WHO-Krankheitskatalog

Psychologe prophezeit neue Krankheit Pornosucht

Digital
22.06.2018 12:15

Die kürzliche Aufnahme der Online-Spielsucht in den Krankheits-Katalog (ICD-11) der WHO könnte laut Einschätzung eines Psychologen der Anfang einer breiteren Auseinandersetzung mit dem Thema „Übernutzung von Internet und Smartphone“ sein. Künftig könnten womöglich auch Pornosucht oder Social-Media-Abhängigkeit eine diagnostizierbare Krankheit werden, prophezeit der Forscher der Uni Ulm.

Der Psychologe Christian Montag beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren mit der Frage, ob es so etwas wie Internet- oder Smartphone-Abhängigkeit gibt. „Das ist durchaus ein kontroverses Thema“, räumte der Forscher anlässlich der zehnten Auflage der Fachtagung „NeuroIS Retreat“ ein, deren Fokus auf der Erforschung der Wirkung von IT-Systemen auf Gehirn und Körper liegt. Mit der Aufnahme der Online-Spielsucht durch die WHO sei nun aber eine „erste Schwelle gefallen“, sagte Montag, der noch eine ganze Reihe von Problemen in verwandten Bereichen anführte.

Kommt jetzt auch die Pornosucht?
Darunter fielen etwa die „Übernutzung von Online-Pornografie“, die völlige zeitliche und räumliche Entgrenzung der Kaufsucht durch Online-Angebote, die Verschärfung von Spielsucht durch Online-Wettanbieter sowie vielschichtige Problematiken im Zusammenhang mit der Nutzung von Social Media. Aus Studien zur Smartphone-Nutzung wisse man, dass Anwender ihre Geräte oft erstaunlich lange nutzen. Im Schnitt summiere sich das auf bis zu einen Tag (bezogen auf die Wachzeit) in der Woche. Montag: „Das zeigt, wie ‘digital‘ wir schon sind.“

Vor allem soziale Medien werden zu oft genutzt
In aktuellen Studien konnten der Psychologe und sein Team nachweisen, dass Smartphone-Übernutzung zu großen Teilen etwas mit Social Media-Übernutzung zu tun hat. Ab welcher Ausprägung man tatsächlich von einem Krankheitsbild sprechen könnte, sei hier insgesamt schwer einzuschätzen. Vor allem müsse man aufpassen, nicht „Alltagshandlungen zu pathologisieren“.

Ähnliche Abläufe wie bei Substanzabhängigkeit
Geht es bei einer Person jedoch in Richtung Sucht, zeigen neurowissenschaftliche Untersuchungen, dass im Gehirn der Betroffenen ähnliche Abläufe stattfinden, wie das bei Substanzabhängigkeiten der Fall ist. Neben der Frage nach Kontrollverlust oder Entzugserscheinungen müsse man - wie beim Blick auf andere Süchte - viel Aufmerksamkeit auf die Konsequenzen des Verhaltens legen. Wenn etwa am Online-Pornokonsum Beziehungen in die Brüche gehen, handle es sich auf jeden Fall „um ein signifikantes Problem“, sagte Montag.

Jeden Tag 50 Unterbrechungen durch das Handy
Ein Phänomen mit großer Bedeutung sei auch die Frequenz der Unterbrechungen von Privat- oder Arbeitsleben durch Smartphone-Aktivitäten. In einer Studie mit rund 100 Studenten kam man auf durchschnittlich immerhin rund 50 Unterbrechungen pro Tag. Das bringe auch Probleme in der Produktivität im Beruf mit sich, führte der Forscher ins Treffen. So sei etwa zu beobachten, dass Menschen unter diesen Umständen kaum mehr in den viel zitierten „Flow“ kommen. Hier zeige sich, dass „wir erst lernen müssen, unseren Alltag mit diesen digitalen Medien neu zu organisieren“, sagte Montag.

Smartphone-addiction.de betreibt Bewusstseinsbildung
Mit der Online-Plattform smartphone-addiction.de möchte der Forscher Einblick in die Suchttendenz im Bezug auf das Smartphone geben. Außerdem gibt die Website einen Einblick, wie die eigene Nutzung im Vergleich zu anderen eingeordnet werden kann. Mittlerweile zählt man laut Montag rund 4000 Nutzer der Plattform.

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