Album „Noonday Dream“

Ben Howard: Vertonte Tagträume im Indie-Kleid

Musik
02.06.2018 07:00

Nach dem vergangenen Tourstress wollte der introvertierte Singer/Songwriter Ben Howard eigentlich Dichter werden, doch die Realität kam ihm inzwischen. In Nicaragua kamen ihm Einleuchtung und Selbsterkenntnis und so hat sich der 31-Jährige doch wieder auf ein neues Album konzentriert. „Noonday Dream“ wurde dieser Tage veröffentlicht.

(Bild: kmm)

Nach seiner letzten Tour hatte Ben Howard eigentlich genug von Musik. Sein Plan: Dichter werden. Der 31-jährige Singer/Songwriter aus Devon reiste mehrfach nach Nicaragua und las dort jede Menge Gedichte lokaler Poeten. „Ich dachte, ich könnte das auch - habe aber herausgefunden, dass ich einfach nicht gut darin bin“, gestand er der „Times“.

Rares Interview
Es ist eines der wenigen Interviews von Howard. Er mag es nicht, sein Schaffen zu erklären und schert sich angeblich nicht darum, was andere von seiner Musik halten. Das tut seinem Erfolg aber keinen Abbruch. Seine Mischung aus Indie-Folk, Ambient und Rock - markant dabei: das rhythmische Zupfen seiner Akustikgitarre („Pick-And-Go“-Technik) - brachte ihm vor sieben Jahren zwei Brit Awards ein, für sein Debüt „Every Kingdom“ mit zeitlos schönen Songs wie „Only Love“, „Old Pine“, „Keep Your Head Up“. Daran konnte das rockigere „I Forget Where We Were“ (2014) nicht ganz anknüpfen.

Nun schlägt der surfende Nomade - aktuell lebt er in einem Airbnb in Paris - mit dem erneut selbst produzierten „Noonday Dream“ nochmals neue Klänge an: atmosphärisch, hypnotisch, schwelgerisch kommen die zehn Tracks daher, die mitunter an die sieben Minuten reichen. So auch der flirrende Opener „Nica Libres At Dusk“, der - typisch Howard - leise beginnt und dann allmählich seine Strahlkraft entfaltet. Das Video dazu liefert die passenden Bilder: Ein ziellos im staubig-kargen, heißen Atlasgebirge schlendernder Howard. Der Titel verweist noch auf seine Poesie-Mission. Ein Nica Libre ist ein Rum-Cola-Cocktail, ähnlich wie der Cuba Libre. Nur eben aus Nicaragua. Poetisch und entsprechend kryptisch sind auch Textzeilen wie diese: „Door is locked / My gums are bleeding / Clothes are off / My health receeding“.

Meditativ
Eines der stärksten Stücke ist das noch etwas längere „A Boat To An Island On The Wall“, das sich behutsam aufbaut, wabernd, rastlos, betörend, und einen schließlich mitreißt auf die imaginäre Insel. Weniger Wumms, dafür mehr Meditation liefert dessen Fortsetzung, „A Boat To An Island Pt. 2 / Agatha‘s Song“. Auch das sinnlich-treibende, mit Streichern untermalte „Someone In The Doorway“ hallt nach.

„Noonday Dream“ ist erst nach und nach gereift, ohne genauen Plan - ein musikalischer Abenteuertrip mit auch mal sinnlosen Exkursen. Ein Beispiel: Das eineinhalb Meter tiefe Loch, das Howard in seinem Garten in Devon aushob. „Auf der Suche nach Inspiration musste ich etwas mit meinen Händen machen“, erklärte er der „Times“. Ein Lied sei daraus aber nicht entstanden.

Naturbelassen
Entscheidend seien dagegen die Sessions mit Mickey Smith (Co-Produzent und Co-Texter) in einer kleinen Hütte bei Cornwall gewesen, wo Howard auch wochenlang lebte. Dort hätten sich die Songs noch einmal „dramatisch verändert“. Vielleicht auch, weil Howard diesmal „sesshafter als je zuvor“ war. „Ich sah Rehe drei Tage vor jedem vollen Mond wiederkommen. Ich beobachtete das Wetter, wie es sich veränderte. So vieles passiert in der Wildnis, über was wir uns keine Gedanken machen“, so Howard. Das klingt stark nach Bon Iver - dem US-Musiker Justin Vernon, der im Winter 2006/07 in der Holzhütte seines Vaters sein erstes Album „For Emma, Forever Ago“ aufnahm.

Howards neues Album entstand unter anderem in den berühmten Sawmills-Studios in Cornwall, wo auch Bands wie Muse, Oasis, The Stone Roses und Supergrass gastierten. Unterstützung bekam der 31-Jährige, der Van Morrison, Joni Mitchell und Simon & Garfunkel zu seinen musikalischen Einflussgebern zählt, vom Produzenten John Cornfield und dem Soundingenieur Chris Elms. „Mit einem Mal waren die Songs schön. Ungewöhnlich, aber so schön“, erinnert sich Howard in dem Zeitungsinterview. Recht hat er. Gut, dass es mit der Poesie nicht geklappt hat.

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