Buwog-Prozess

Grasser: „Kein Tatplan, nicht mein Konto“

Österreich
19.06.2018 17:00

Am 41. Tag des Prozesses gegen den ehemaligen Finanzminister sowie mehrere Mitangeklagte ist nun Karl-Heinz Grasser erstmals selbst zu Wort gekommen. Die Staatsanwälte werfen ihm Geschenkannahme, Beihilfe zur Untreue und Beweismittelfälschung vor. Im Video oben sehen Sie Grasser auf dem Weg in den Gerichtssaal. Ähnlich wie vor ihm Walter Meischberger nützte Grasser sein Recht zu einer selbstverfassten Erklärung, die den gesamten Gerichtstag füllte. Der ehemalige Finanzminister erklärte zu Beginn, nicht schuldig zu sein und trotz der massiven Belastung für seine Familie während der vergangenen neun Jahre dem Prozess auch etwas Positives abgewinnen zu können: „Ich kann nun hier die Wahrheit präsentieren und die Anklagepunkte entkräften.“

Die Anklage basiere auf „Spekulationen, Thesen und Mutmaßungen“, es gebe „keine handfesten Beweise“, so der Hauptangeklagte. Dass er nicht deswegen Minister geworden sei, um einen „gemeinsamen Tatplan“ zur Korruption, wie es ihm die Staatsanwaltschaft zur Last lege, zu entwerfen, versuchte Grasser damit zu begründen, dass er vor seinem Wechsel in die Regierung bei Magna viel mehr verdient habe. Zudem sei sein Wechsel in die Politik eher ein Zufall gewesen, da für den Posten des Finanzministers zunächst Thomas Prinzhorn angedacht gewesen sei.

„Es gab keine Zeit für einen gemeinsamen Tatplan“
Der damalige Bundespräsident Thomas Klestil lehnte diese Personalie der schwarz-blauen Ministerliste jedoch ab - und so sei die Entscheidung auf ihn, Grasser, gefallen. Binnen kürzester und in einer äußerst turbulenten Zeit (Demonstrationen, EU-Sanktionen usw.) habe sich nun der frischgebackene Minister in eine „vollkommen neue Welt“ einarbeiten müssen. In so einer Zeit „gab es keine Zeit für so einen gemeinsamen Tatplan“. „Ich lege doch nicht zehn Kilogramm Dynamit unter meinen Sessel und sprenge mich selbst in die Luft“, formulierte es Grasser sehr plastisch.

Wichtigen Zeugen der Lüge bezichtigt
Den „berühmten“ Zeugen aus dem Infrastrukturministerium, Willibald B., bezichtigte Grasser der Lüge. B. war es, der der Staatsanwaltschaft ein Organigramm skizziert hatte, das im Wesentlichen aus zwei Ästen bestand: Auf der einen Seite der verstorbene Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider und „seine Freunde“, auf der anderen Seite Grasser und andere Mitangeklagte. „So kann das nicht gewesen sein“, meinte der Ex-Finanzminister und brachte auch die Möglichkeit eines persönlichen Rachefeldzugs gemischt mit politischer Intrige ins Spiel. Der beste Freund B.s sei von Grasser aus dem Finanzministeriumskabinett entlassen worden. Später habe sich dieser ehemalige Mitarbeiter Grassers als „angeschossenes Tier, das gefährlich werden könnte“, bezeichnet, erinnerte sich der Hauptangeklagte an eine E-Mail, die er zu Gesicht bekommen habe.

Seine Rolle als Finanzminister stelle die Anklage „vollkommen falsch“ dar, so Grasser. Der Minister gebe entsprechende Ziele vor, mache Vorgaben und überprüfe diese. Politische Kommunikation und die Beantwortung von parlamentarischen Anfragen seien auch im Kompetenzbereich des Ministers angesiedelt. „Aber ein Finanzminister setzt keine operativen Handlungen. Dazu fehlt auch die Zeit. Dafür hat er Profis von innen und außen, hat einen Generalsekretär, hat Sektionsleiter, Abteilungsleiter, Geschäftsführer, Professoren, Kabinette zur Verfügung“, bemühte sich der Hauptangeklagte, seine Rolle bei der konkreten Abwicklung der Buwog-Vergabe zu minimieren. Die zentrale Aussage lautete hier: „Ich habe die Vergabe inhaltlich nicht beeinflusst.“

„Harry Potter dieser Privatisierung“
Die Staatsanwaltschaft sehe ihn als „Harry Potter dieser Privatisierung“ und traue ihm zu, „100 Züge im Voraus alles geplant zu haben, besser als jeder Schachweltmeister“, übte Grasser Kritik an den aus seiner Sicht haltlosen Behauptungen. Die Vergabe sei korrekt verlaufen. „Ich habe Vertrauen, dass dieser Prozess die Wahrheit ans Tageslicht fördern wird“, zeigte sich der Hauptangeklagte zuversichtlich.

Dass nach der zweiten Buwog-Bieterrunde die beiden Angebote so knapp beeinander gelegen waren, konnte sich auch Grasser vor Gericht nicht schlüssig erklären. „Es kann durchaus Zufall gewesen sein.“ Der zentrale Anklagepunkt, er hätte Informationen bezüglich einer „Finanzierungsgarantie“ von 960 Millionen Euro des später unterlegenen Konsortiums mit der CA Immo an der Spitze, wies der Angeklagte vehement zurück und sprach sogar von einer „Erfindung der Staatsanwaltschaft“, die sich alleine aus den Unterlagen nicht ableiten ließe.

