Soldaten unter Verdach

Golan-Protokoll: „Winkt, solange ihr noch könnt“

Österreich
28.04.2018 15:41

Nur einen Tag nachdem das von einem Whistleblower unter anderem der „Krone“ zugespielte erschütternde Video von dem Massaker von Schmugglern an neun syrischen Geheimdienstpolizisten auf den Golanhöhen im September 2012 öffentlich wurde, hat die von Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) eingesetzte Untersuchungskommission am Samstag ihre Arbeit aufgenommen. Kunasek fordert volle und rasche Aufklärung über den Vorfall am Checkpoint. Die Hauptfrage bezieht sich darauf, ob die Blauhelme aus Österreich das Blutbad bewusst bzw. auf Befehl zugelassen haben. So spricht einer der Soldaten im Video von einem „Himmelfahrtskommando“ und davon, dass den Angriff keiner überleben werde. „Winkt, solange ihr noch könnt“, sagt der Soldat vor dem Angriff in Richtung der Geheimdienstpolizisten. Hier das Protokoll der Gespräche der Blauhelme vor und während des Angriffs.

Über den Fall hatte am Freitag zunächst die Wiener Stadtzeitung „Falter“ berichtet. Aus dem zugespielten Videomaterial lässt sich folgender wahrscheinlicher Sachverhalt rekonstruieren: Am 29. September 2012 beobachten Österreicher zur Mittagszeit über ein Fernrohr, wie sich mehrere Männer - es dürfte sich um Schmuggler und Gegner des Regimes von Syriens Machthaber Bashar al-Assad gehandelt haben - in Bergstellungen schwer bewaffnet verstecken.

„Das ist ein Himmelfahrtskommando, bist du deppert“
Von der Position der Soldaten aus scheint klar zu sein, dass hier ein Anschlag geplant wird. „Ein Schuss ist schon gefallen, das kannst gleich durchgeben. Jetzt warten’s nur noch, bis sie rüberfahren, damit sie es dort besser können“, sagt zu Beginn der Aufnahmen ein Soldat in österreichischem Dialekt zu seinen Kameraden. Ein anderer versucht, die Strategie der Schmuggler nachzuvollziehen: „Sie haben wahrscheinlich gedacht, unten über die Kuppe fahren’s rein, dann hätten sie genau den Wirkungsgrad.“ Eine Stimme aus dem Hintergrund sagt entsetzt: „Das ist ein Himmelfahrtskommando, bist du deppert.“ Mit einem Massaker rechnet zu diesem Zeitpunkt wohl aber noch keiner: „Das werden sie wohl mitkriegen, wenn wir hier stehen.“ Kurzes Gelächter. „Setz deinen Helm auf“, warnt ein Soldat den Videofilmer. „Dann kann ich aber nicht mehr durchschauen“, antwortet dieser.

„Geh du in Deckung, du hast gar nichts auf“
Danach passiert längere Zeit nichts, der Kameramann macht Aufnahmen von der Umgebung. Dann kommt erstmals der weiße Mitsubishi der syrischen Geheimdienstpolizisten zum Vorschein. „Er schaut eh mit dem Feldstecher hinaus zu uns. Winkt‘s noch, solange ihr könnt‘s“, sagt der Kameramann. „Geh du in Deckung, du hast gar nichts auf“, warnt ein Soldat abermals den Kameramann. „Gute Idee“, antwortet dieser. Als sich die syrischen Geheimdienstpolizisten immer weiter annähern, macht sich langsam Nervosität unter den Blauhelmen breit. „Ab jetzt langsam Stellung besetzten, die kommen sicher rüber zu uns“, gibt ein Blauhelm den Befehl aus. „Ich muss noch ausschalten, ich weiß aber nicht, wie das geht. Jetzt kommen’s herauf. Ich würde sagen, wir gehen ihnen jetzt aus dem Sichtbereich“, sagt der Kameramann, der immer wieder darauf hingewiesen wurde, seinen Helm aufzusetzen. Darauf die Antwort: „Mein Gott, weil das eh was hilft, weil dann ist das Genick auch ab.“

