„Kaviar-Diplomatie“

Aserbaidschan kaufte Schweigen zu Menschenrechten

Ausland
23.04.2018 14:38

Ein Korruptionsskandal erschüttert derzeit den in Straßburg ansässigen Europarat. Abgeordnete des Rates, der sich besonders für Menschenrechte einsetzen soll, sollen über Jahre Geld und Luxusgüter aus Aserbaidschan erhalten haben, um im Gegenzug kritische Berichte zur Menschenrechtslage in der ehemaligen Sowjetrepublik zurückzuhalten oder gar gänzlich verschwinden zu lassen. Aserbaidschans „Schlüssel-Lobbyisten“ waren einem Bericht des mittlerweile eingesetzten Ermittlungsausschusses zufolge der ehemalige italienische Christdemokrat Luca Volonte und der frühere deutsche CSU-Abgeordnete Eduard Lintner. Beide weigerten sich, zur mündlichen Befragung zu erscheinen.

Aserbaidschan versucht den Ermittlern zufolge seit seiner Aufnahme in den Europarat im Jahr 2001, die Arbeit der paneuropäischen Länderorganisation zu beeinflussen. In der Parlamentarierversammlung, der 324 nationale Abgeordnete aus den 47 Mitgliedsstaaten angehören, hat die ölreiche ehemalige Sowjetrepublik nach Informationen von NGOs eine Reihe von Abgeordneten mit Geldzuwendungen, aber auch Geschenken wie Kaviar, Luxusuhren oder Teppichen bestochen. Auf diese Weise gelang es ihr, kritische Berichte über Wahlen oder die Menschenrechtslage in dem Land zu verhindern. Neben zahlreichen politischen Gefangenen, die in aserbaidschanischen Gefängnissen sitzen, ist es auch um die Pressefreiheit nicht allzu gut bestellt.

Schmiergelder über Briefkastenfirmen erhalten
Gegen Volonte hatte die Staatsanwaltschaft in Mailand Ende 2016 ein Ermittlungsverfahren wegen Korruption und Geldwäsche eingeleitet, was den Skandal im Europarat ins Rollen brachte. Dabei ging es um Bestechungsgelder aus Aserbaidschan in Höhe von fast 2,4 Millionen Euro - abgewickelt über die gleichen britischen Briefkastenfirmen, über die auch Lintner dem aktuellen Bericht zufolge 819.500 Euro aus Baku erhielt. Erarbeitet wurde der über 200 Seiten umfassende Bericht von den beiden ehemaligen Richtern am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), Nicolas Bratza und Elisabet Fura, sowie Jean-Louis Bruguiere, einem der bekanntesten Untersuchungsrichter Frankreichs.

Kurz nach der Veröffentlichung des Berichts zog die Organisation bereits erste Konsequenzen. Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung, die sich unethisch verhalten oder nicht an der Aufklärung der Korruptionsvorwürfe mitgewirkt hätten, sollten ihr Mandat vorerst ruhen lassen, sagte der Präsident der Parlamentarischen Versammlung, Michele Nicoletti, am Montag in Straßburg. Dazu gehört unter anderem der ehemalige Präsident des Gremiums, der Spanier Pedro Agramunt.

SPÖ-Bundesrat traf Menschenrechtsaktivistin
SPÖ-Bundesrat Stefan Schennach, bisheriger Co-Berichterstatter für Aserbaidschan im Europarat, wird in dem Bericht angelastet, gegen den Verhaltenskodex der Organisation verstoßen zu haben. Bei der Befragung habe er erklärt, dass er unter anderem mit der aserbaidschanischen Menschenrechtsaktivistin Leyla Yunus oft in Kontakt gewesen sei. Diese habe ihrerseits angegeben, dass sie von Schennach sogar einige Resolutionsentwürfe zum Kommentieren erhalten hätte. „Nach Ansicht der Untersuchungskommission widerspricht eine solche Vorgehensweise von Herrn Schennach den Erfordernissen der Neutralität, Unparteilichkeit und Objektivität der Arbeit eines Berichterstatters“, heißt es auf Seite 122 des Berichts.

Schennach zeigte sich auf einem über Twitter am Sonntagabend veröffentlichten Statement verwundert über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe: „Ich frage mich, habe ich die Regeln gebrochen, weil ich zu engagiert mit NGOs und Menschenrechtsverteidigern bin und Leyla Yunus für ihre Kommentare kontaktiert habe - ich hoffe, dass der Regelausschuss und das Beobachterkomitee das anders sehen werden.“ Er, teilte Schennach auf Englisch weiter mit, werde auf die Funktion des Berichterstatters vorerst verzichten.

„Kaviar-Diplomatie“ immer wieder Thema
Über die „Kaviar-Diplomatie“ der Regierung in Baku hatte bereits im Mai 2012 die in Berlin ansässige Organisation European Stability Initiative (ESI) ausführlich berichtet. Drahtzieher war laut dem ESI-Bericht Ilham Aliyev, der selbst Vizepräsident der Parlamentarierversammlung war - bevor er 2003 zum Präsidenten Aserbaidschans gewählt wurde. ESI-Vorsitzender ist der Österreicher Gerald Knaus, „Vordenker“ des EU-Flüchtlingsabkommens mit der Türkei.

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