Kanada

Rideau-Kanal: Mit dem Hausboot durch Ontario

Reisen & Urlaub
18.06.2018 07:00

Der Rideau-Kanal, ein technisches Meisterwerk und Weltkulturerbe, verbindet die kanadische Hauptstadt Ottawa mit dem Ontariosee. Auf dem 200 Kilometer langen Wasserweg lassen sich auf einem Hausboot von Le Boat die Naturschönheiten des Bundesstaates sowie viele interessante Ortschaften entdecken.

Kanada, endlose Weiten, Traumziel von Urlaubern und Auswanderern. Ontario im Südosten des Bundesstaates gelegen, ist die bevölkerungsreichste Provinz und zwölfmal so groß wie Österreich. Für Natur im Überfluss bleibt also genug Platz. Wir starten in Spring Falls, eine Autostunde südlich von Ottawa. In der Kleinstadt steht nicht nur die größte Hanfplantage des Landes. In Smiths Falls hat auch Europas führender Bootvermieter seine neue Basis errichtet. Hier stehen Hausboote - sie ähneln optischer einer Jacht - in verschiedenen Varianten zur Verfügung. Vom luxuriösen 2-Kabinen-Hausboot für Paare bis hin zu geräumigen 4-Kabinen-Booten für Familien. Eine vollausgestattete Küche, Duschen und Toiletten befinden sich an Bord. Die Boote können ohne Bootsführerschein von jedem Erwachsenen gesteuert werden. Vor dem Ablegen schult fachkundiges Personal Kapitän und Passagiere ein. Leinen los.

Wir fahren auf dem Rideau-Kanal, der über ein ausgeklügeltes Schleusensystem mehrere Seen, Flüsse und natürliche Wasserläufe verbindet, in Richtung Westen. Erbaut von den Briten gegen die Amerikaner, bietet der Kanal heute eine bequeme Gelegenheit, die natürlichen Schönheiten Ontarios und viele interessante Ortschaften zu entdecken. Um die Höhenunterschiede zu überwinden, hat die Wasserstraße 47 Schleusen. Wie bei der Eröffnung 1832 werden die Schleusen noch heute händisch auf- und zugedreht. Ontario beschäftigt dafür eigenen Schleusenwärter, oft Hochschüler, die sich ihr Studium verdienen. Wegen der Schleusen hat die UNESCO die Wasserstraße zum Weltkulturerbe erklärt.

Erster Halt ist Perth, an einem Seitenarm gelegen
Die von schottischen Auswanderern errichtete Siedlung ist stolz auf seine Musikfestivals im Sommer und den größten Käse, den die Erde je gesehen hat. 3000 Kühe lieferten die Zutaten. Als der Riesenlaib jedoch bei der Weltausstellung in London ankam, war er verdorben. Eine Attrappe ist noch heute auf dem Hauptplatz zu bewundern. Rund um Perth schlängelt sich der Kanal durch Schilfgürtel und Niedermoore. Ein Naturparadies und bevorzugte Brutstätte von Vögeln.

Die Boote kosten zwischen 1650 und 5000 Euro Miete pro Woche. Je nach Saison. Sparen kann man, indem man selbst kocht. Die Bordküche umfasst zwei Kühlschränke, einen Gasherd mit Ofen, Mikrowelle sowie Pfannen, Besteck und Geschirr. Apropos Essen: Kanadas Nationalgericht heißt Poutine. Basis sind Pommes mit Bratensauce und geschmolzenem Käse. Wahlweise kommen Garnierungen dazu, vom Rindfleisch über Gemüse bis zu Meeresfrüchten. Und Kanada ist Craft-Beer-Land. Jeder Ort, der etwas auf sich hält, hat seine eigene Brauerei. Wer geschmacklich auf der sicheren Seite sein will, sollte das bernsteinfarbene Amber probieren. Es zergeht auf der Zunge und ist fast überall erhältlich. Gelegentlich ist beim Getränkeangebot auch Österreichisches dabei. In guten Restaurants in Ottawa sind Weine aus dem Kamptal und der Wachau zu finden. Und in so manchem Pub lächelt ein Stiegl aus der Karte.