„Wenn die da jetzt rüberfahren und da überlebt einer, der knallt uns ab“
Danach setzen sich die Blauhelme gemeinsam in Bewegung, Die Kamera läuft weiter. Es folgen Funksprüche - offensichtlich mit der Kommandozentrale. Danach ist zu hören, wie sich österreichische Soldaten auf Englisch mit den syrischen Geheimdienstpolizisten unterhalten. Als das Gespräch beendet ist, sagt ein Soldat zu seinen Kameraden: „Normal müsstest das sagen. Wenn die da jetzt rüberfahren und da überlebt einer, der knallt uns ab.“ Ein Kamerad antwortet: „Die da unten haben es jetzt voll leicht. Die putzen sich jetzt auf uns ab.“ Daraufhin der vermeintliche Einsatzleiter: „Ich hab’s ihnen eh gesagt.“

„Heute habe ich zum ersten Mal live gesehen, wie einer umgebracht wird“
Als die Blauhelme ihre Stellung bezogen haben, sieht man, wie der weiße Mitsubishi weiterfährt. „Die fahren noch. Jetzt wird’s nicht mehr lange dauern, das sage ich dir. Jetzt geht’s gleich los, die greifen sicher zwischendrin an“, hat ein Soldat bereits eine schlimme Vorahnung. Der Mitsubishi fährt weiter, danach fallen Schüsse und einer der Geheimdienstpolizisten fällt vom Auto. „Einer ist schon runtergefallen“, berichtet ein Blauhelm. Es folgt ein lauter Schusswechsel. „Bist du deppert, ein paar Tote sind schon. Zwei sind noch. Ich glaub beim Auto ist sicher keiner mehr“, schreit ein Soldat entsetzt. Im Hintergrund ist zu hören, wie der Einsatzleiter Meldung an die Kommandozentrale macht. Immer wieder fallen Schüsse. „Feuerstillstand, fast. Auto ist fetzenhin“, ist dann von einem Blauhelm zu hören. „Heute habe ich zum ersten Mal live gesehen, wie einer vor einem Auto umgebracht wird“, sagt ein Soldat zum Kameramann.

„Denk dir einmal, du bist das ...“
Ensetzen macht sich unter den Soldaten breit. „Drei Mann sehe ich noch, die sich bewegen, einer zuckt.“ Danach nähern sich die Schmuggler dem Mitsubishi. „Der hat eine Handgranate. Der schießt in den Graben rein, ich glaube, da liegen noch zwei.“ Offensichtlich versuchte ein Geheimdienstpolizist, mit Handzeichen Kontakt zu den Blauhelmen aufzunehmen. Ein anderer Soldat berichtet: „Schau, jetzt hat er ihn abgeknallt. Jetzt ist er hin. Und der andere haut wieder ab. Hast gesehen, ein voller Headshot. Aber er lebt noch. Nein, jetzt hat‘s ihn auch erwischt. Jetzt sind‘s alle hin.“ Ein Soldat wirkt niedergeschlagen: „Denk dir einmal, du bist das. Ich habe gesehen, wie es die Leute vom Auto umgenietet hat. Und das Blut ist geflogen.“

Blauhelmen drohen Strafverfahren
Danach ist wieder der Funkkontakt zwischen der Truppe und der Kommandozentrale zu hören. „Wir benötigen Erste Hilfe“, sagt der Einsatzleiter. Ein Soldat antwortet darauf: „Da hat keiner überlebt, das kannst gleich abblasen.“ Danach ist wieder der Einsatzleiter zu hören: „Gefecht hat noch nicht aufgehört, es wird weiter gefeuert.“ Danach endet das Video. Den Blauhelmen könnte nun ein Strafverfahren in Österreich ins Haus stehen. Sie könnten „im schlimmsten Fall“ wegen Beihilfe zum Mord belangt werden, kommentierte Völkerrechtler Manfred Nowak die Aufnahmen. „Sie hätten die Pflicht gehabt, die Syrer zu warnen.“

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