Video: Anwalt Manfred Ainedter und Hauptangeklagter Karl-Heinz Grasser beim Eintreffen im Gericht

Vielmehr sei in einer Aufsichtsratssitzung der CA Immo kurz vor der letzten Bieterrunde von einem „Gesamtinvestitionsvolumen“ die Rede gewesen, welches neben dem gebotenen Preis auch die gesamten Kosten für das Konsortium abgebildet habe. Aus diesem alleine sei aber das Maximalgebot keineswegs abzulesen gewesen. Zudem hätte er auch nicht über die entsprechenden Informationen verfügt, so Grasser.

„Das ist nicht mein Konto“
Da es keinen „Tatplan“ gegeben habe, seien auch keine Zahlungsströme über Finanzkonstruktionen quer durch die halbe Welt auf Konten gelandet, die ihm zugeordnet werden könnten, so Grasser. Von allen Konten, die in der Anklage und in der Hauptverhandlung erwähnt wurden, sei ihm keines zuzurechnen. Das berühmte Konto 400.815 sei „nicht mein Konto“ und sei auch „nie mein Konto“ gewesen.

Die Probleme mit Frau Grassers Kreditkarte
„Verdächtige“ Bareinzahlungen auf sein Konto bei der Raiffeisenbank erklärte der Ex-Finanzminister mit Rückzahlungen seiner Frau, die ihre „Schulden“ stets bar zurückgezahlt hätte. So schilderte Grasser, dass er die Hochzeitskosten zunächst alleine übernommen habe, danach aber seine Gattin Fiona Pacifico Griffini-Grasser ihren Anteil zurückgezahlt hätte. Auch habe Griffini-Grasser „immer wieder Probleme“ mit ihrer Kreditkarte gehabt - und er als Ehemann habe einspringen müssen. Das Bargeld, das er danach von seiner Gattin erhalten habe, habe er dann eben auf sein Konto eingezahlt.

Im Fall einer Verurteilung drohen dem früheren Politiker bis zu zehn Jahre Gefängnis. Bisher hat Grasser alle Vorwürfe entschieden zurückgewiesen, er sieht sich politisch und medial verfolgt. Nach seinen Ausührungen wird der Hauptangeklagte von Richterin Marion Hohenecker einvernommen werden.

Grasser war in zwei Regierungen unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) Finanzminister: zuerst als Freiheitlicher und dann auf einem ÖVP-Ticket. Vom 4. Februar 2000 bis zum 11. Jänner 2007 dauerte seine Amtszeit. Er soll laut Anklage über Peter Hochegger und Walter Meischberger als Mittelsmänner bei der Privatisierung der Bundeswohnungen im Jahr 2004 eine Millionenprovision lukriert haben - als Gegenleistung dafür sollen geheime Informationen an die dadurch siegreichen Bieter geflossen sein.

Auch für die Einmietung der Finanzbehörde in das Linzer Bürohaus „Terminal Tower“ soll er erst nach der Zusicherung einer Bestechungszahlung grünes Licht gegeben haben. Der „gemeinsame Tatplan“ mit seinen Vertrauten Meischberger, Peter Hochegger und Ernst Plech soll die Bereicherung durch Korruptionsgeschäfte gewesen sein, so die Anklage. Auch dieser Anklagepunkt werde „zerplatzen wie eine Seifenblase“, versprach Grasser am ersten Tag seiner Einvernahme.

Hochegger belastet Grasser massiv
Im bisherigen Prozessverlauf wurde Grasser vom mitangeklagten früheren Lobbyisten und Geschäftspartner Peter Hochegger massiv belastet. Er habe von Meischberger erfahren, dass er die Millionenprovision aus der Buwog-Privatisierung Grasser zu verdanken habe, sagte Hochegger. Hingegen pocht Meischberger weiter darauf, er habe alleine durch seine eigene Lobbying- und Beratungstätigkeit rund acht Millionen Provision verdient. Die Aufteilung des Geldes auf drei Konten in Liechtenstein habe nur mit seiner eigenen Finanzplanung zu tun, Grasser habe ihm weder geheime Informationen weitergegeben noch Schmiergeld genommen.

„Alle wollen Grasser hängen sehen“
Auch vor Gericht blieb Grasser dabei und ließ kein gutes Haar am bisherigen Auftreten Hocheggers. Das Teilgeständnis Hocheggers im vergangenen Dezember habe ihn „schockiert und betroffen“ gemacht“, meinte Grasser. „Er versucht sich, mit Unwahrheiten freizukaufen. Das ist für mich eine Katastrophe und für den Herrn Hochegger ein Armutszeugnis“, legte der Hauptangeklagte nach und stellte klar, dass es zwischen ihm und dem „PR-Profi“ nach einem Streit im Jahr 2007 keinen Kontakt mehr gegeben habe. Sie hätten sich erst im Gericht wiedergesehen. Und dort versuche Hochegger nun seinen „Film ,Alle wollen Grasser hängen sehen‘“ zu verbreiten. Der Film habe allerdings nichts mit der Wahrheit zu tun.

Am Ende seiner persönlichen Erklärung appellierte Grasser an die Richterin, ihr Urteil auf Zeugen und den vorliegenden Fakten zu stützen. Zudem brachte er seine Hoffnung zum Ausdruck, nach all der „medialen Vorverurteilung“ einen fairen Prozess zu haben. „Ich hatte kein Motiv, meine wirtschaftliche Existenz und meine Familie zu zerstören“, so Grasser in seinem ziemlich emotionalen Schlusswort.

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