„Krone“-Interview

Neuer Kammer-Chef will „auf Österreich schauen“

Österreich
19.05.2018 06:00

Harald Mahrer, der Nachfolger von Christoph Leitl als Präsident der Wirtschaftskammer, war Geschäftsführer der PR-Agentur Pleon Publico, Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung sowie Kurzzeit-Wirtschaftsminister. Im „Krone“-Interview spricht Mahrer über Millionen Euro für ein neues Bildungsprojekt, Effizienz in der Kammer und Sozialpartner.

„Krone“:Ihr Vorgänger, Christoph Leitl, hat das Zitat geprägt: „Österreich ist abgesandelt.“ Welcher Satz soll Ihre Präsidentschaft bestimmen?
Harald Mahrer: „Wir schauen auf Österreich.“ Ich möchte ein breites Verständnis für Unternehmertum in die Gesellschaft bringen - denn Wirtschaft sind wir alle. In Wahrheit haben wir 8,6 Millionen Mitglieder, um die wir uns kümmern müssen, wenn es um die Zukunft Österreichs geht.

Wie soll das gelingen in Zeiten, da die Notwendigkeit der Kammer gerne öffentlich infrage gestellt wird?
Indem man sachorientiert und leidenschaftlich argumentiert, aber ohne Gräuelpropaganda. Stichwort Arbeitszeitflexibilisierung, wo man den Leuten jetzt suggeriert, dass künftig alle mehr arbeiten müssen.

Mit Ihnen wechseln auch die Akteure bei Arbeiterkammer, Gewerkschaft und Landwirtschaftskammer. Wie soll die neue Sozialpartnerschaft aussehen?
Es bedarf einer vertrauensvolle Beziehung und ich gebe ihnen Vorschusslorbeeren. Auf uns kommen große Herausforderungen zu. Um sich ihnen zu stellen, müssen wir aus der Sozial- eine Zukunftspartnerschaft machen und sie um die besten Köpfe erweitern, von der Wissenschaft bis hin zur Zivilgesellschaft.

Um welche Herausforderungen geht es?
Die größte ist die internationale Konkurrenz. In China wächst der Mittelstand in den kommenden fünf Jahren von 250 auf 500 Millionen Menschen - und dort können Unternehmen vollkommen ohne Hindernisse arbeiten. Gleichzeitig hält die Digitalisierung uns alle auf Trab. Die Frage wird sein: Wie können wir Sicherheit, Wachstum und Wohlstand für Österreich weiterhin garantieren?

Und die Antwort darauf?
Der Erfolg unserer Wirtschaft beruht auf drei Säulen: ein bunter Branchenmix, bedingungslose Qualität und die Innovationskraft unserer Mitarbeiter. Als Wirtschaftskammer müssen wir genau das fördern.

Mit welchen Mitteln?
Ich will einen dreistelligen Millionenbetrag für ein großes Bildungsinvestitionspaket bereitstellen. Bis Herbst soll das Konzept - und auch die Finanzierung - fertig sein. Eine Idee ist ein Bildungscampus, an dem wir aus der dualen eine triale Ausbildung - erweitert um einen digitalen Schwerpunkt - machen. Dort können Lehrlinge aus-, aber auch Fachkräfte weitergebildet werden.

Mehr Geld für Investitionen, obwohl die Kammer ab 2019 mit 100 Millionen Euro weniger an Beiträgen pro Jahr auskommen muss?
Wir arbeiten laufend daran, effizienter zu werden, dürfen aber nicht aufhören, auf die Bedürfnisse der Unternehmen einzugehen. Ein Betrieb in vierter Generation hat andere Anforderungen als ein Gründer. Zweitere könnte man unterstützen, indem man die beitragsfreie Zeit verlängert.

Was brauchen die Unternehmer von der Politik?
Ich werde die Regierung daran messen, wie weit sie die Steuer- und Abgabenquote für Unternehmer und Arbeitnehmer senkt, wie viele Regeln sie abschafft und wie sie auf neue Arbeitsformen reagiert. Beispiel Sozialversicherung: Wenn ein Angestellter nebenbei Websites gestaltet und damit 2000 Euro im Jahr verdient - warum muss er sich doppelt versichern? In solchen Fällen sollte man das Einkommen zusammenziehen und die Versicherung der Haupttätigkeit - selbstständig oder unselbstständig - zuordnen.

Stichwort Versicherung: Welche Struktur der Sozialversicherungsträger halten Sie für die sinnvollste?
Die Wirtschaftskammer hat schon vor über einem Jahr für das Fünf-Träger-Modell plädiert. Wir haben einen medizinischen Standard, um den uns viele beneiden - damit das so bleibt, bin ich für die Selbstverwaltung. Nach meiner Erfahrung in der Regierung bin ich skeptisch, dass der Staat günstiger und bürgernäher arbeitet. Aber die finanziellen Mittelflüsse muss man entflechten.

Georg Wailand und Teresa Spari, Kronen Zeitung

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