Beraten Kommission

Kabas, Stenzel, Mölzer sollen FPÖ durchleuchten

Österreich
13.02.2018 10:55

Jetzt ist es offiziell: Das Historikerteam, das die Vergangenheit der FPÖ durchleuchten soll, wird von Wilhelm Brauneder geleitet. Der 75-jährige emeritierte Professor für Rechtswissenschaften saß in den 90ern für die FPÖ im Parlament und war Dritter Nationalratspräsident. In der Kommission sollen sich auch FPÖ-kritische Historiker einbringen. Klingende Namen der blauen "Koordinierungsgruppe", die der Kommission als beratendes Gremium dienen soll: Andreas Mölzer, Hilmar Kabas, Ursula Stenzel oder Anneliese Kitzmüller. 

Die FPÖ formulierte gleichzeitig eine "Rot-weiß-rot-Erklärung" mit einem Österreich- und Europa-Bekenntnis. Darin werden Antisemitismus und Extremismus abgelehnt und auch der radikale Islam angeprangert. Die Erklärung gelte als Startschuss und Ausgangsposition für die Aufarbeitung der Parteigeschichte, sagte FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky bei einer Pressekonferenz am Dienstag, in der die Namen der Mitglieder der "Koordinierungsgruppe" präsentiert wurden.

Neben Brauneder, Kabas (FPÖ-Ehrenobmann), Stenzel (nicht amtsführende Stadträtin in Wien), Mölzer (freiheitlicher Publizist) und der Dritten Nationalratspräsidentin Kitzmüller gehören noch Volksanwalt Peter Fichtenbauer, FPÖ-Bundesparteiobmannstellvertreter Harald Stefan, FPÖ-Klubdirektor Norbert Nemeth und der Vorarlberger Abgeordnete Reinhard Bösch der Kommission an.

Die Entscheidung, eine Historikerkommission zur Aufarbeitung der Geschichte des Dritten Lagers zusammenzustellen, war unter Druck gefallen. Nach dem Wirbel um das antisemitische Liederbuch der Burschenschaft Germania, aus deren Dunstkreis der niederösterreichische FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer hochgestiegen ist, waren die Freiheitlichen unter Zugzwang geraten.

Erster Zwischenbericht für Oktober geplant
Die Zusammensetzung der "Koordinierungsgruppe" wurde im FPÖ-Bundesparteivorstand einstimmig beschlossen. Die Wahl der Mitglieder wurde durch Vilimsky damit begründet, dass die Genannten "ein breites Abbild der Partei" darstellen und "nicht im operativen Tagesgeschäft an der Spitze" stünden. Allerdings: "Sie sind besonders in die Partei eingebettet." Wie lange die Kommission arbeiten soll, ist derzeit offen. Johann Gudenus, geschäftsführender FPÖ-Klubobmann, ergänzte bei der Pressekonferenz aber: "Ein erster Zwischenbericht wird für den Oktober angepeilt."

In der Historikerkommission sollen sich auch FPÖ-kritische Historiker einbringen, bekräftigte Klubobmann Walter Rosenkranz. Auch das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) solle "mit seinen Vorbehalten" eingebunden werden. Man wolle alle, die sich kritisch mit der FPÖ auseinandersetzen, dazu bewegen, offenzulegen, "was in deren Archiven schlummert".

Vilimsky: "Antisemitismus hat in unserer Gesellschaft keinen Platz"
Von mehreren Seiten, vor allem vom Koalitionspartner ÖVP, war der dringende Wunsch an Vizekanzler Heinz-Christian Strache herangetragen worden, die überfällige Geschichtsaufarbeitung der Freiheitlichen in Angriff zu nehmen. "Die dunklen Kapitel österreichischer Geschichte werden wir nie vergessen, und wir erteilen jeglicher Verharmlosung des Nationalsozialismus eine deutliche Absage", meinte Vilimsky bei der Pressekonferenz dazu. Eine besondere Verantwortung sehe die FPÖ in der Ablehnung des Antisemitismus: "Diesbezügliche Vorfälle und Äußerungen verurteilen wir ausdrücklich. Dies hat in unserer Gemeinschaft keinen Platz." Die FPÖ bekenne sich vorbehaltlos zur Republik Österreich sowie zur Förderung von Demokratie, Parlamentarismus und Rechtsstaatlichkeit. "Zu unserer Heimat gehören unsere deutsche Sprach- und Kulturgemeinschaft genauso wie alle autochthonen Minderheiten", so Vilimsky.  "Europa ist uns wichtig, Österreich tragen wir im Herzen."

Mölzer: "Restbestände an Antisemitismus in akademischen Verbindungen"
Der freiheitliche Publizist und ehemalige EU-Parlamentarier Andreas Mölzer bestätigte in der NS-Liederbuch-Affäre rund um den niederösterreichischen FPÖ-Spitzenkandidaten Udo Landbauer, der mittlerweile von allen politischen Ämtern zurückgetreten ist, den Verdacht, dass es sich um keinen Einzelfall, sondern vielmehr um "Restbestände an Antisemitismus in akademischen Verbindungen" handelt. Diese Reste gehörten seines Erachtens "getilgt". Es gehe um "Hygiene im eigenen Haus".

Rosenkranz: "Wir können nicht in jedermanns Hirnkastl schauen"
"NS-Gedankengut hat bei uns keinen Platz", betonte Klubobmann Rosenkranz. Dass FPÖ-Funktionäre immer wieder mit einschlägigen Aussagen auffällig werden, begründete er damit, dass "wir nicht in jedermanns Hirnkastl schauen können". "Der unterschwellige Vorwurf, dass das bei uns latent geduldet wird, muss aufhören. Wenn jemand glaubt, er kann in der FPÖ nationalsozialistisches Gedankengut einfließen lassen oder uns als Vehikel dafür nutzen, dem kann ich sagen: nicht das Parteiausschlussverfahren abwarten, sondern gleich gehen." 

Die Historikerkommission werde sich wohl auch mit den FPÖ-nahen Burschenschaften befassen. Allerdings habe die FPÖ hier weder ein Weisungs- noch ein Durchgriffsrecht, sondern sei auf die freiwillige Zusammenarbeit dieser Vereine angewiesen. Man wolle jedenfalls nicht "im eigenen Saft schmoren", sondern auch bewusst dem Dritten Lager gegenüber kritisch eingestellte Forscher und Wissenschafter einbinden, vielleicht mittels "Hearing". Das sei aber Sache des Kommissionsleiters. Wissenschaft solle sich nicht politisch lenken lassen, die FPÖ strebe einen "breiten Prozess" an, so Rosenkranz.

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