Zurück aufs Wasser. Die Schleusen sind rasch passiert. 20 bis 30 Minuten dauert ein An- und Ablegemanöver. Ab Ridau Ferry wandelt sich die Landschaft. Die Ufer sind steiler, bewaldet, fjordähnlich. Überall stehen Ferienhäuser. Von karg bis luxuriös, selbstverständlich aus Holz und mit einem Kanu oder Motorboot davor. Keinesfalls darf die gehisste Flagge mit dem Ahornblatt fehlen. Nach drei Stunden legen wir in Westport an. An dessen Ortsrand erhebt sich Foley Mountain mit einer Aussichtplattform, die einen herrlichen Blick über die Seenplatte freigibt. Die Boote fahren bis zu 10 km/h schnell. Caffey’s Lock, unser nächster Halt, ist in zweieinhalb Stunden erreicht. Der Ferienort eignet sich gut zum Kajakfahren und Stand-up-Paddeln. Die Ausrüstung kann vor Ort ausgeliehen werden. Aus Zeitgründen geht es weiter mit dem Bus nach Kingston, wo der Rideau- Kanal und der St.-Lorenz-Strom in den Ontariosee münden. Die 150.000-Einwohner-Stadt durfte sich in der Kolonialzeit drei Jahre lang Hauptstadt nennen. Doch Kingston liegt gefährlich nahe an der US-Grenze. Aus Angst vor einer Invasion verlegten die Kanadier ihren Regierungssitz weiter ins Landesinnere. Die Top-Attraktion ist Fort Henry, eine massive Wehranlage über den Flussmündungen. Das Fort sollte die US-Truppen abwehren. Allerdings griffen sie an dieser Stelle niemals an. Im Ersten Weltkrieg diente die Anlage als Gefangenenlager auch für österreichische Soldaten. Heute spielen Studenten in historischen Uniformen den Garnisonsalltag nach. Sehenswert sind zudem die vielen viktorianischen Häuser Kingstons. Wer will, kann eine Gruseltour durch das alte Stadtviertel buchen. Die esoterisch angehauchte Führerin erzählt von Gehängten, Untoten und Geistern, die frommen Pfarrerstöchtern nachstellen. Wirklich zum Knieschlottern ist das nicht. Selbst Zartbesaitete können bedenkenlos mitmachen.

Von nun an geht es zurück nach Ottawa
Die 1-Million-Einwohner-Metropole erhält heuer ihre erste U-Bahn-Linie. Der Rideau-Kanal verwandelt sich hier im Winter zur größten Eislauffläche Kanadas. Ab dem Frühjahr gleiten die Jachten unter den Augen von John By, dem Kanal-Konstrukteur, beschaulich durch das Wasser. Der englische Offizier war ein technisches Genie, hatte aber die Kosten nicht im Griff und fiel in Ungnade. Heute, wo öffentliche Großprojekte regelmäßig im finanziellen Fiasko enden, ist der Mann rehabilitiert. Ottawa hat ihm eine große Statue gewidmet. Touristisch interessant sind die Regierungsgebäude aus dem 19. Jahrhundert inklusive Wachablöse. Very British! Und dann gibt es noch Merrickville. Es liegt 45 Autominuten südlich von Ottawa und ebenfalls an einer Schleuse. Einst Hippie-Kommune, hat sich der Ort zu einer Kunsthandwerk-Kolonie gemausert. Bekleidung, Nahrungsmittel bis hin zum Glasbläser, dem man bei der Arbeit zusehen kann - hier findet jeder ein ungewöhnliches Souvenir für zu Hause.

Alexander Schönherr, Kronen Zeitung

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