Schwere Vorwürfe

Autolobby testete Abgase offenbar auch an Menschen

Ausland
29.01.2018 06:26

Rund zweieinhalb Jahre nach Beginn des Abgasskandals kommen immer neue, erschreckende Details ans Licht. So soll es Diesel-Schadstofftests nicht nur mit Affen - krone.at berichtete -, sondern auch mit Menschen gegeben haben. Das geht jedenfalls aus einem Report der "Europäischen Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor" (EUGT), einer von Volkswagen, BMW und Daimler finanzierten Lobby-Initiative, hervor.

Wie die "Stuttgarter Zeitung" und die "Süddeutsche Zeitung" am Montag berichteten, soll die von den Konzernen VW, Daimler und BMW gegründete EUGT eine "Kurzzeit-Inhalationsstudie mit Stickstoffdioxid bei gesunden Menschen gefördert" haben. Das stehe in einem als Tätigkeitsbericht für die Jahre 2012 bis 2015 herausgegebenen Report.

Dabei seien an einem Institut des Universitätsklinikums Aachen 25 Personen untersucht worden, nachdem sie jeweils über mehrere Stunden Stickoxid (NO2) in unterschiedlichen Konzentrationen eingeatmet hätten. Laut der 2017 aufgelösten EUGT wurde keine Wirkung festgestellt. NO2 ist jener Schadstoff, dessen Messwerte von Volkswagen in den USA jahrelang manipuliert worden waren, um die gesetzlichen Grenzwerte für Dieselfahrzeuge offiziell einzuhalten.

Der zuständige Institutsleiter Thomas Kraus sagte der "Stuttgarter Zeitung" jedoch, die 2016 veröffentlichte Studie sei nur eingeschränkt aussagekräftig. Zum einen ließen sich die Befunde nicht auf die gesamte Bevölkerung übertragen, zum anderen sei Stickstoffdioxid nur ein Teil der gesamten Luftbelastung.

Empörung über Tests mit Affen
Zuvor hatten Tierversuche beim Test von Dieselabgasen breite Empörung ausgelöst. Sie wurden durch US-Ermittlungen zur VW-Abgasaffäre bekannt. Affen waren dabei gezielt Schadstoffen ausgesetzt worden. Die Tests mit den Primaten waren Teil einer Studie, die beweisen sollte, dass die Diesel-Schadstoffbelastung dank moderner Abgasreinigung erheblich abgenommen hat. Deshalb hatte die EUGT sie beim US-amerikanischen Lovelace Respiratory Research Institute in Auftrag gegeben. Federführend war laut dem Studienleiter dabei VW.

VW bat am Wochenende um Entschuldigung für die in den USA durchgeführten Versuche. "Wir sind der Überzeugung, dass die damals gewählte wissenschaftliche Methodik falsch war. Es wäre besser gewesen, auf eine solche Untersuchung von vornherein zu verzichten", teilte der Konzern am Samstag mit. Volkswagen distanziere sich klar von allen Formen der Tierquälerei. "Wir entschuldigen uns für das Fehlverhalten und die Fehleinschätzung Einzelner."

Daimler verurteilt Versuche auf das Schärfste
Auch der Autohersteller Daimler distanzierte sich ausdrücklich von den Studien und der EUGT. "Wir sind über das Ausmaß der Studien und deren Durchführung erschüttert", hieß es in einer Stellungnahme. Daimler verurteile die Versuche auf das Schärfste. "Auch wenn Daimler keinen Einfluss auf den Versuchsaufbau hatte, haben wir eine umfassende Untersuchung eingeleitet, wie es dazu kommen konnte."

In der Politik wird unterdessen der Ruf nach einer Aufklärung der Vorwürfe lauter. Der Wirtschaftsminister des deutschen Bundeslandes Niedersachsen, VW-Aufsichtsrat Bernd Althusmann (CDU), bezeichnete die Tierversuche beim Test von Dieselabgasen als "absurd und unentschuldbar". Althusmann sagte der Deutschen Presse-Agentur, er erwarte neben einer vollständigen Aufklärung und einem umfassenden Bericht an den Aufsichtsrat "harte personelle Konsequenzen" für diejenigen, die für diese Tierversuche verantwortlich seien.

Das Land Niedersachsen ist VW-Großaktionär. "Zehn Affen stundenlang mutwillig Autoabgase einatmen zu lassen, um zu beweisen, dass die Schadstoffbelastung angeblich abgenommen habe, ist widerlich und absurd", hatte Niedersachsens Ministerpräsident, VW-Aufsichtsrat Stephan Weil (SPD), gesagt.

Skandal kostet VW-Konzern Milliarden
Der Abgasskandal war im September 2015 ins Rollen gekommen. Damals hatte VW eingeräumt, bei Millionen von Dieselfahrzeugen bei Abgastests manipuliert zu haben. Volkswagen hatte dies in eine schwere Krise gestürzt, der Skandal hat den Konzern Milliarden gekostet. Auch bei anderen Autokonzernen wurden zum Teil drastische Abweichungen der Abgaswerte zwischen Prüfstand und Straße festgestellt. Die Zahl der Neuzulassungen von Dieselfahrzeugen ist seit Monaten auf Talfahrt.

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