Panik vor Asyl-Gipfel:

Frankreich warnt vor endgültiger Auflösung der EU

Ausland
23.06.2018 06:00

Vor dem für Sonntag in Brüssel einberufenen Asyl-Sondergipfel spitzt sich die europäische Krise zu. Bei den Konzepten zur Lösung der Migrationsfrage herrscht völlige Verwirrung. Und bei der inhaltlichen Planung für das Treffen der 16 Staats- und Regierungschefs sind bereits erste Anzeichen von Panik erkennbar.

„Falls Europa unfähig ist, sich auf ein gemeinsames Migrationskonzept zu einigen und daran zu arbeiten, dann fürchte ich unglücklicherweise, dass Europa sich endgültig auflöst.“ Diese Warnung hatte am Freitag Frankreichs Regierungssprecher Benjamin Griveaux gegenüber dem Radiosender „Radio Classique“ in Paris formuliert. Nach Meinung der französischen Regierung erlebe Europa wegen der ungelösten Flüchtlingsfrage eine seiner schlimmsten Krisen. Ähnlich, wenngleich weniger drastisch, spricht auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen über seine Sorgen vor den Folgen eines Zerfalls der EU.

Lösung in weiter Ferne
Unterdessen geht das europäische Chaos-Konzert munter weiter. An dem ursprünglich nur für acht EU-Länder extra für Deutschlands in Bedrängnis geratene Kanzlerin Angela Merkel einberufenen Asyl-Minigipfel am Sonntag wollen immer mehr Staaten teilnehmen. Am Freitag meldeten sich weitere acht Staats- und Regierungschef an. Einer Lösung rückt die EU damit aber um keinen Millimeter näher - im Gegenteil.

Pariser Ideen „eher sonderbar“
Zwar hat Frankreich einen Vorschlag zur Lösung der Asylkrise erarbeitet, aber dieser Plan wird hinter den Kulissen entweder als „nicht praktikabel“ oder als „eher sonderbar“ überwiegend abgelehnt. Die Pariser Migrationsexperten sollen ein System entworfen haben, das man bereits in mehreren Ländern wie in der Türkei oder im Libanon praktiziere. Zugleich drängt Frankreich auf eine „echte europäische Grenzpolizei“, die mit mehr Kompetenzen ausgestattet werden sollte.

Auf eine immer härtere Flüchtlingslinie geht unterdessen die Regierung in Italien, wo die Justiz mittlerweile gegen Hilfsorganisationen vorgeht. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat sich in der Zwischenzeit in Wien mit dem EU-Ratspräsidenten Donald Tusk auf „ein gemeinsames Denken“ verständigt. Und in Tschechien ist am Freitag der Sicherheitsrat einberufen worden, um einen Krisenplan zu entwerfen, wie die Grenzen vor einem Flüchtlingsansturm geschützt werden können.

Im Video: Kurz betont „Führungsrolle“ von EU-Ratschef Tusk

Kronen Zeitung

Kommentar von Claus Pándi: AdiEU?
Vielleicht erübrigt sich bald die österreichische EU-Präsidentschaft, die in acht Tagen beginnen sollte, weil es keine EU mehr gibt? Klingt wie ein bitterer Scherz, aber diesmal ist die Lage wirklich ernst. Europa steht jetzt wegen der Flüchtlingskrise, die im Sommer vor drei Jahren begonnen hat, und der seither ungelösten Migrationsfrage an der Kippe.

Wenn sich Europa wegen dieser Frage auflöst, gibt es nichts mehr, woraus die Briten noch austreten könnten. Es wird auch vieles anderes nicht mehr geben, woran wir Österreicher uns in den vergangenen 23 Jahren seit dem EU-Beitritt so sehr gewöhnt haben, dass es uns erst auffallen wird, wenn es unter gewaltigem Getöse zusammenkracht. Wir werden dann nicht einmal mehr etwas haben, worüber wir uns nach Herzenslust aufregen können. Keine Gurkenkrümmungsvorschriften, keine normierten Traktorsitze, keine Größenverordnungen für Kondome und auch keine teure Brüsseler Bürokratie.

Am schlimmsten wird es freilich die Politiker selbst treffen, die das aktuelle Schlamassel angerichtet haben. Wem werden Europas Regierungschefs nach dem Ende der EU die Schuld zuschieben, wenn ihnen im eigenen Land wieder einmal etwas gründlich danebengegangen ist? Bevor die europäische Gemeinschaft also zu sich selbst Adieu sagt, sollten die politischen Regisseure der jetzigen Tragödie in ihre Völker und in sich selbst mit offenen Ohren hineinhören. Da sollten sie die Antworten auf alle Fragen finden.

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