BND-Liste aufgetaucht

Wie umfassend deutsche Spionage in Österreich war

Österreich
15.06.2018 22:32

„Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht!“ Mit diesen Worten kommentierte Bundeskanzlerin Angela Merkel im Jahr 2013 das Auffliegen des Spionageprogramms des US-Auslandsgeheimdienstes NSA und die Tatsache, dass auch ihr Handy abgehört worden war. Später musste aber die deutsche Regierungschefin selbst eingestehen, dass ihr Bundesnachrichtendienst ebenfalls befreundete Staaten ausspionierte - darunter auch Österreich. Zu den bisher bekannten Zielen kommen nun deutlich mehr dazu. In einer geleakten BND-Datei werden für den Zeitraum zwischen 1999 und 2006 insgesamt 2000 Telefon-, Fax- und Mobilanschlüsse sowie E-Mail-Adressen aufgelistet, die systematisch überwacht wurden.

Wie das „Profil“ und der „Standard“ vorab berichten, nahm der BND „Ministerien in Wien, Firmen, internationale Organisationen, islamische Einrichtungen ebenso wie Terrorverdächtige und Waffenhändler ins Visier“. Besonderes Augenmerk sei auf die in Wien angesiedelten internationalen Einrichtungen gelegt worden. Auch die Austria Presse Agentur - und zwar ein vom BND der außenpolitischen Redaktion zugeordneter Faxanschluss - habe sich unter den Spähzielen befunden. Die abgefangenen Informationen seien mit anderen Geheimdiensten - etwa der US-amerikanischen NSA - geteilt worden.

Nur Metadaten oder auch Inhalte erfasst?
Noch sei nicht geklärt, ob auch Inhaltsdaten erfasst wurden, bei Fax-Geräten könnte dies aber der Fall sein. „Mehr als die Hälfte der nicht ganz 2000 Einträge entfällt auf Faxnummern“, heißt es im “Profil“. Besonders brisant ist, dass sich zahlreiche Firmen auf der sogenannten Selektoren-Liste befinden - österreichische ebenso wie Dependancen internationaler Unternehmen. Es stelle sich die Frage, „ob der BND über seine Zielaufgaben hinaus auch Wirtschaftsspionage in Österreich betrieben hat, um Deutschland einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen“, schreibt der „Standard“. „Das wäre auch nach deutschem Recht unzulässig“. Aber auch die anderen Ziele „lassen sich nur teilweise durch das Aufgabenprofil des Bundesnachrichtendienstes erklären.“

Die Authentizität der Datei sei von mehreren Seiten bestätigt worden. Österreichische Ziele seien beim BND überproportional stark vertreten gewesen. Das BND wollte sich gegenüber den Journalisten nicht äußern: „Zu operativen Aspekten seiner Arbeit berichtet der Bundesnachrichtendienst grundsätzlich nur der Bundesregierung und den zuständigen, geheim tagenden Gremien des Deutschen Bundestages“, hieß es aus dem BND auf eine entsprechende Anfrage.

Liste Pilz will Nationalen Sicherheitsrat einberufen
Die Liste Pilz reagierte empört, und forderte eine umfassende Aufklärung. „Sollten sich diese schwerwiegenden Vorwürfe bewahrheiten, hätten die zum Zeitpunkt bei uns Verantwortlichen beim Schutz der wirtschaftlichen und politischen Interessen versagt“, sagte Alma Zadic am Freitagabend. Die Liste Pilz werde den Nationalen Sicherheitsrat einberufen. Listengründer Peter Pilz hatte sich nach Auftauchen erster Meldungen über deutsche Lauschangriffe auf österreichischem Territorium intensiv mit der Materie beschäftigt und Geheimverträge aufgedeckt. Sein Bemühen um einen Untersuchungsausschuss schlug aber fehl.

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