„Keine brutale Zäsur“:

Josef Pühringers erstes Jahr „in Freiheit“

Oberösterreich
09.02.2018 08:16

Heute (9. Februar 2018) vor einem Jahr hat ÖVP-Politiker Josef Pühringer seinen Rückzug als Landeshauptmann per 6. April 2017 verkündet. Im Interview zum Jahrestag erzählt er, wie er die Zäsur bewältigt hat und wie er mit dem anzunehmenden Bedeutungsverlust oder gar einer möglichen Abwertung seiner Zeit umgeht. Zur Tagespolitik sagt er grundsätzlich nichts, zum Nichtmehr-Gratiskindergarten doch.

„Krone“: Wann sind Sie in der Welt außerhalb der Politik angekommen?
LH a. D. Josef Pühringer
: Am 6. April bin ich zurückgetreten und am 7. April bin ich gleich in der neuen Welt angekommen, weil, ich mit dem Privatauto im Ortsgebiet daheim in Traun gleich ins Radar gefahren bin und Strafe gezahlt habe.

„Krone“: Wie ist es Ihnen dann in den ersten Monaten relativer Freiheit ergangen?
Pühringer:
Im Vorhinein war das erste Jahr für mich sicherlich ein geschlossenes Buch, weil ich noch nicht wusste, wie es mir gehen wird. Heute kann ich sagen, es ist mir sehr gut gegangen. Es war vernünftig, nach dem Rücktritt gleich auf Kur zu gehen, ein Monat Abstand zu haben zu allem. Zweitens hab‘ ich den Rückhalt meiner Familie. Drittens habe ich einige sehr sinnvolle Betätigungsfelder, sodass mir keinen einzigen Tag langweilig war. Auch einige LH-Vertretungen (Vertretungen von Landeshauptmann Thomas Stelzer bei Veranstaltungen) dort, wo es passt. Ich will nicht so quasi den Landeshauptmann nachspielen. Aber dort, wo ich sinnvolle Beiträge leisten kann, das ist vor allem auch im Kulturbereich, bin ich dazu gerne bereit.

„Krone“: Also derselbe Terminstress fast wie vorher?
Pühringer:
Nein, den habe ich absolut nicht. Vor allem aber ist die Last und die Verantwortung und vor allem die Letztverantwortung weg, was natürlich einen deutlichen Zugewinn an Lebensqualität bedeutet. Ich hab‘ Zeit, Bergwandern zu gehen, öfter ins Theater und ein Konzert zu gehen, länger zu schlafen, mehr für die Gesundheit zu tun. Und ich bin trotzdem immer wieder im Geschehen mit dabei aufgrund meiner Funktionen. Es war dadurch die Zäsur keine so brutale und ich habe es, glaube ich, ganz gut geschafft, meine neue Rolle wahrzunehmen.

„Krone“: Haben Sie in Summe nicht so etwas erlebt wie einen schmerzhaften Bedeutungsverlust?
Pühringer:
Nein, ehrlich gesagt nicht. Denn der „Bedeutungsverlust“, unter Anführungszeichen, tritt dann ein, wenn man sich als Person nur über die Funktion definiert, was bei mir, so hoffe ich, nie der Fall war. Ich habe zwar auch geglaubt, dass die Zäsur schmerzlich sein wird, aber das ist ausgeblieben. Nicht zuletzt auch deswegen, weil die Übergabe meines Erachtens sehr gut funktioniert hat und ich sowohl mit Thomas Stelzer, und auch den übrigen, in einem sehr guten Verhältnis bin. Was ja bei solchen Übergaben nicht immer gelingt. Und Thomas Stelzer macht die Sache sehr gut.

„Krone“: Es hat ja aber doch eine gewisse politische Zäsur gegeben, zumindest im Wording. Es gibt „eine neue Zeit“, eine „Schuldenbremse“, es hat einen „Kassasturz“ gegeben, usw. Haben Sie da das Gefühl, dass damit eine Abwertung von Ihnen und Ihrer Zeit verbunden sein könnte?
Pühringer:
Ehrlich gesagt, nein, denn zum Ersten habe ich in meiner Abschiedsrede die Neuen aufgefordert, vieles anders und besser zu machen. Ich bedauere Menschen, die sich an den Erfolgen ihrer Nachfolger nicht freuen können. Und außerdem, was die ganze Finanzdebatte anlangt, da gibt’s objektive Zahlen die von Thomas Stelzer als meinem Nachfolger auch als Finanzreferent nie in Frage gestellt wurden. Es ist jetzt auch eine ganz andere Situation, denn es ist eine boomende Konjunktur, das zeigt sich auch an den Einnahmen. Und ich trau mir schon zu sagen, dass das Nulldefizit auch deswegen möglich geworden ist, weil von Haus aus eine überschaubare Verschuldung gegeben war. Andere Länder bringen das sicherlich nicht in diesem Tempo zusammen.

„Krone“: Kurze Frage zur Nachmittagsbetreuung im Kindergarten. Der Gratis-Kindergarten war ein Produkt Ihrer Zeit, 2009. Wie stehen Sie dazu, dass das jetzt zumindest scheibchenweise rückgängig gemacht wird?
Pühringer:
Ich glaube nicht, dass der Gratiskindergarten scheibchenweise abgeschafft wird. Denn was verlangt wird, ist ein sehr sozial gestaffelter Beitrag für die Nachmittagsbetreuung. Den kann man sicherlich vertreten. Sicher hat ich in der letzten Zeit der Politik, das sage ich auch mir gegenüber nicht unkritisch, eine sehr starke Gratismentalität um sich gegriffen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich heute als Letztverantwortlicher den Gratiskindergarten wieder einführen würde, wahrscheinlich nicht. Sondern einfach ein sozial gerechtes Kinderbetreuungsangebot. Und darum bemüht man sich ja. Die (zuständige ÖVP-Landesrätin) Christine Haberlander, die aus meiner Sicht ihre Aufgabe exzellent erledigt, hat ja eine Evaluierung angekündigt. Und sollte es aus der sozialen Sicht her Unebenheiten geben, dann wird man diese ja ausgleichen. Aber mehr sage ich nicht, denn in die aktuelle Tagespolitik mische ich mich nicht ein, außer es betrifft Fragen der Seniorenpolitik.

Werner Pöchinger, Kronen Zeitung

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