Abschiedsbrief

Das war der Grund für die Amokfahrt in Münster

Ausland
09.04.2018 12:00

Jener Amokfahrer, der am Samstagnachmittag mit einem Kleintransporter in einen Gastgarten in Münster gerast ist und dabei zwei Menschen getötet, mehr als 20 zum Teil schwer verletzt und danach sich selbst gerichtet hat, lässt für seine Tat viele Fragen offen: Weshalb mussten unschuldige Menschen sterben? Jetzt wurde ein Abschiedsbrief des Mannes publik, in dem der Todeslenker auf 92 Seiten erklärt, was ihn zu seiner Tat getrieben hat.

Neun Tage vor seiner Tat hatte Jens R. den 92-seitigen Brief per E-Mail bzw. Post anscheinend wahllos an Bekannte, Familie und Nachbarn verschickt. Laut Berichten der „Bild“ habe sogar eine 81-jährige Rentnerin aus der Umgebung eine Kopie davon bekommen.

Laut dem Brief - ein weiteres Exemplar wurde in seiner Wohnung im sächsischen Pirna gefunden - verdiente der 48-Jährige zwischenzeitlich viel Geld als erfolgreicher Industriedesigner. Unter anderem hatte er eine Lampe entworfen, die sich zeitweise sehr gut verkaufte. Er besaß deshalb für kurze Zeit fünf Autos und mehrere Wohnungen. Als sich seine Lage verschlechterte, gab er anderen die Schuld.

Laut eigenen Angaben habe R. schon als Kind merkwürdige aggressive Ausbrüche gehabt. Den Fehler für sein Verhalten sieht er bei seinen Eltern, die ihn ab seiner Geburt bevormundet, isoliert und jahrzehntelang misshandelt hätten. Wegen der Misshandlungen seiner Eltern sei er impotent geworden. Nie habe er normale Gefühle für Frauen entwickeln oder Geschlechtsverkehr haben können. Später habe er deshalb an der Angst gelitten, dass man ihn für schwul hält.

„Pfusch bei Rückenoperation“
Aber auch seinen Freunden schiebt er Schuld zu. Diese hätten ihn bespitzelt. Auch Kunden, die die Rechnungen des selbstständigen Designers nicht bezahlt hätten, und Ärzte, die bei einer Rückenoperation im Jahr 2015 gepfuscht und ihn zum Krüppel gemacht hätten, seien schuld an seinem Dilemma.

„Psychisch labiler und gestörter Täter“
Aus Polizeikreisen verlautete, R. sei in der Vergangenheit mehrfach psychisch aufgefallen. Schon einmal soll er angekündigt haben, spektakulär Selbstmord begehen zu wollen.
„Es sieht ganz so aus, dass es sich um einen psychisch labilen und gestörten Täter handelt, der offensichtlich schon länger darüber nachgedacht hat, sich das Leben zu nehmen“, sagte der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul (CDU), dem Sender WDR 5. Es würden zwar nach wie vor auch mögliche andere Hintergründe geprüft, „aber es spricht schon sehr, sehr viel dafür, dass es ein Einzeltäter war“.

Ein einsamer Wolf ohne soziale Bindung
Jens R. soll aus dem sauerländischen Olsberg stammen, wuchs in Brilon auf und lebte seit längerer Zeit in Münster. Nach Ansicht des Kriminologen Christian Pfeiffer zeigte er alle Merkmale eines Amokläufers. Der Mann sei offenkundig „ein einsamer Wolf ohne soziale Bindung und sozialen Erfolg“ gewesen, sagte Pfeiffer der „Nordwest-Zeitung“. Aus so einer Ohnmachtserfahrung könne sich der Wunsch nach Macht entwickeln. „Der Amokläufer möchte Herr über Leben und Tod anderer Menschen sein, möchte die Panik in ihren Augen sehen, wenn er sie mit tödlicher Wucht angreift“, sagte Pfeiffer. „Das soll ihn entschädigen für all die Niederlagen und Demütigungen, für die er andere verantwortlich macht.“

Wien setzt Konzept mit Sicherheitspollern um
Mit der Amokfahrt von Münster rückt auch hierzulande einmal mehr die Frage nach dem Schutz von zentralen Plätzen und Straßen in Städten in den Fokus. In Wien ist man gerade damit beschäftigt, ein im Vorjahr angekündigtes Sicherheitskonzept umzusetzen. Am Rathausplatz und in der Kärntner Straße werden Sicherheitspoller errichtet. Welche Barrieren auf die Mariahilfer Straße kommen, ist noch offen.

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