Publikum begeistert

Klingt Violine aus Pilzholz besser als Stradivari?

Wissenschaft
22.02.2018 11:53

Was macht den Sound der Geigen von Antonio Stradivari (1644 - 1737), der von vielen als der beste Geigenbauer der Geschichte angesehen wird, aus? Kann eine Violine aus neuem, aber von einem Pilz befallenen Holz genauso klingen? Schweizer Forscher haben dies bereits in einem Blindversuch mit Fachpublikum unter Beweis gestellt. Nun wollen sie mit Schwingungsmessung und Psycho-Akustik auch den wissenschaftlichen Nachweis bringen, dass die "Violine ai funghi" den Stradivaris ebenbürtig ist.

Eine Stradivari gilt als Goldstandard. Der italienische Meister hat im 18. Jahrhundert in Cremona, einer Stadt in der italienischen Lombardei, Instrumente gebaut, die heute für Millionen gehandelt werden, ebenso wie die seines Zeitgenossen Guarneri del Gesu. Rund 800 Instrumente der beiden sind nach Schätzungen noch erhalten. Große Geiger und Virtuosen feiern das Magische, die Süße des Tons, die perfekte Balance. Zum Geheimnis des Klangs gibt es zahlreiche Theorien. Die einen sagen, es war der Holzschlag bei Vollmond, den Stradivari gepflegt haben soll, andere tippen auf einen besonderen Lack. Der Chemiker Joseph Nagyvary wies Chemikalien auf Splittern nach, die bei der Restaurierung einer Stradivari anfielen. Damit habe Stradivari womöglich Holzwürmer und Insektenbefall verhindern wollen.

Dichte des Holzes Geheimnis des Stradivari-Klanges?
Die gängigste Theorie bezieht sich auf die Dichte des Holzes. "Es ist die aktuelle Vermutung, dass die Dichte des Holzes das Geheimnis der Stradivari ist", sagt Armin Zemp, Akustiker an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) im schweizerischen Dübendorf. Als Stradivari und del Gesu im 18. Jahrhundert im italienischen Cremona Instrumente bauten, war Europa gerade am Ende einer 70 Jahre langen Periode mit langen Wintern und kühlen Sommern. Die Bäume wuchsen langsam, und es entstand ein ganz besonderes Holz mit geringerer Dichte als sonst. "Wenn Holz unter kargen Bedingungen wächst, bildet der Baum vor allem dünnwandige Zellen, um viel Wasser zu leiten", sagt Empa-Holzpathologe und Pilzforscher Francis Schwarze. "Je dünner die Zellwände, desto geringer die Holzdichte."

Fachpublikum lobt Pilzholzgeige in höchsten Tönen
Vor ein paar Jahren gelang es ihm, die Dichte von Ahorn- und Fichtenholz nachträglich zu verringern. Er setzte dafür den Baumpilz Xylaria longipes ein. "Das Elegante an unserem Pilz ist, dass er vor allem die dickwandigen Spätholzzellen abbaut", sagt Schwarze. Zurück bleibt ein Holz mit geringerer Dichte, ähnlich dem Holz der Stradivari-Geigen, das Klang besser transportiere. Mit so manipuliertem Pilz-Holz ließen die Empa-Forscher eine Geige nach klassischem Muster bauen und: Ein Fachpublikum lobte das Instrument in den höchsten Tönen. Als Geiger Matthew Trusler 2009 hinter einem Vorhang verschiedene Geigen spielte, fanden mit Abstand die meisten Zuhörer die Pilzholzgeige am klangvollsten: 90 von 180 Zuhörern. Die Stradivari fanden nur 39 am besten.

Schon im Jahr 2009 wurde ein Publikum zum Vorführtest einer Pilzholzgeige geladen:

"Mycowood"-Geige stellt sich nun Psycho-Akustik
Um die Pilzholzgeige salonfähig zu machen, wird es noch einige Zeit dauern. Der Name des Instrumentes wurde bereits geändert: "Mycowood"-Violine, das klingt schon edler. Jetzt wollen sie die Klangqualität aber auch wissenschaftlich unangreifbar nachweisen.

Als erstes werden die Saiten verschiedener Geigen im Labor mit einem Elektromagnet zum Schwingen gebracht. Ein Vibrometer misst dann Frequenz und Amplitude der Schwingungen. Damit soll jeglicher Einfluss eines Geigenspielers bei den Messungen ausgeschlossen werden. Dann kommen aber doch noch menschliche Ohren zum Einsatz. "Wir brauchen etwa 50 Probanden", sagt Zemp, "professionelle Geigenspieler, Tontechniker, Klassikmusikliebhaber und Laien." Sie sollen die Klänge nach ihrer Qualität beurteilen.

Die Forscher hoffen, dass die Messdaten der Schwingungen und das Urteil der Probanden klar belegen, welche Holzdichte für ein Instrument nötig ist, damit es für das menschliche Ohr am besten klingt. "Letztlich sollen Instrumente entstehen, die talentierten jungen Musikern mit knappen finanziellen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden können", sagt der Hobbygeiger und Industrielle Walter Fischli, der die Geigenforschung auch finanziert.

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