich an. Sie half bei der Suche nach Deutschkursen, Kindergartenplätzen - und vermietete auch, teils gegen die reinen Betriebskosten, ihre Eigentumswohnungen.

Eine davon, in Wien-Rudolfsheim-Fünfhaus, überließ sie im August 2016 Younes A. Für die möbliert übergebene Zwei-Zimmer-Wohnung der Kategorie A, eine U-Bahn-Station vom Westbahnhof entfernt, verlangte sie einen Mietzins von 580 Euro. Die Kaution erließ sie ihm zunächst.

„Ich fühle mich nur mehr vera****t“
Im Juni 2017 kam Younes‘ Familie im Zuge einer Zusammenführung nach Österreich. Den Flug dafür zahlte Frau M. Eine Tochter hatten Younes A. und seine Frau bereits, die zweite kam in Österreich zur Welt. Ab der Ankunft seiner Familie, so erzählt Frau M., wendete sich das Blatt.

„Keiner der beiden war seit Juni im Deutschkurs oder arbeiten“, beklagt Frau M., der die Integration ihrer Schützlinge sichtlich ein Anliegen ist. „Wenn ich dort war, habe ich nicht einmal einen Kaffee bekommen.“

Schimmel, Therme nicht gewartet, Rauchfangkehrer nicht reingelassen
Sowohl Herr A. als auch seine Frau hätten sich integrationsunwillig gezeigt, erzählt Frau M., hätten keine Behördenwege erledigt, seien nur daran interessiert gewesen, ein zweites Kind zu bekommen. Außerdem sei die Familie mit der Wohnung fahrlässig umgegangen. Der Rauchfangkehrer etwa sei nicht hineingelassen, die Gastherme nicht fristgerecht gewartet worden. Die Wände im Badezimmer und Schlafzimmer schimmeln, Herr A. ließ sie trotz der kleinen Kinder nicht sanieren. Außerdem seien vertragswidrigerweise zwei weitere Personen als Untermieter aufgenommen worden.

Das höre man aus einschlägigen Kreisen oft, erklärt Frau M. Es würden mehrere Hundert Euro für eine Meldung verlangt. Oftmals würden die betroffenen Personen dann nicht einmal in der Wohnung leben, die Meldeadresse werde lediglich für Sozialleistungen benötigt.

Schließlich riss Monika M. der Geduldsfaden und sie schickte Herrn A. Ende Dezember 2017 die Kündigung, die mit Ende März in Kraft treten sollte. Younes A. reagierte nicht auf die Kündigung, widersprach ihr nicht, ließ nichts von sich hören. Stattdessen erreichte Frau M. Ende Februar ein Brief von der Schlichtungsstelle in Wohnrechtsangelegenheiten (MA 50): Der Mietzins sei zu hoch. Der Richtwertmietzins würde lediglich 181,91 Euro betragen, und künftig würde der Mieter nur noch diesen bezahlen wollen, außerdem verlange er eine Rückerstattung der bereits bezahlten Mehrkosten. Alleine die Betriebskosten der Wohnung belaufen sich laut Frau M. auf 185 Euro.

Mieter falsch informiert?
Per Anwaltsschreiben wurde Younes A. daraufhin nochmals aufgefordert, die Wohnung bis 31. Mai zu räumen. Dies ist nicht geschehen, die Familie wohnt noch immer dort. Bei der Besichtigung durch Fachkundige der Schlichtungsstelle konnte bestätigt werden, dass der Schimmelbefall vermutlich auf fehlende Lüftung durch den Mieter zurückzuführen sei. Das Verfahren läuft nun, die Entscheidung steht aus. Laut Frau M. dürfte Herr A. fälschlicherweise informiert worden sein, dass im Zuge eines Schlichtungsverfahrens eine Kündigung außer Kraft gesetzt würde bzw. nicht mehr möglich wäre.

„Würde wieder helfen - aber nur bedingt“
Sie habe durchaus auch positive Erfahrungen gemacht, erzählt Frau M. Eine alleinerziehende Mutter aus Syrien mit zwei Kindern habe sie ebenso beherbergt und keinerlei Schwierigkeiten gehabt. Aber genau solche Fälle würde es dann treffen, meint Frau M.: „Die, die wirklich hier ankommen wollen, die es ehrlich meinen, die leiden ja dann drunter. Die zahlen die Rechnung.“

„Es war eben eine WG“
Younes A. sieht die Geschichte anders. Frau M. sei zu kontrollierend gewesen, meint der Mann, es gehe sie etwa nichts an, ob seine Frau verschleiert sei oder wie viele Kinder er wolle. Mit dem Rauchfangkehrer habe er bald einen Termin, sagt er, und an den beiden Untermietern sieht er auch nichts Verwerfliches: „In der Wohnung da drüben wohnen sechs oder sieben Leute“, beteuert er, „das ist dann eben eine WG.“

Arbeiten will Herr A. sehr wohl. In Syrien gibt er an, Französischlehrer gewesen zu sein - das Angebot, das Gespräch der Einfachheit halber auf Französisch zu führen, schlägt er aber aus. In Österreich möchte er auf der Baustelle oder im Supermarkt arbeiten, bald will er die Deutschprüfung auf B2-Niveau ablegen.

„Haben sehr mieterfreundliches Mietrecht“
Monika M. hat sich inzwischen Hilfe von einem Anwalt geholt. Dieser findet durchaus, dass genügend Kündigungsgründe vorhanden seien, sollte es zu einem Gerichtsverfahren kommen. Wie die Entscheidung der Mieterschlichtungsstelle ausfallen wird, könne er nicht einschätzen. Aber auch er kann nur im Rahmen der Gesetze handeln: „Wir haben in Österreich ein sehr mieterfreundliches Mietrecht, das ist genau das Problem. Aus diesem Grund sind auch immer weniger Vermieter bereit, ihre Wohnung überhaupt zu vermieten“, erklärt der Rechtsanwalt.

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