Berliner Studie:

Signale aus dem Gehirn – 5 Minuten nach dem Tod?

Wissenschaft
01.03.2018 08:45

Das menschliche Gehirn reagiert sehr schnell auf Sauerstoffmangel. Wird die Versorgung, etwa durch einen Herzinfarkt, unterbrochen, so tritt nach etwa zwei bis zehn Minuten der Hirntod ein, wenn Wiederbelebungsmaßnahmen scheitern. Dann wird ein Mensch zumeist für tot erklärt. Wie es zu diesem Prozess kommt, haben nun Wissenschaftler der Charité Berlin untersucht. Ihre Ergebnisse konnten wichtige Aussagen liefern, die bei der künftigen Behandlung von Schlaganfallpatienten zum Einsatz kommen könnten.

Die Prozesse, die bei Sauerstoffentzug zu Schädigungen des Gehirns führen, werden bei Tieren seit Jahrzehnten untersucht. Innerhalb von 20 bis 40 Sekunden stellt das Hirn bei einem Zusammenbruch der Versorgung in einer Art Energiesparmodus seine elektrische Aktivität ein, die Kommunikation der Nervenzellen stoppt vollständig. Minuten später, wenn die Energiereserven aufgebraucht sind, bricht das energiebedürftige Ionen- und Spannungsgefälle zwischen dem Inneren der Nervenzellen und ihrer Umgebung zusammen.

Dieser Prozess wird als Spreading Depolarization oder auch bildhaft als Tsunami bezeichnet, so die Charité in einer Aussendung. Diese Welle zieht durch die Nervenzellen und führt ohne Behandlung zum Zelltod. Bereits aus früheren Studien war bekannt, dass diese Welle bis zu einem bestimmten Zeitpunkt reversibel ist - die genaue Dauer ist aber umstritten. Neueste Messungen zeigen, dass sie sogar schon vor dem Zusammenbruch des Blutkreislaufs oder auch bei schweren Hirnerkrankungen wie einem Schlaganfall beginnen kann. Wird diese Welle gestoppt, können sich Nervenzellen vollständig erholen, wenn die Durchblutung rechtzeitig wieder einsetzt.

Ergebnisse könnten Behandlungsstrategie verändern
Beim Menschen gab es bislang nur bedingt aussagekräftige Messungen der elektrischen Hirnaktivität und sehr widersprüchliche Auffassungen in Hinblick auf die Übertragbarkeit der Tierversuchsergebnisse. Die Neurowissenschaftler um Jens Dreier konnten nun erstmals Messungen an Patienten mit fatalen Hirnerkrankungen durchführen, die eine Patientenverfügung unterschrieben hatten - das heißt, keine lebensverlängernden Maßnahmen wünschten. Dabei bedienten sie sich Methoden der invasiven Sauerstoffmessung sowie der Elektrokortikografie. 

Die Ergebnisse zeigen, dass es innerhalb von Minuten nach Kreislaufstillstand zur sogenannten terminalen Spreading Depolarization kommt. Bisher bestand die Therapie bei Schlaganfall und Herzstillstand nur darin, den Blutkreislauf so rasch wie möglich wiederherzustellen. Dreier erklärte dazu: „Das Wissen um die Spreading Depolarization ist eine Grundvoraussetzung für die Entwicklung ergänzender Behandlungsstrategien, die auf eine Verlängerung der Überlebenszeit von Nervenzellen während Durchblutungsstörungen des Hirns abzielen.“ Damit könnten die Ergebnisse, die im Fachjournal „Annals of Neurology“ veröffentlicht wurden, die Behandlungsstrategien grundlegend verändern.

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