Blümel vs. Moser

Erwachsenenschutzgesetz: ÖVP sorgt für Verwirrung

Österreich
21.02.2018 16:48

ÖVP-interne Differenzen haben am Mittwoch für große Verwirrung bezüglich des Erwachsenenschutzgesetzes gesorgt, dessen angedrohte Verschiebung für heftige Proteste gesorgt hatte. Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) gab vor dem Ministerrat überraschend bekannt, dass es nun doch wie geplant am 1. Juli kommen werde. Der zuständige Justizminister Josef Moser, ebenfalls von der ÖVP, hingegen meinte, bei dem anvisierten Termin könne es nur bleiben, wenn das Finanzministerium mehr Geld zur Verfügung stelle.

Das Erwachsenenschutzgesetz, das im Vorjahr von allen Parteien im Parlament einstimmig beschlossen wurde, soll das 30 Jahre alte Sachwalterrecht ablösen und zu mehr Autonomie und Selbstbestimmung von Menschen mit psychischen Erkrankungen oder intellektuellen Beeinträchtigungen führen. Mit den neuen Regeln soll deren Handlungsfähigkeit nicht mehr pauschal eingeschränkt werden, stattdessen soll die Vertretung in abgestuften Formen passieren, je nachdem, in welchem Ausmaß ein Mensch Unterstützung benötigt. In Österreich sind davon rund 58.000 Personen betroffen.

Vertretervereine mussten Dutzende Jobzusagen zurücknehmen
Am Montag war durchgesickert, dass der Start des Projekts aus Geldmangel um zwei Jahre verschoben werden soll. Die betroffenen Organisationen wurden von der Regierung darüber informiert. Interessensvertreter und Opposition zeigten sich empört über die Verschiebung. Vertretervereine hätten dadurch Dutzende Jobzusagen zurücknehmen müssen, sagte der Geschäftsführer des großteils vom Justizministerium finanzierten Vereins "Vertretungsnetz", Peter Schlaffer.

Blümel: "Keine Verschiebung"
Am Mittwoch stellte dann Kanzleramtsminister Blümel die Causa zur großen Überraschung aller Betroffenen als klare Sache dar. "Ich möchte auch mit einem Gerücht aufräumen der letzten Tage, was das Erwachsenenschutzgesetz betrifft", sagte er vor Beginn der Regierungssitzung: "Das steht überhaupt nicht infrage, und auch eine Verschiebung steht nicht an. Damit sollten diese Dinge geklärt sein."

Moser: "Brauche das Budget"
Bei Justizminister Moser, dessen Ressort für die Ersatzregelung für das Sachwalterrecht zuständig ist, zeigte sich nach dem Ministerrat allerdings eine etwas andere Sicht der Dinge. Er stehe hundertprozentig zu dem Gesetz – es koste aber 17 Millionen Euro pro Jahr, und wenn es tatsächlich mit 1. Juli in Kraft treten solle, brauche er die entsprechende Bedeckung durch den Finanzminister, meinte er im Pressefoyer. "Das heißt, ich brauche das Budget, und ich hoffe, dass das Budget auch vom Finanzminister zur Verfügung gestellt wird." Die Verhandlungen mit dem Finanzressort würden laufen.

Kosten im Zuge der Gesetzwerdung offenbar schöngerechnet
Das Gezerre um die Finanzierung des Erwachsenenschutzgesetzes wird verständlicher, wenn man sich die Entstehung des Gesetzes ansieht. Im Zuge der Gesetzwerdung wurden nämlich die Kosten offenbar schöngerechnet. Im Begutachtungsentwurf aus dem Jahr 2016 ist man noch von einem Finanzierungsaufwand zwischen 16,7 Millionen Euro im Jahr 2018 und 17,5 Millionen im Jahr 2022 ausgegangen. Der weitaus größere Teil, rund 15 Millionen Euro, wäre an die Vereine gegangen, die sich um Sachwalterschaft, Patientenanwaltschaft und Bewohnervertretung kümmern. Die restlichen rund zwei Millionen Euro macht der zusätzliche Personalauswand für die Justiz aus.

Im späteren Gesetzesentwurf aus dem Jahr 2017 wurden die Kosten dann allerdings nur noch mit 9,5 Millionen im Jahr 2018 angegeben und sollten in den folgenden Jahren bis 2022 kontinuierlich sinken. Konkret wurden bei den zweiten Berechnungen in der Regierungsvorlage die zusätzlichen Mittel für die Gerichte komplett gestrichen sowie die Kosten für die neue Bewohnervertretung für Kinder- und Jugendheime, die ursprünglich vorgesehen und aus Geldmangel abgesagt wurde, herausgerechnet. Diese "Berechnungen" wurden im Zuge der parlamentarischen Beratungen zur Regierungsvorlage im März 2017 von den Experten scharf kritisiert.

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