TV-Panne in der Türkei

„Sieg“ Erdogans drei Tage vor Wahl veröffentlicht

Ausland
22.06.2018 11:43

Zu einer peinlichen Panne ist es bei einem regierungsnahen TV-Sender in der Türkei gekommen. Drei Tage vor den Präsidenten- und Parlamentswahlen wurde in einer Diskussionssendung auf TVNet das „amtliche Endergebnis“ des Urnengangs eingeblendet. Dort war ein Wahlsieg des amtierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mit 53 Prozent der Stimmen zu lesen. Seine Herausforderer waren alle weit abgeschlagen. Während der Sender von einem „Test“ spricht, vermuten Oppositionspolitiker ein bereits feststehendes Ergebnis.

Es kursieren derzeit zwei Verschwörungstheorien: Das (manipulierte) Ergebnis stehe bereits fest. Die Einblendung wäre der Beweis für „den ungeheuren Wahlbetrug“. Die andere Variante, die plausibler erscheint, ist psychologische Kriegsführung. Die Wähler sollen mit diesen subtilen Einblendungen ähnlich wie in der Werbung beeinflusst werden.

Erstmals finden in der Türkei Parlaments- und Präsidentschaftswahlen an ein- und demselben Tag statt. Und erstmals scheint auch Erdogans Siegesgewissheit, die er die vergangenen 16 Jahre stets zur Schau gestellt hatte, zu schwinden. Umfragen zufolge ist eine absolute Mehrheit Erdogans im ersten Durchgang der Präsidentschaftswahlen gar nicht mehr so sicher. Dann müsste er am 8. Juli in die Stichwahl, wahrscheinlich gegen Muharrem Ince, den Kandidaten der größten Oppositionspartei CHP. Erdogan wäre immer noch Favorit, sein Nimbus der Unbesiegbarkeit wäre aber angekratzt. Womöglich wäre es der Anfang vom Ende seiner Ära.

Auch Erdogans AKP muss bangen: Schafft es die prokurdische HDP über die Zehn-Prozent-Hürde, könnte Erdogans Partei die absolute Mehrheit im Parlament verlieren. Das Parlament ist im neuen System zwar weniger mächtig, aber immer noch mächtig genug, um dem Präsidenten das Leben schwer zu machen. Als die AKP bei der Parlamentswahl im Juni 2015 die absolute Mehrheit verlor, ließ Erdogan wenige Monate später einfach erneut wählen - danach waren die alten Verhältnisse wieder hergestellt. Mit der Abstimmung wird diesmal die Einführung des im vergangenen Jahr per Verfassungsreferendum beschlossenen Präsidialsystems abgeschlossen. Der künftige Präsident wird deutlich mächtiger als bisher, er wird zugleich Staats- und Regierungschef sein.

Viele lehnen weitere Stärkung der Macht Erdogans ab
Das Referendum über das Präsidialsystem hat gezeigt, dass fast die Hälfte der Türken eine weitere Stärkung der Macht Erdogans ablehnt. Es wäre daher möglich, dass die Türken Erdogan im Amt bestätigen, aber seiner AKP eine Mehrheit im Parlament verweigern. Für Erdogan wäre dies ein harter Schlag, da er dann etwa beim Budget mit der Opposition kooperieren müsste. Ob er dies hinnehmen würde oder neu wählen ließe, ist unklar.

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